Plötzlich ist dieser sehr dünne, sehr flinke, nicht sehr große und sehr gut gelaunte Mann in der Trink- und Döszone des Kölner Hipsterhotels aufgetaucht. Gerade war er noch allein im Interviewzimmer, jetzt steht er da in silberner Weste im menschenverlassenen Wartebereich für Journalisten.
Das machen Stars eigentlich nicht, sie sind froh, hinter verschlossenen Türen zu bleiben, geschützt vor unliebsamer Ansprache. Aber Matt Edwards ist so erfreut, dass jetzt doch ein echter, analoger Mensch aufgetaucht ist, nach all den Zoom- und Skype-Gesichtern. Jemand, den er mit Kartentricks zum Staunen bringen kann.
Überhaupt ist Matt Edwards, 37, ein sehr eigenartiger Star. Einer, den hier noch keiner kennt, der aber mit der Rolle, die er übernommen hat, sozusagen mit einem Tippen auf seiner schwarzen Melone, wie durch Casting-Zauberei zum Star geworden ist. Als er angesprochen wurde, hatte er von Pan Tau noch nie gehört, in England lief die Serie nie im TV. Dafür in Deutschland gleich in zwei Staaten: Die Abenteuer des Herrn Tau hieß die sozialistische Variante.
Was beim Treffen sofort auffällt: Edwards bewegt sich mindestens doppelt so schnell wie alle anderen Leute. Das gilt auch für seine Mimik. Aber die anderen Leute sind ja auch nicht Comedy-Zauberer und heißen Matt Edwards.
Jetzt ist er Pan Tau, ja, der Pan Tau. Ein elegant gekleideter Herr, dem fast alle Menschen, die in den Siebzigerjahren sagen wir zwischen sechs und 14 Jahre alt waren, mindestens so gut kannten wie Hildegard Knef und Franz Beckenbauer. Einen Herrn, der nichts sagte, immer freundlich lächelte, ohne dabei ein einziges Mal blöd zu grinsen, und Kindern auf zauberhafte Weise half.
Pan Tau ist eine moderne Märchenfigur, hervorgebracht vom Fernsehen
Ab und zu tippte er dabei auf seine runde Melone und fuhr dann mit seiner Hand die Hutkrempe entlang, ein zauberhafter Wink, unterlegt von einem musikalischen Motiv. Pan Tau ist eine moderne Märchenfigur, hervorgebracht vom Fernsehen, das vertrauenserweckende Produkt einer Traumfabrik, die nicht in Hollywood lag, sondern in der sozialistischen Tschechoslowakei. Die genoss auch im Westen viel Anerkennung, und so kam es über den eisernen Vorhang hinweg zu Kooperationen wie der des WDR mit den Prager Filmstudios Barrandov und zur Geburt einer Serie, die von einem eleganten Zauberer erzählte. Er war mit einem Raumschiff gekommen, das mehr wie die Lokomotive von Jim Knopf aussah und wenn er wollte, konnte er sich so klein wie eine Barbiepuppe machen.
Sechs Jahre lang half Pan Tau Kindern mit der komplizierten, manchmal sehr ungerechten Erwachsenenwelt besser klarzukommen. Seine magischen Kräfte verwendete er nicht wie Harry Potter dazu, übernatürliche Kräfte gegen übermächtige Gegner einzusetzen. Er half den Kindern vielmehr Dinge zu sehen, die sie vorher nicht gesehen hatten, und dann selbst alle notwendigen Schritte einzuleiten. So wird auch der neue Pan Tau vorgehen, sein Raumschiff steht im Schaukasten einer Schule. Von dort macht er sich in 14 Folgen auf den Weg. Die Kinder, denen er hilft, sind diesmal älter. Weil keine unguten Assoziationen ausgelöst werden sollten, "wenn wir einen älteren Herrn mit kleinen Kindern um die Ecke biegen lassen", erklärt Regisseurin Franziska Meyer Price, am Vortrag beim Telefonat.
Der gewitzte Charme dieser Serie war keine Zauberei, sondern vor allem - neben den verspielten Drehbüchern - mit dem Mann verknüpft, der ihn in 33 Folgen verkörperte: dem tschechischen Schauspieler und Pantomimen Otto Šimánek, der 1992 starb.
Als das Team um Produzentin Gabriele M. Walther sich auf die Suche nach einem neuen Herrn Tau machte, war klar, dass die Besetzung der Titelfigur entscheidend sein würde. Entsprechend aufwendig verlief die Suche. Jetzt berichtet Regisseurin Meyer Price gut gelaunt davon, aber es muss mulmige Momente gegeben haben. "Wir haben in Deutschland niemanden gefunden", erzählt Meyer Price. Also begannen sie europaweit zu suchen, was den Einsatz von Youtube einschließt. Die Entdeckung eines englischen Zauberers namens Matt Edwards, der seine Tricks in Sälen mit 3000 Zuschauern mit allen Grimassen und Slapstickklamauk einer leibhaftigen Rampensau aufführt, nennt sie einen Glücksfall.
"Too clowney. Not elegant!"
Kaum hatte Edwards beim Casting den Raum betreten, wusste Meyer Price: Der ist es. Edwards spricht kein Deutsch? Pan Tau sagt ja eh nie etwas. Aber dann begann die Arbeit, einen Mann zum Schweigen zu bringen, der es liebt, Zaubereien mit witzigen Erzählungen und Slapstick zu präsentieren. Der auch jetzt munter drauflos plaudernde Edwards musste Stillsein lernen, und der Entertainer, der weiß, wie man volle Säle mit großen Gesten für die letzte Reihe für sich gewinnt, musste Mimik und Gestik für die Kamera massiv runterfahren. Aus einem quirligen Clown wurde ein Gentleman. Wie war das? "Very tough!"
Und sofort macht Matt Edwards ansatzlos vor, wie theatralisch ein trauriger Ausdruck für 3000 Menschen sein muss: Mit einem langen flehenden Blick zur Decke, den Kopf nicht leicht gesenkt wie im wirklichen Leben, sondern hoch gereckt. Total seltsam, sagt er belustigt. "Fürs Fernsehen musste ich eine vollkommen neue Sprache lernen." Franziska Meyer Price reiste für zehn Tage nach England, als Lehrerin in Sachen Minimalisierung der Körpersprache, die trotzdem markant sein muss. "Too clowney. Not elegant!", ruft er immer wieder, als er die Phasen seiner Ausdruckslehre für die Fernsehkamera vorführt. Jeden Tag wurde bis zu zehn Stunden geübt. "Das waren zehn lange Tage." Bis er auch jene Fingerübung beherrscht, die jeder vor Augen hat, der Pan Tau ein einziges Mal gesehen hat, und die schwieriger ist als es den Anschein hat: dibibidibiti dutuuuuuuuu.
"Es ist die Melodie", sagt er. "Man muss nur die Melodie auf dem Hut tippen, dann weiß man, wie es geht."
Aber das sind Kleinigkeiten für einen Mann, der seit seinem sechsten Lebensjahr wusste, dass er Zauberer werden wollte. Im kleinen Needham Market, nordöstlich von London, wuchs Edwards auf - als die zarte Variante eines drei Jahre älteren Bruders, der doppelt so stark und breit wie er sein muss. So erzählte er es zumindest: "Das genaue Gegenteil von mir." Keiner in der Familie hatte irgendwas mit Zauberei oder Performing zu tun. Matt Edwards bleibt trotzdem dran. Mit 14 steht er regelmäßig auf der Bühne. Als er mit 16 die Schule abschließt, ist er schon auf Hunderten von Kindergeburtstagsfeiern aufgetreten und hat seine Spaßmacher-Lektion jeden Tag aufs Neue gelernt: "Als Entertainer bitten wir die Leute, uns zu mögen. Das Publikum ist nicht für mich da. Ich bin für die Leute da. Es ist nicht leicht, immer zu sagen: Hier sind einige Dinge, die euch zeige, bitte, bitte mögt sie." Er lächelt breit, sehr breit. Zu clowney? Egal, das ist Entertainment. Kinder als Publikum? "Viel schwerer zu täuschen als Erwachsene, sie passen viel besser auf."
Edwards erzählt dann erst mal von seinen Eltern
Mit 16 zieht Edwards in den spanischen Badeort Salou, der im Winter leer ist und im Sommer voller Engländer. Zwölf Jahre lang tritt er in Hotels auf, Bingoshows, Quiz, Zauberei. Eines Abends verrät sein bester Freund, der ihn nach Spanien geholt hat, dem Publikum alle Tricks kurz vor seinem Auftritt, plötzlich muss er improvisieren. Er fängt an, Witze zu erzählen, zu erklären, warum alles schiefgegangen ist. Die Leute hören nicht auf zu lachen. Egal, wie wahr diese schöne Geschichte ist, Edwards kann sie mit der traumwandlerischen Sicherheit des schalkhaften Erzählers hervorholen. "Ich liebe es, mich unters Publikum zu mischen, in Kontakt zu interagieren." Und dass er den Leuten eine Freude machen will, mit Pan Tau auch ein bisschen Hoffnung für eine freundlichere Welt - da spricht dann der in unzähligen Veranstaltungen geschulte Profi.
Matt Edwards, der Mann, der weiß, dass er darauf angewiesen ist, dass ihn die Leute mögen, hat über viele Jahre - manchmal bei drei Kindergeburtstagsauftritten an einem Tag - gelernt, wie man positive Aufmerksamkeit bekommt. Aber das ist vielleicht nur ein Teil der Erklärung, warum er tatsächlich ein sympathischer neuer Pan Tau geworden ist, in Episoden, die in irgendeiner europäischen Großstadt spielen und sich nicht bei den alten Folgen bedienen. Wenn Edwards erzählt, wie ein Zauberer aus ihm wurde, erzählt er viel von seinen Eltern, besonders seinem Vater, einem Polizisten, der ihn immer "fantastisch unterstützt und immer ermutigt hat". Nie ein Wort des Zweifels, ob Zauberei wirklich eine solide Basis für eine Zukunft darstellen könnte.
Sein Vater fuhr ihn zu jeder Veranstaltung. Seine Eltern sagten: Mach das, als er ihnen seinen Plan mitteilte, nicht zur High School zu gehen, und sie zahlten ihm den Flug nach Spanien, um von Sonne und Sangria benebelte englische Touristen zu unterhalten. Aber wie war das mit seinem Bruder, der Leibwächter mit dem kahlgeschorenen Kopf und den Tattoos? "Wir haben alles geteilt und über viele Jahre in einem Bett geschlafen. Er liebt meine Shows." Er erzählt, wie er vor ein paar Tagen Eltern und Bruder die Serie vorgeführt hat und dabei aus dem Zimmer gegangen ist, damit sie das Zuschauen genießen können, ohne sich in seiner Gegenwart zum Loben verpflichtet zu fühlen. "Mein Vater sagte hinterher: ,Ich habe vergessen, dass du es bist.'"
Wenn man an den alten Pan Tau denkt, fällt einem als Erstes das Wort "freundlich" ein und, in einem gar nicht dümmlichen Sinn, auch das Wort "gutmütig". Vielleicht musste sein Nachfolger aus dem Teil des englischsprachigen Weltalls kommen, wo eine Familie ohne Wenn und Aber ihrem Kind geholfen hat, das zu werden, was es immer werden wollte: ein Zauberer.
Und dann zaubert Matt Edwards die Kreuz-Acht, die sein Besucher verdeckt in den Stapel zurückgelegt hat, gefaltet aus seinem Mund heraus. Er freut sich über die Verblüffung des Gefoppten. Wie hat er das gemacht?
Aber will man das wirklich wissen? Das wollte man bei Pan Tau doch auch nie.
Pan Tau. Das Erste, Sonntag, 10.10 Uhr, alle Folgen in der Mediathek.