"Reservation Dogs" bei Disney+:Cooler als Tarantino

Lesezeit: 2 min

Die Crew im Reservat um Bear und seine Freunde sind Kleinkriminelle, wie im Film "Reservoir Dogs". (Foto: Disney)

Teenie-Drama mal anders: Die tolle Comedy-Serie "Reservation Dogs" über indigene Jugendliche auf Disney+

Von Magdalena Pulz

Es gibt Serien und Filme, die eigentlich nichts anderes sind als vertrocknete Erinnerungen an andere, meist bessere Serien oder Filme - und kaum ein Genre hat sich so abgenutzt wie Teenagerserien. Dunkle Geheimnisse, Liebesdreiecke, Verzweiflungstaten, Drogen, all diese Motive sind in Jugendserien so sicher wie FDP-Witze in der Heute-Show.

Eine schöne Ausnahme ist die achtteilige Serie Reservation Dogs von Taika Waititi und Sterlin Harjo, die auf Disney+ zu sehen ist. Das merkt man gleich in der ersten Folge. Bear, ein 16-jähriger Wuschelkopf, der in einem Reservat in Oklahoma lebt, bekommt von einem seiner Vorfahren Besuch aus der Geisterwelt. Der Urahn stellt sich als William Knifeman vor, ein indigener Krieger Amerikas, so wie man sie in den Sechzigern noch im Western gezeigt hat: Federn auf dem Kopf, auf einem Pferd thronend. Er habe in der legendären Schlacht am Little Bighorn gekämpft, erzählt der Krieger dem jungen Bear. Wobei, gekämpft, na ja, so weit sei er gar nicht gekommen. Aber er sei damals immerhin über den Hügel geritten, richtig wild, direkt auf den Feind zu. Dann sei sein Pferd gestolpert und er beim Sturz umgekommen. Häme lässt er deswegen aber nicht zu: "Du und deine Gangster-Freunde, was macht ihr für eure Leute?"

Viele Schauspieler und Autorinnen der Serie gehören indigenen Völkern Amerikas an

Die "Gangster-Freunde", das ist die Clique des jungen Bear, vier indigene Teenager, die im Reservat leben, und sich, eh klar, Reservation Dogs nennen. Wie die Crew in Quentin Tarantinos Reservoir Dogs sind Bear, Elora, Cheese und Willie Kriminelle. Statt Diamanten stehlen die "Rez Dogs" aber nur einen Laster voller "Flaming Flamers"-Chips. Den Wagen verhökern sie beim Schrotthändler, die Chips behalten sie. Win-win.

Wie man es von Serien-Co-Erfinder Taika Waititi ( Jojo Rabbit, Thor: Ragnarok) kennt und schätzt, ist auch Reservation Dogs durchzogen von einer charmanten, auch mal düsteren Situationskomik. Es ist aber vor allem der zweite Kopf des Serienduos, Sterlin Harjo, der dieses Projekt zu etwas Besonderem macht. Er stammt selbst aus Oklahoma, gehört zum indigenen Volk der Seminolen, genauso wie auch der Großteil des Casts und der Autorinnen und Autoren der Serie zu verschiedenen indigenen Völkern Amerikas gehören. Die Serie ist mehr als lustig, skurril und mit einer netten Optik versehen: Sie ist authentisch, eigen und vielleicht sogar cooler als Tarantinos blutspritzendes Kinovorbild.

Schwarze Magie und ein kaputtes Gesundheitssystem stehen in dieser Handlung locker nebeneinander

Er wolle nicht alles "übererklären", sagt Harjo im Gespräch mit der Nachrichtenplattform Indian Country Today. Er wirft die Zuschauer direkt in die gelebte Kultur im Reservat, spielt mit ihren Elementen, ist selbstironisch, ohne grausam zu sein: Schwarze Magie, bezopfte Männer, rappende Väter, die "Lighthorse"-Reservatspolizei, legales Marihuana, ein kaputtes Gesundheitssystem und zerbrochene Träume werden hier so einfach vermischt, als sei es eine Fertigbackmischung. Und doch kommt dabei ein hochwertiges Produkt heraus. Schwarze Magie?

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Nein, wenn man den Zauber von Reservation Dogs verstehen will, muss man vielleicht dort Ähnlichkeiten suchen, wo auf den ersten Blick keine sind. Hätte etwa jemand anderes als der Wiener Peter Patzak die Wiener Krimi-Serie Kottan ermittelt zu einem Wiener Kultprodukt machen können? Wäre Wer früher stirbt, ist länger tot zu einem solchen Klassiker geworden, hätte nicht der indigene Oberbayer Marcus H. Rosenmüller oberbayerische Dörfer darin so pointiert porträtiert? Nee. Und genauso ist auch Reservation Dogs mehr als nur eine Teenager-Serie, sondern: ein Lebensgefühl.

Reservation Dogs, acht Folgen, auf Disney+.

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