Serie "Die Ibiza-Affäre":Wirklichkeit auf Speed

Die Ibiza-Affäre - S1

Es ist für ihn der Anfang vom Ende, aber er weiß es noch nicht: Heinz-Christian Strache (Andreas Lust, Zweiter v. l.) begrüßt die angebliche Oligarchennichte (Anna Gorshkova).

(Foto: © Sky Deutschland/W&B Television/epo film)

Sky verfilmt die Ibiza-Affäre als Serie zwischen Thriller und Polit-Farce: mit kreativer Freiheit, Topbesetzung und viel Schmäh.

Von Christine Dössel

Es beginnt wie ein amerikanischer Thriller. Ein konspiratives Treffen in einem Hotelzimmer im Jahr 2018. Misstrauen und höchste Anspannung. Zwei Männer tasten einen Journalisten ab und zeigen ihm dann heiße Ware: ein Video. Darauf zu sehen ist, wie der österreichische Politiker Heinz-Christian Strache, Chef der rechtspopulistischen FPÖ, in kleiner, trunkener Sofarunde von der Übernahme der Wiener Kronen Zeitung durch eine russische Oligarchin schwadroniert. Und worteifrig ausmalt, wie er dann die Presselandschaft auf Autokratenart umbauen würde. Ein Hammer. Der Journalist erkennt sofort die Brisanz des Materials, und der Zuschauer weiß sogar schon, wie die Sache ausgeht. Dieses Video, das berühmte Video der "Ibiza-Affäre", heimlich gefilmt in einer extra dafür angemieteten Finca auf der Baleareninsel, wird im Frühsommer 2019 nach der Veröffentlichung durch die Süddeutsche Zeitung und den Spiegel ein politisches Beben auslösen. In der Folge stürzt die österreichische Regierung, woaßt eh.

Wie sich das alles im Detail zutrug, wie es zu dem Videoknüller kam und wie sich die Rechercheure der SZ, die Kollegen Frederik Obermaier und Bastian Obermayer, durch das Material durchackerten, es prüften und aufarbeiteten, das erzählt die Miniserie Die Ibiza-Affäre, produziert für Sky Studios, auf originell komplexe Weise: nicht linear, nicht chronologisch, nicht nüchtern-sachlich, sondern in Rückblenden und wilden Zeitsprüngen zwischen 2013 und 2020, in Spionagethriller-Manier und rauschhaften Hochglanzbildern, teils in einem Tempo wie auf Speed, aber auch mit grindiger Ösi-Komik und sehr viel Schmäh. Es ist nicht immer alles ganz verständlich, aber es ist immer alles der helle Wahnsinn.

Nicholas Ofczarek, dieses Viech von einem Schauspieler, ist in der Rolle als Drahtzieher zum Fürchten gut

Die Faktengrundlage bildet das Buch, das Obermaier & Obermayer über ihre Recherche veröffentlicht haben ("Die Ibiza-Affäre. Innenansichten eines Skandals"). Stefan Holtz und Florian Iwersen nahmen sich für den Serien-Plot dann aber jede Menge fiktionale Freiheit heraus und schufen im Kreativverbund mit dem Regisseur Christopher Schier einen kuriosen Stil- und Genremix aus Agententhriller und Polit-Farce. Zu den Extravaganzen zählen gefilmte Gedankenblitze und eingeschobene Erklärvideos wie in den Filmen von Michael Moore. Da wird zum Beispiel die Praxis illegaler Parteispenden schnell mal mit Kasperlepuppen vorgeführt oder ein Spannungsverhältnis zwischen Spiegel und SZ in einem Cartoon.

Die Ibiza-Affäre - S1

Sie stellen die Videofalle: Der Wiener Anwalt Ramin Mirfakhrai (David A. Hamade, links) und Privatdetektiv Julian Hessenthaler (Nicholas Ofczarek).

(Foto: © Sky Deutschland/W&B Television/epo film)

Im Mittelpunkt stehen hier aber nicht wie einst in den Unbestechlichen (über die Watergate-Affäre) die Journalisten, sondern jene beiden Männer, die sich das mit der Videofalle auf Ibiza und der Fake-Oligarchin als Lockvogel ausgedacht haben. Das ist zum einen der Wiener Immobilienanwalt Ramin Mirfakhrai, ein reicher Selfmademan mit exiliranischer Großverwandtschaft, die den Aufstieg der Rechten in Österreich mit großer Sorge verfolgt. Im Superwahljahr 2015 kommt Straches FPÖ auf mehr als 30 Prozent. Mirfakhrai, herrlich soigniert gespielt von David A. Hamade, beschließt, etwas dagegen zu tun, schließlich hat er nicht nur sehr viel Geld, sondern auch belastendes Material gegen Strache in seinem Safe. Material, das ihm von Straches Fahrer zugespielt wurde. Aber was damit tun? Als er bei einem Geschäftsdeal den Wiener Privatdetektiv Julian Hessenthaler kennenlernt, wird die Sache konkret: Sie schmieden den Plan, Strache dranzukriegen. Mit einem Beweisvideo. So nimmt alles seinen irren Lauf.

Während es dem Anwalt tatsächlich um Weltverbesserung geht, hat Hessenthaler Motive, die man nie ganz durchschaut. Nicholas Ofczarek, dieses Viech von einem Schauspieler, ist in dieser Rolle, mit Plauze und Schnauzer, mal wieder zum Fürchten gut. Er ist der eigentliche Erzähler, als solcher wendet er sich manchmal direkt an die Zuschauer, wie Frank Underwood in House of Cards, nur viel testosterongewaltiger und in breitestem, süffigstem Wienerisch. Generell ist diese Serie top besetzt, mit Darstellern, die ihren realen Vorbildern fast bis aufs Haar gleichen, das gilt vor allem für Andreas Lust als großartige Kopie von "HC" Strache, aber auch für Julian Looman in der Rolle des feierfreudigen Strache-Buddys Johann Gudenus. Auch Stefan Murr und Patrick Güldenberg kommen in der Rolle der beiden SZ-Reporter den Originalen sehr nahe, das sei versichert. Der echte Bastian Obermayer und der echte Frederik Obermaier kommen in der begleitend zur Serie entstandenen Dokumentation Das Ibiza Video: Ein journalistischer Krimi zu Wort. Wie zur Erinnerung daran, dass diese wilde Geschichte wirklich wahr ist.

Die Ibiza-Affäre, vier Teile, an diesem Donnerstag und am 28. Oktober in Doppelfolgen ab 20.15 Uhr auf Sky Atlantic sowie vollständig bei Sky Ticket. Die Doku "Das Ibiza-Video" bei Sky Ticket sowie ab 26. Oktober auf Sky.

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