Großbritannien:Offene Kampfansage an die BBC

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Die konservative Regierung stellt Finanzierung und Struktur der BBC infrage. (Foto: TOBY MELVILLE/REUTERS)

Nach Skandal um Diana-Interview: Britischer Kulturminister Dowden will die Senderstrukturen umfassend prüfen

Von Alexander Mühlauer, London

Es war nur eine Frage der Zeit, bis die britische Regierung den Skandal um das BBC-Interview mit Prinzessin Diana für ihre Zwecke nutzen würde. Nachdem Premierminister Boris Johnson die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt aufgefordert hatte, "jeden möglichen Schritt" zu unternehmen, damit sich ein solch "betrügerisches Verhalten" nicht wiederhole, legte der für Kultur und Medien zuständige Minister Oliver Dowden am Montag nach. In einem Gastbeitrag für die Times kündigte er eine umfassende Überprüfung der Senderstrukturen an und warf der BBC eine Besserwisser-Attitüde vor. "Wie andere beobachtet haben, kann die BBC gelegentlich einer ,Wir wissen es am besten'-Haltung erliegen", schrieb Dowden. Diese Art von Denken führe in jeder Organisation zu falschen Entscheidungen.

Der Minister schreibt von einem "Mangel an Aufsicht"

Dowden verzichtete darauf, die Fehler der BBC-Führung noch einmal im Detail auszubreiten, aber in Großbritannien weiß ohnehin fast jeder, was er damit meinte. Der BBC-Journalist Martin Bashir hatte sich mit gefälschten Dokumenten ein Interview mit Diana erschlichen, das 1995 ausgestrahlt wurde. Für die BBC war das Gespräch einer der größten Scoops ihrer Geschichte. Nun steht das Interview für das Versagen einer Rundfunkanstalt, die sich wie kaum eine andere ihrer journalistischen Sorgfalt rühmt. Doch eben diese hat die BBC bei ihren eigenen Untersuchungen des Falles Bashir schwer vernachlässigt. Erst jetzt deckte eine Kommission unter dem Vorsitz des früheren Richters John Dyson auf, dass Bashir betrogen hatte. Am Wochenende trat daraufhin der frühere BBC-Generaldirektor Tony Hall als Chairman der National Gallery zurück.

Die konservative Regierung in London will die Vorkommnisse um das Diana-Interview nun zum Anlass einer grundlegenden Überprüfung der BBC nehmen. "Wir werden (...) nicht tatenlos zusehen", schrieb Dowden. "Wir können und sollten uns nicht in redaktionelle Entscheidungen einmischen, aber wir sollten über den Mangel an Aufsicht (...) nachdenken." Im Zuge einer Überprüfung der BBC-Charta soll festgestellt werden, "ob die Governance und die regulatorischen Regelungen gestärkt werden sollten".

Was sich recht technisch anhört, ist de facto eine Kampfansage. Vielen Tories ist die BBC zu links, zu sehr auf London zentriert und vor allem zu teuer. Kein Wunder also, dass Dowden ankündigte, "grundsätzliche Fragen über das richtige Finanzierungsmodell und die Struktur der BBC" stellen zu wollen. Angesichts des Wettbewerbs mit Netflix und Amazon müsse die BBC in die Lage versetzt werden, "mit neuem Elan und Ehrgeiz britische Werte und ein unverwechselbares Qualitätsprogramm zu vermitteln". Was das bedeutet, darüber dürften die Meinungen zwischen Regierung und BBC ziemlich auseinandergehen.

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