"Brigitte Be Green":Weltretten ist Frauensache

Lesezeit: 2 min

Covermodel der ersten Augabe der "Brigitte Be Green" ist die Influencerin und Umweltaktivistin Madeleine Daria Alizadeh alias DariaDaria. (Foto: Brigitte/Bearbeitung: SZ)
  • Die Frauenzeitschrift Brigitte gibt es jetzt in nachhaltig: Brigitte Be Green widmet sich dem Thema Umweltbewusstsein.
  • Das Nachhaltigkeitsmagazin für Frauen ab 25 erscheint zwei Mal im Jahr und ist informativ, bewegt sich aber an der Grenze zum "Greenwashing".
  • Nur Männer sollten sich keinen allzu großen Lesespaß erhoffen.

Von Gerhard Matzig

Brigitte, die Mutter aller Frauenzeitschriften, gibt es jetzt als Öko-Variante. Brigitte Be Green ist eine "Line Extension". Der Verlag Gruner + Jahr verspricht sich von seinem neuen, zwei Mal im Jahr erscheinenden "Nachhaltigkeitsmagazin" (5,90 Euro, Druckauflage 120 000 Exemplare) neue Leserschichten: "Frauen ab 25 Jahren, die sich für gesellschaftliche, zeitgeistige und umweltpolitische Themen interessieren und nach Möglichkeiten suchen, das eigene Leben noch mehr in Einklang mit der Natur zu bringen."

Zum Beispiel könnte der Einklang gelingen mithilfe des C&A-"Statement-Shirts" (Aufdruck: "Be a Hero for Planet Earth"), einer Gesichtsseife aus Rizinusöl oder mit dem "feurigen Shakshuka mit Soja-Reis-Bällchen und Bohnencreme". Letzteres ist, wenn man das richtig verstanden hat, ein Fleischersatz mit hohem "Fake-Faktor". Dafür gibt es vier Sterne. Fünf Sterne gäbe es nur für "geil, wie echtes Fleisch!"

Übrigens muss man die Frage "Wie gut ist Fake-Fleisch?" oder die Statement-Shirt-begleitende Story "Wie große Modeunternehmen" - etwa: C&A - "und bewusste Konsumenten gemeinsam einen Schritt in eine nachhaltige Zukunft gehen können" (versehen mit der kleinen Dachzeile "Anzeige") als Mann auch gar nicht beantworten. Weil man nämlich als Mann schon zuvor in der Kolumne "Störfaktor" von Margarete Stokowski ("Genderkrams") von der Erde verwiesen wurde.

Männer, fast alle Männer, sind demnach für den "Ersten Weltkrieg" haftbar, also mindestens, obendrein für den aktuellen "Rechtsruck" und grundsätzlich auch für überkommene "sexistische Strategien", während Frauen, fast alle Frauen, jetzt "auch" noch den Klimaschutz wuppen müssen: Greta Thunberg, Luisa Neubauer, Margarete Stokowski ... "Frauen verhalten sich öfter umweltfreundlicher als Männer, das wurde durch Studien bestätigt". Hoffentlich sind das nicht die gleichen Studien, die bestätigen, dass sich Frauen infolge eines genderkramsbedingten Lebens in Erdhöhlen weniger gut orientieren können als Männer, die mit ihren genderkramsbedingten SUVs ständig in den bald abgeholzten Regenwäldern unterwegs sind, um naviunterstützt echtes Beef vor den Kühlergrill zu bekommen. Geiler noch als geil: Beef und Grill in einem.

Warum man Brigitte Be Green trotzdem auch abseits einer von Weltkrieg-Eins-Teilnehmern zu erwartenden Klimawandel-Trittbrettfahrer-Öko-Konsum-Tussiehaftigkeit mit fraglicher Kohlendioxidbilanz gut lesen kann? Weil es darin auch immer um Ambivalenzen geht. Klar, man kann ("Retouren einfach verschrotten?!") den eingeklebten Sticker mit der signalgelben Aufschrift "Stop! Diese Rücksendung nicht schreddern!" dem Heft entnehmen, um ihn der nächsten umweltfeindlichen Retoure von Bio-Pullis beizulegen. Und dann kann man, wie von der Redaktion empfohlen, ein Foto von dieser umweltfreundlichen Aktion unter dem Hashtag "zerstoermichnicht" auf "Insta und Facebook posten". Aber dazu sollte man auch das Interview mit der Green-IT-Expertin Marina Köhn lesen, wo es heißt: "Seinen Unverpackt-Einkauf bei Instagram zu posten, ergibt dann leider wenig Sinn", denn auch digitaler Müll ist Müll.

Wenn man den grünen Greenwashing-Zeitgeist in der grünen Brigitte schonend extrahiert, hat man am Ende auch so etwas wie informativen Lesegenuss. Als Mann leider nicht, weil: Erster Weltkrieg, Rechtsruck, Umwelt zerstören, Fleisch essen, Autofahren. Mann, wir haben einfach zu viel zu tun. Die Welt retten ist wohl ein Frauending.

© SZ vom 14.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Refinery29-Übernahme
:Cool sein oder nicht sein

Heikles Krisen-Geschäft: Vice Media kauft die Lifestyle-Plattform Refinery29. Können zwei strauchelnde Unternehmen eine profitable Einheit ergeben?

Von Jürgen Schmieder

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: