Pressefreiheit in Russland:Im Schatten der Ringe

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Der Olympia-Park in Sotschi eine Woche vor Eröffnung der Spiele. (Foto: dpa)

Weil die Welt auf Sotschi schaut, geben sich die russischen Behörden transparenter. Doch die Spiele sind "ein Feuerwerk, das kommt und wieder vergeht", glauben Journalisten. Und bei anderen Themen als Olympia wird weiter zensiert.

Von Frank Nienhuysen

Wenn in Sotschi die Winterspiele vorüber sind, ist für Galina Taschmatowa wieder Gerichtszeit. Ende Februar muss die Chefredakteurin der Nowaja Gaseta Kubani ihre eigene Zeitung und ihre Artikel verteidigen. Es geht um die Klage einer Tochterfirma von Gazprom, die umgerechnet etwa 175 000 Euro Entschädigung für kritische Berichte über die Preispolitik des Unternehmens fordert. Für Taschmatowa ist das noch kein Grund zur Sorge. "Es hat in den vergangenen Jahren schon 32 Klagen gegen uns gegeben, und wir haben alle Verfahren bis auf eines gewonnen, und das lag auch nur daran, dass einer unserer Mitarbeiter ein Band aus Versehen gelöscht hat und wir unsere Position vor Gericht nicht untermauern konnten."

Sorge macht ihr eher, wie es weitergeht in der Region rund um Sotschi, nach den Olympischen Winterspielen. "Bei Olympiathemen sind die Behörden in letzter Zeit transparenter geworden", sagt sie bei einer Veranstaltung in Berlin, "wir haben Zugang zu Informationen, wir bekommen die gewünschten Interviewpartner. Die Bedingungen haben sich für uns gebessert, das ist eine Errungenschaft, weil die Behörden wegen der Olympischen Spiele seit langem im Rampenlicht stehen. Wir haben viele Fragen gestellt und Antworten bekommen. Für andere Themengebiete gilt das leider nicht". Und die Furcht ist groß, dass es schwieriger werden könnte, wenn die Spiele erst mal vorüber sind. "Olympia ist ein Fest, ein Feuerwerk, das kommt und wieder vergeht." Die Lokaljournalisten aber bleiben.

"Abkommen über Informationsversorgung"

Die Nowaja Gaseta Kubani mit einer Auflage von 11 600 Exemplaren ist die Regionalausgabe der regierungskritischen Zeitung in Moskau, für die auch Anna Politkowskaja bis zu ihrer Ermordung gearbeitet hat. Taschmatowas Redaktion ist für den Großraum Sotschi zuständig, und wenn sie auch mit einem Investigativ-Team über Fälle von Korruption berichtet und sagt, "niemand verbietet uns etwas zu schreiben, es ist die eigene Wahl von uns Journalisten", so steht die Nowaja Gaseta Kubani doch als Printausgabe weniger im Fokus der Regierenden als die elektronischen Medien.

Nach einem Bericht von Reporter ohne Grenzen haben in der Krasnodar-Region Lokalbehörden mit den Medien "Abkommen über Informationsversorgung" geschlossen. Diese erhielten "generöse Unterstützung und Steuervorteile" im Gegenzug für Artikel, die inoffiziell "die Behörden preisen". Insgesamt seien die russischen regionalen Medien "wirtschaftlich extrem verletzlich", heißt es in dem Bericht. Chefredakteurin Taschmatowa, die zugleich einen Verband unabhängiger Journalisten leitet, sagte in einem früheren Interview einmal, "wir produzieren jede Ausgabe, als könnte sie unsere letzte sein".

"Als eine Warnung zu verstehen"

Über Druck hat jetzt der beliebte Blog Sochi.ru geklagt, der bekannt ist für seine Kritik an der Vorbereitung und dem Bau der Infrastruktur für die Olympischen Winterspiele, die in einer Woche beginnen. Chefredakteur Alexander Walow berichtete von mehr als sieben Telefonaten binnen einer Woche, die er "von verschiedenen Instanzen" erhalten habe. "Sie bitten, aufzuhören, doch mal herzukommen, alles ohne Erklärung." Derlei Anrufe seien als "eine Warnung zu verstehen vor Angriffen auf die Seite, sollte die Kritik nicht aufhören", sagte Walow dem Portal Lenta.ru.

Die Möglichkeiten russischer Behörden zur Kontrolle von Medien haben sich vergrößert, seitdem etwa der Gebrauch von Schimpfwörtern verboten ist. An diesem Wochenende wird auch eine Einschränkung der Rechte im Internet wirksam. Demnach können Staatsanwälte auch ohne richterlichen Beschluss Internetseiten sperren, wenn sie "extremistische Inhalte" verbreiten. Im Prinzip könnte dazu schon genügen, wenn Aufrufe zu Protestveranstaltungen veröffentlicht werden.

Die Arbeit der Journalisten dürfte sich damit weiter erschweren. Galina Taschmatowa spricht von "Fällen der Selbstzensur" als Folge diverser Gesetzesnovellen. "Ich habe an der Universität Studenten unterrichtet und erlebt, wie sie sich verändern, wenn sie nach der Hochschule in den Beruf gehen". Sie selber will weiter kämpfen für mehr Freiheit der Medien. "Wir sind sozusagen auch politisch aktiv", sagt sie. "Weil wir Einfluss nehmen wollen, Gesetzeslücken zu schließen. Wir werden es nicht zulassen, dass durch Gesetzesänderungen unsere Rechte eingeschränkt werden." Und das Thema Olympia wird für ihre Zeitung weiter eine große Rolle spielen. "Der Blogger Alexej Nawalny hat mit Blick auf die Gelder für Sotschi gesagt, alles sei geklaut. Präsident Wladimir Putin hat gesagt, nicht ein Rubel sei geklaut worden. Jetzt, da alle Bauten fertig sind, wollen wir selber rechnen."

© SZ vom 01.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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