Pressefreiheit in China:"Ich fühle mich angestachelt"

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Pressefreiheit in China: "Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass das Konsequenzen haben könnte", sagt David Missal über seinen Videobeitrag. (Foto: Privat/David Missal/dpa)
  • Der aus China ausgewiesene Journalistik-Student David Missal ist wieder in Deutschland.
  • Sein Visum für die Volksrepublik wurde nicht verlängert - wahrscheinlich wegen eines Videobeitrags über Menschenrechtsanwälte, den er im Rahmen seines Studiums an einer chinesischen Universität gedreht hat.
  • "Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass das Konsequenzen haben könnte", so der Student.

Von Hans Hoff

Um kurz vor sieben am Sonntagabend tritt "der mutige Deutsche", wie ihn die Welt mittags betitelt hat, aus dem Ankunftsbereich des Düsseldorfer Flughafens. Eine lange Reise ist für David Missal fast zu Ende. Der 24-Jährige aus Osnabrück hat nach knapp einem Jahr wieder deutschen Boden unter den Füßen. Vor 17 Stunden ist er in Peking gestartet, quasi ausgewiesen, weil sein bis September limitiertes Visum von den chinesischen Behörden nicht wie gewünscht um ein Jahr verlängert, sondern einfach um 25 Tage verkürzt wurde.

Um kurz vor sieben tritt auch "der naive Milchbub", wie ihn ein Nutzer bei Twitter nannte, durch die Ankunftstür. Naiv könnte man den nun ehemaligen Journalistik-Studenten der Tsinghua-Universität nennen, weil er sich unverhohlen den Gepflogenheiten, die in China für Studenten und Berichterstatter gelten, widersetzt hat.

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Ein 24-Jähriger aus Osnabrück recherchierte an der Pekinger Universität über die Arbeit von chinesischen Menschenrechtsanwälten. Dann wurde sein Visum annulliert.

Nun steht er da am Ausgang Nummer fünf in grauer Jogginghose. War eine lange Reise von Peking nach Dubai und dann mit dem A380 ins Rheinland. Missal wirkt etwas verloren zwischen Schnellimbissambiente und der mit Luftballons und Blumensträußen ausgestatteten Menge Menschen, die andere abholen. Auf ihn wartet niemand außer dem Reporter.

Abschlussfilm über einen Menschenrechtsanwalt

Für sein Journalistikseminar hat er im Frühjahr mit der Kamera einen Menschenrechtsanwalt begleitet, der einen festgenommenen Aktivisten betreut. Bei einem Besuch des Anwalts im Gefängnis musste Missal draußen bleiben, filmte bei der Gelegenheit das Gefängnis und geriet in Konflikt mit der Polizei, die er auch filmte. Im Netz ist zu sehen, wie die Polizisten länger auf ihn einreden, ihn dann festnehmen, ihn auffordern das Filmen zu lassen, was er verweigert. Nach drei Stunden kommt er wieder frei, wohl auch, weil der Anwalt, den er begleitet hat, sich für ihn einsetzt.

Im Mai hat er dann erst das Video über seine Festnahme und dann auch den Neun-Minuten-Film über den Anwalt bei Youtube eingestellt. Mit mäßigem Erfolg. Die Klickzahlen rangierten bis Sonntag im zweistelligen Bereich. Im Juni hat er dann die Verlängerung seines Visums beantragt. Die wurde erst verzögert und dann verweigert. "Bin jetzt offiziell ein 'ausgewiesener' China-Experte (Wortspiel!) ...", twitterte er am 8. August und stellte das Visum mit dem Cancelled-Stempel online. "Höchstwahrscheinlich wegen einer Seminararbeit über einen Menschenrechtsanwalt", schrieb er dazu. Medial wird Missal nun gehandelt als einer, der was riskiert hat. Missal selbst sieht das mit der "Höchstwahrscheinlich"-Begründung inzwischen auch als eher zu relativierend. "Eine andere Erklärung gibt es nicht", sagt er im Gespräch nach der Landung in Düsseldorf.

Den Twitter-Nutzer, der ihn als naiven Milchbub bezeichnete, weil er ohne Journalistenvisum journalistisch gearbeitet habe, konterte er mit der Gegenfrage, wie er einen Abschluss als Journalist an einer staatlichen Uni erreichen solle, ohne journalistisch zu arbeiten. Im Gespräch verweist er auf einen Professor, der ihm diese Arbeit genehmigt habe. Später habe ihm zwar eine Supervisorin mitgeteilt, dass das Institut "nicht so happy" sei, mit dem, was er tue. Das habe sich für ihn aber angehört, als stehe die Supervisorin nicht wirklich hinter dieser Entscheidung. "Sie hat nicht gesagt: Du darfst es nicht machen", erinnert er sich und skizziert auch seine Schlussfolgerung: "Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass das Konsequenzen haben könnte." Naiv? "Vielleicht", sagt er und zeigt, dass er zumindest ahnte, wo es lang gehen könnte. "Es ist ja nicht so, dass mir nicht bewusst war, dass das ein sensibles Thema ist."

Man kann darüber den Kopf schütteln und ihn naiv nennen. Und für einen Moment lang fragt man sich auch, wie die öffentliche Kommentierung wäre, wenn statt seiner Günter Wallraff den Menschenrechtsanwalt begleitet hätte.

Nun ist David Missal traurig, weil er sehr wahrscheinlich nie mehr ein Visum für China bekommen wird. Der Traum, dort seinen Journalistik-Master zu machen, ist hin. Ein Praktikum wollte er noch absolvieren, seine Abschlussarbeit fertigen. Zwei Jahre hätte das noch gedauert. Danach hätte er gerne für ein ausländisches Medium in China gearbeitet. Stattdessen will er jetzt in Deutschland seinen Master machen und dann vielleicht ein Jahr nach Taiwan gehen. Er gibt allen Ernstes seiner Hoffnung Ausdruck, irgendwann dann doch noch mal ein China-Visum zu bekommen. Er spreche die Sprache, er habe Freunde dort. "Ich fühle mich angestachelt, mich noch mehr mit dem Problem zu beschäftigen."

Auf den Anwurf, er habe das alles nur inszeniert, um seinen Namen und seine Videos (Der Anwaltsfilm hatte am Montag schon mehr als 1000 Klicks) populär zu machen und sich als China-Experte zu etablieren, reagiert er ruhig. "In einem Monat kennt niemand mehr meinen Namen", sagt er. Bedenken, dass er dem Anwalt, den er porträtiert hat, möglicherweise geschadet habe? "Bislang hat es ihm nicht geschadet", behauptet er und gibt zu bedenken, dass man Menschen, die in China nicht im Rampenlicht stehen, leichter mal von der Bildfläche verschwinden lassen kann. Und er fragt: "Soll man Journalismus nur noch nach der Maßgabe machen, was man auslöst?"

Nach einer Stunde muss Missal los. Der letzte Zug nach Osnabrück geht bald. In dem sitzen dann ein mutiger Deutscher und ein naiver Milchbub auf einem Platz. Von China sind beide aber nun definitiv weiter entfernt denn je.

© SZ vom 14.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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