Kennen Sie Gina-Lisa Lohfink? Nein? Dann hier ein kleiner Exkurs zum besseren Verständnis. Gina-Lisa Lohfink ist 27 Jahre alt und hat dereinst bei "Germany's Next Topmodel" mitgemacht. Es folgten ein - freilich zufällig - ins Internet gestelltes Sexfilmchen und Liebschaften mit einigen Musikern und Profifußballern. Heute spielt Gina-Lisa immer noch vor jeder TV-Kamera, die nicht schnell genug entfernt wird, das dumme Blondchen. Vielleicht muss sie dafür auch gar nicht spielen.
Aber Jan Böhmermann, den kennen Sie, oder? Genau, das ist einer der spannendsten jungen Moderatoren, der im öffentlich-rechtlichen Rundfunk herumhüpft. Soweit bekannt, kursierte von ihm zu keiner Zeit ein Sexfilmchen im Internet. An der Seite von Charlotte Roche hat er im Spartensender ZDF Kultur die von der Kritik gepriesene und dennoch mit geringer Reichweite beschiedene Show "Roche und Böhmermann" moderiert.
Immerhin haben ihm die erworbenen Meriten ein neues Engagement eingebracht, diesmal beim Spartensender ZDF Neo. Mit dem "Neo Magazin" soll er, nein, könnte er das Prinzip der Late-Night-Show im deutschen Fernsehen retten. Nun, nachdem die PR-Maschinerie wochenlang gewummert hat, hat der Spaß am Donnerstag endlich angefangen. Und es war verdammt noch mal auch Zeit! Nach den vielen Trailern (zum Beispiel hier, hier und hier), den vielen Zeitungsinterviews (etwa hier, hier und hier) und einem Besuch beim ZDF-Dauermoderierer Markus Lanz reichte es dann auch mal mit der Werbetrommelrührerei.
"Janni und Gina auf Amadeus und Sabrina"
Was die silikongetunte Gina-Lisa in diesem Artikel verloren hat, wollen Sie wissen? Nun ja, eine Late-Night-Show braucht Gäste. Und nachdem mit "heute-Show"-Moderator Oliver Welke schon ein Typ zugesagt hatte, den wohl die meisten Zuschauer dufte finden würden, brauchte es für Böhmermanns Premiere noch einen Aha-Effekt. Und so ritten Jan Böhmermann und Gina-Lisa Lohfink auf Plüschpferdchen als "Janni und Gina" zum Titellied der Kinderlieblinge "Bibi und Tina" durch das TV-Studio.
Das ist irre. Das ist peinlich. Das ist kongenial. Das ist Böhmermann. Und das kann man sich erlauben, wenn im Digitalspartensender ZDF Neo niemand eine großartige Quote erwartet. Wer vor dieser ersten Ausgabe der neuen Show kein Fan von Böhmermann war, der ist es vermutlich auch jetzt nicht. Aber dass der Mann Dinge probiert, die Regeln eines erfolgreichen Fernsehformates so gut wie möglich ignoriert, das muss jeder anerkennen.
Dabei ist das Konzept des "Neo Magazins" gar nicht so rebellisch. Am Anfang ein bisschen Geplauder und ein paar Witzchen zum Tagesgeschehen, später eine Handvoll hübscher Einspieler, Pointen auf Kosten des Publikums, schnell noch kurz mit den Gästen/dem Gast quatschen und schon fertig. Klassische Late-Night-Unterhaltung, eigentlich. Und wenn gar nichts mehr geht, Scherze auf Kosten des eigenen Arbeitgebers, besonders, wenn es sich dabei um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk handelt, ziehen immer.
Rotzig-gnadenlos und eloquent
Aber was Böhmermann tut, ist anders als bei den Raabs und Schmidts. Wenn er den gemeinsamen Jugendkanal von ARD und ZDF auf das Jahr 2059 terminiert, wenn in einem Einspieler der Sender ZDF Info von einem Kind mit Hitlerbärtchen dargestellt wird, ist klar: Der meint das so, der macht keine Gefangenen. Böhmermann ist so rotzig-gnadenlos wie der junge Stefan Raab, dabei aber (beinahe) so eloquent und in eigenen Sphären schwebend wie Harald Schmidt. Wunderbar.
Wobei: Bei der Premiere vom "Neo Magazin" war natürlich noch nicht alles wunderbar. Die Schnitte teils knochenhart, die Abläufe etwas holterdipolter, der Moderator noch nicht so cool, wie er kann. Aber das macht nichts, ist ja nicht das ZDF-Hauptprogramm, wo ein unkonventionelles Projekt nach miesen Quoten ganz schnell wieder eingestampft wird. ZDF Neo wird Jan Böhmermann Zeit geben, weil die Quote bei einem Senderschnitt von deutlich weniger als einem Prozent irrelevant ist. Und weil der Moderator dem Sender etwas viel Wichtigeres mit Gewissheit liefert: Aufmerksamkeit.
Wer braucht da schon ein Millionenpublikum, wie es andere Shows haben. Böhmermanns Schlusswort in Sendung Nummer eins lautet: "Wir sind wie 'Wetten, dass..?', nur nicht so edgy." Vielleicht hat Markus Lanz trotzdem zugeschaut und sich ein bisschen was abgeguckt.