Stockendes Sprechen, steife Bewegungen, eigenartig hochgezogene Augenbrauen: Auf einer Internetkonferenz im ostchinesischen Wuzhen hat die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua ein virtuelles Programm vorgestellt, das in Zukunft die Arbeit von Moderatoren übernehmen könnte. "Hallo, ich bin ein KI-Nachrichtensprecher in Peking", verkündete der virtuelle Sprecher bei seinem ersten Auftritt auf den Bildschirmen, adrett gekleidet in dunklem Anzug mit blauer Krawatte.
Diese Erklärung schickte der animierte Sprecher wohl auch deshalb voraus, weil nicht jedem Zuschauer sofort klar gewesen sein dürfte, dass es sich um einen virtuellen Moderator handelt - und nicht um einen Menschen. Zwar erinnert die Animation mit ihrem steifen Ausdruck und den ruckhaften Bewegungen bei längerer Betrachtung an einen neugeborenen Vampir aus der Bücherreihe Twilight, der sich konzentrieren muss, keinen nach Frischfleisch duftenden Menschen aufzufressen. Auf den ersten Blick wirkt die Animation aber täuschend echt. Auch weil die virtuelle Figur einer echten Person nachempfunden wurde: dem Journalisten Zhang Zhao, der sonst im chinesischen Staatsfernsehen die Nachrichten vorliest. "Ich wurde von einem echten Moderator geklont, aber habe das Moderieren so gut gelernt wie er", erklärte der virtuelle Sprecher so auch mit viel - programmiertem - Selbstvertrauen in der Übertragung.
Entwickelt wurde das Programm von der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua und dem chinesischen Suchmaschinenbetreiber Sogou. Es kann Stimmen, Mimik und Gestik von Menschen imitieren und angeblich durch künstliche Intelligenz vom Verhalten anderer Nachrichtensprecher lernen, so die Macher in einem Statement. "Die Entwicklungen in der Medienbranche erfordern Innovationen", ließen sie den virtuellen Zhang bei seiner Einführung erklären. Inwieweit das Programm mehr ist als ein menschenähnlicher Lautsprecher, vergleichbar mit Amazons Echo oder Google Home - eben nur mit Gesicht -, ist anhand der ersten Aufnahmen schwer zu beurteilen. Auch ist nicht absehbar, wie viele TV-Sender in Zukunft demnächst auf die neue Technologie setzen werden.
Geht es nach Chinas Mächtigen, sieht so die Zukunft aus. Künstliche Intelligenz ist eine der Technologien, in denen Peking in Zukunft die Nase vorn haben will. Künstliche Intelligenz, also Software, die darauf trainiert wird, Funktionen des menschlichen Gehirns zu imitieren, ohne sich von Emotionen zu Fehlurteilen verleiten zu lassen, ist in China das nächste große Ding. Der Boom ist nicht nur ein Ziel im aktuellen Fünfjahresplan, sondern auch Teil von Chinas Entwicklungsplan "Made in China 2025", dem Masterplan, um in den kommenden Jahren an die Industrienationen aufzuschließen. Peking stellt dafür Milliarden an Fördermitteln bereit und unterstützt die Einrichtung von KI-Forschungszentren an Universitäten. Geht es nach Chinas Regierung unter Xi Jinping, soll die Branche bis 2025 pro Jahr 59 Milliarden Dollar generieren.
Dass die Nachrichtenagentur Xinhua mit ihrer Eigenentwicklung bei der Konferenz in Wuzhen vorprescht, ist deshalb kein Zufall. Mit dem prominenten Auftritt kann sie beweisen, dass sie den Plänen von Präsident Xi Jinping Taten folgen lässt. Die Weltinternetkonferenz in Wuzhen, die bereits zum fünften Mal stattfand, würde Peking gerne als Davos der Techbranche etablieren. Mit 800 Millionen Internetnutzern hat das Land die größte digitale Netzgemeinde. Gleichzeitig gilt das chinesische Internet als einer der am stärksten kontrollierten digitalen Räume der Welt. Deshalb ist die Konferenz auch ein Ort, wo Peking versucht, für die massive Überwachung im Internet zu werben, um die "Ordnung im Internet zu verteidigen", wie die Regierung jüngst erklärte.
Für einige Aspekte dieser "Ordnung" können animierte Sprecher durchaus sorgen. In Zukunft soll das Programm für Beiträge auf der Internetseite und in den sozialen Medien verwendet werden, um "Produktionskosten zu senken und die Effizienz zu steigern", erklärte die Nachrichtenagentur. Immerhin würden die animierten Sprecher nie müde und bräuchten weder Ruhezeiten noch eine Vorbereitung vor einem Auftritt. Sie sind vor allem aber auch nicht rebellisch. So ist ihre Entwicklung auch ein Eingeständnis, dass die Menschen in den Redaktionen schon lange keine unabhängigen Journalisten mehr sind, sondern Sprachrohr für die Regierung. Auch das ist Xis Wille. Vor zwei Jahren hatte er bei einem Besuch im chinesischen Staatssender CCTV von den Journalisten verlangt, positiv über die Regierung zu berichten: "Seid loyal, hatte Xi gefordert. Für den virtuellen Zhang Zhao wird das wohl kein Problem sein.