Keine Lizenz für Parlaments-TV:"Bundestag im rechtsfreien Raum"

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Viele Demokratien versorgen ihre Parlamente mit eigenen Fernsehkanälen. Doch nun greift die Medienaufsicht das Bundestags-TV an.

Claudia Tieschky

Man kann dem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, CDU, nicht vorwerfen, dass er seine Überzeugungen verhehlen würde. Er rügt schon mal die Bundeskanzlerin, wenn er findet, sie informiere das Parlament schlecht über Verhandlungen zum Euro-Rettungspakt; oder er lässt prüfen, ob die Abschaltung von Atommeilern so einfach ist, wie Merkel sagt.

"Wir haben nicht den Anspruch eigenes Fernsehen zu machen" - Bundestagspräsident Norbert Lammert scheiterte schon vor drei Jahren bei dem Versuch, einen Bundestags-Kanal einzuführen. (Foto: AP)

Vor drei Jahren machte Lammert auch kein Geheimnis daraus, dass seiner Ansicht nach ein Bundestags-Kanal nach Vorbild des amerikanischen C-SPAN gut zu einer parlamentarischen Demokratie passen würde. In Deutschland überträgt aber bereits Phoenix (ARD/ZDF) ausgiebig aus Plenum und Ausschüssen des Parlaments. Auch deshalb scheiterte Lammert damals beim Versuch, mit den eingebauten Kameras im Reichstag ein eigenes bundesweites Programm zu lancieren.

Was blieb, war ein vom Bundestag produziertes Parlaments-TV, das über Web und das digitale Kabelnetz in Berlin verbreitet wurde, sowie verschlüsselt über Satellit für einen engen Abnehmerkreis (Botschaften, Abgeordnete, Redaktionen).

Wegen diesem Programm gibt es nun Ärger mit der Medienaufsicht. Der Anlass ist die neuerdings unverschlüsselte Ausstrahlung über einen Satelliten, der hauptsächlich auf Tschechien und die Niederlande abstrahlt. Die eigentliche Ursache des Streits aber ist die unklare gesetzliche Grundlage für das Parlamentsprogramm, die schon 2008 auffiel.

Ist es Rundfunk? Rundfunk muss in Deutschland staatsfern sein. Oder ist es Öffentlichkeitsarbeit, so wie es die für den Kanal zuständige Stabsstelle Presse und Kommunikation des Bundestags sieht? Dort verweist man auf den geringen Anteil redaktioneller Beiträge. Zu sehen seien Debatten im Plenum und Ausschusssitzungen, meist mehrfach wiederholt.

"Nur etwa ein Prozent unserer Sendezeit ist überhaupt redaktionell gestaltet", sagt Guido Heinen, Chef der Stabsstelle: "Kurze Beiträge dokumentieren, was im Parlamentsbereich passiert, oder wir zeigen Gesprächsrunden mit Teilnehmern aus allen Fraktionen zu einem aktuellen Thema." Ein Teil der Medienaufsicht sieht das ganz anders, immerhin gebe es ein Programmschema und Talks.

Die Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten (ZAK) teilte nun mit: Die "derzeitige Rechtslage lässt das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestags nicht zu". Das Programm in seiner derzeitigen Form sei Rundfunk und brauche eine Zulassung - die es aber nicht erhalten könne, weil der Programmanbieter ein Verfassungsorgan ist: "Der Bundestag handelt in einem rechtsfreien Raum."

Thomas Fuchs, der Vorsitzende der ZAK und Chef der Landesmedienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein, sagte der SZ: "Es gibt in Deutschland das duale System, darin sind Rundfunkprogramme entweder privat mit Lizenz oder öffentlich-rechtlich." Die eigentliche Frage am Parlamentsfernsehen sei doch: Könne eine Bundestagsverwaltung "ohne irgendeine Form von gesetzlicher Legitimation ein Fernsehprogramm veranstalten? Übrigens dadurch auch ohne plural besetzte Rundfunkräte oder Kommissionen. Da ist schon eine Note drin, die ich spannend finde."

Lammert entgegnet auf Anfrage: "Auch wenn inzwischen die Parlamente fast aller Demokratien eigene Fernsehkanäle betreiben: Wir haben nicht den Anspruch, eigenes Fernsehen zu machen." Solche Zurückhaltung löst die Wirren kaum: Im digitalen Berliner Kabelnetz läuft das Parlaments-TV mit Erlaubnis der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg - und dort hat man das Programm nach Auskunft der Anstalt durchaus als Rundfunk klassifiziert.

Da es sich aber zugleich um Öffentlichkeitsarbeit eines Verfassungsorgans handle, sei dafür keine Lizenz nötig, glauben die Medienwächter dort und berufen sich auf die Rechtsprechung. Ein dritter Weg im dualen System oder einfach nur viele Irrwege?

Die Beteiligten wollen nun rasch miteinander reden, es dürfte ums Grundsätzliche gehen. Wenn am Ende ein klare Rechtsgrundlage steht, wird das auch Norbert Lammert freuen. Er könnte ja irgendwann seine alten Fernsehpläne wieder entdecken.

© SZ vom 18.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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