Medienkolumne "Unser Beitrag":Der Jude, das unbekannte Wesen

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(Foto: Steffen Mackert)

Was die Öffentlich-Rechtlichen senden, Folge 14: Daniel Donskoy und Gäste plaudern beim Schabbat-Abendessen über Jüdischsein in echt und im Klischee. Was für ein Juwel.

Von Ronen Steinke

Single? Wie bitte?! Der jüdische Moderator Daniel Donskoy kann von Glück reden, dass ihm seine ebenfalls jüdischen Gäste nicht gleich die Ohren langziehen, es sind die Berliner Schriftstellerin Mirna Funk und die Schauspielerin Susan Sideropoulos. Weinglas in der Hand, schlüpfen die beiden in die Rolle der jiddischen Mammes, der Glucken. Nix da Single! Sie beugen sich zu ihm herüber: "Tschik tschak" verkuppel ich dich! Das ist hebräisch und bedeutet ruckizucki. Schalom, Klischee.

Der Jude, das unbekannte Wesen. Das Erste, das den meisten Deutschen beim Wort Jude einfällt, ist der Holocaust. Schwarz-Weiß-Bilder. Das Zweite wahrscheinlich Israel. Dagegen tritt nun diese Sendung an, Freitagnacht Jews: Kein exotisierender Blick von außen. "Wir haben schon fünf Minuten geschafft, nicht über den Holocaust zu sprechen", jubelt Moderator Donskoy, als einmal ein Gast in seiner Sendung kurz auf das Thema zu sprechen kommt. Darauf Lechaim, Prost, Gelächter - und zurück zu einer Debatte über das Leben heute, über Mehrsprachigkeit, Dazugehörenwollen und Nichtdazugehörenwollen. Die Szenerie ist in jeder Folge ein Schabbat-Abendessen, es gibt für die Gäste Lammkeule, Tscholent-Eintopf oder Falafel. Eine Folge dauert 30 Minuten. Wenn nötig, wird mit vollem Mund gesprochen.

"Nenne mir drei Dinge, an denen du sofort einen Juden erkennst!", verlangt der Moderator

Ein irrer Glücksfall: Moderator Daniel Donskoy, bisher bekannt aus kleinen Tatort-Rollen oder als Lady Dis Reitlehrer und Liebhaber James Hewitt in The Crown, sprudelt nur so vor klugen Einwänden und Provokationen, oft geht es auch um seine eigene Jugend an der jüdischen Schule in Berlin. Mit Verspätung haben die WDR-Oberen kapiert, was ihnen da für ein Juwel in den Schoß gefallen ist, weshalb sie die Sendung, die seit ein paar Wochen in der ARD-Mediathek zu sehen ist, nun doch ab 18. Juni noch im Livefernsehen zeigen wollen.

Daniel Donskoy ist Gastgeber der Show "Freitagnacht Jews". (Foto: Christian Pries/WDR)

"Nenne mir drei Dinge, an denen du sofort einen Juden erkennst!", fragt Moderator Donskoy einmal. Da stutzen zwei seiner Gäste kurz. Es sind die über Feminismus und Sex sprechende, liberale Rabbinatsstudentin Helene Braun und die jüdische Kulturmanagerin Laura Cazés. Uaargh. Soll man jetzt plump werden? Stereotype ausmalen? Darf man? Will man? Ach. So viel sei verraten: Auf die Antwort, die Laura Cazés dann gibt, wird mit Wodka angestoßen.

Freitagnacht Jews, in der ARD-Mediathek.

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