Journalisten protestieren in Video:"Der ORF gehört nicht den Parteien"

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Eklat auf YouTube: Öffentlich-rechtliche Nachrichtenjournalisten aus Österreich greifen per Video den Generaldirektor ihres Senders an. Sie werfen Alexander Wrabetz parteipolitische Motive bei der Neubesetzung von Stellen vor - und fordern klare Maßnahmen.

Katharina Riehl und Claudia Tieschky

Marie-Claire Zimmermann kennt in Österreich jeder Fernsehzuschauer. Die blonde Journalistin moderiert die Hauptabendnachrichten Zeit im Bild 1 (ZiB). Sie spricht nun als erste in die Kamera auf einem YouTube-Video, in dem ORF-Mitarbeiter offen Stellung gegen die Senderspitze beziehen. Neben Zimmermann treten viele andere bekannte ORF-Leute auf, etwa ZiB-Mann Armin Wolf.

In dem Text, den sie verlesen, werfen sie der ORF-Führung "parteipolitisch motivierte" Personalentscheidungen vor. "Diese Bestellungen empören uns doppelt", heißt es im Wortlaut. "In den Redaktionen werden aus finanziellen Gründen Dienstposten eingespart und zwar in einem Ausmaß, das längst unerträglich ist." Gleichzeitig sei im Sender offenbar genug Geld vorhanden, "wenn es darum geht neue Stellen zu schaffen, um politische Absprachen zu erfüllen".

Das Video der Redakteurinnen und Redakteure des aktuellen Dienstes der ORF-Nachrichten ist ein offener Aufstand gegen die Geschäftsführung und Generaldirektor Alexander Wrabetz. Parteienklüngel lässt die Emotionen im Sender schon länger hochgehen. Besonders strittig: Kürzlich hatte Wrabetz Niko Pelinka zu seinem Bürochef berufen; der junge Mann wird zu den engen Gefolgsleuten des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Werner Faymann gerechnet. Was ihn zum einflussreichen Rundfunk-Manager macht, ist vielen ein Rätsel - oder eben keines.

Wir, die Journalistinnen und Journalisten des ORF, stehen für einen unabhängigen ORF", heißt es in der Protestnote, die ausweislich des Abspanns "keine Produktion des ORF" und "ausschließlich mit privatem Kamera-Equipment gedreht" sei. Die in der Verfassung garantierte Unabhängigkeit des ORF, so weiter, lasse man sich nicht nehmen: "Weder durch parteipolitische Wünsche, noch durch die offenkundige Bereitschaft der ORF-Geschäftsführung, solche Wünsche zu erfüllen".

Um die so prominent geäußerte Meinung der ersten Riege seiner Nachrichtenleute wird Wrabetz nicht einfach herumkommen. Ihre Forderungen haben die Journalisten auch deutlich formuliert: Sie verlangen von Wrabetz, "alle Vorhaben zurückzunehmen, die das Ansehen des ORF als unabhängiges Medienunternehmen beschädigen".

Der Gesetzgeber müsse Bedingungen schaffen, "die die Unabhängigkeit des ORF stärken. Dazu gehören unter anderem ein völlig neues Aufsichtsgremium und ein verbessertes Redakteurs-Statut." Der ORF gehöre nicht den Parteien. "Um das zu unterstreichen, werden wir unseren Protest fortsetzen."

© SZ vom 17.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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