Medienkolumne "Abspann" über "Jerks":Volle Hosen

Lesezeit: 2 min

"Abspann" ist eine Kolumne über die Medienlandschaft. Dieses Mal über Christian Ulmen, "Jerks" und die Frage, warum Folge 8 so peinlich ist.

Von Alexander Gorkow

Der Aufwand ist immens, bis eine Fernsehserie so leicht aussieht wie Christian Ulmens Streamingserie Jerks. Funken schlägt das immer in den Momenten, in denen sich die Leute selbst überlassen bleiben; wenn sich Ulmens Kumpel Fahri Yardim in der Ortsgruppe der Grünen bewirbt und wegen Blasiertheit nicht hineinfindet in die Tagesordnung; oder wenn Marcel Reif in einem sonoren Auftritt vom Glanz der halbjährlichen Hodenkrebsvorsorge schwärmt. Das ist riesengroße Kunst, weil nur hingetupft.

Besser geht's nicht. Aber schlechter.

Dass die Serie in alter Manhattan-Tradition auf der Fremdscham aufbaut, ist ja logisch, aber erlahmen könnte sie mal an der schieren Schlagzahl der Pipi-Kacka-Witze, die inzwischen ermüdend zwanghaft wirken. Als traue Ulmen seinem gut verspannten Personal nicht. Dieses Misstrauen in die Leute und ihre Geschichten wäre dann die urdeutsche Unterhaltungskünstlerangst, die immer alles ruiniert bekam, wenn sie erst mal da war.

Wirklich scheiße - um im Genre zu bleiben - ist dann Folge 8 von 10.

Die Idioten waren bis dahin, wie es sich gehört, Ulmen und Yardim. In Folge 8 ist dann der eher Insidern bekannte TV-Autor Micky Beisenherz der Depp. Der Name ist mühsam verfremdet, Beisenherz spielt sich auch nicht selbst, wie andere peinlich-souveräne Prominente in Jerks. Sondern ein angemieteter Darsteller trägt das, was Ulmen in seinem Dünkel für die Insignien von Beisenherz hält, als Parodist vor sich her - etwa den Sound des Ruhrgebiets oder den im Gegensatz zum Mops Ulmen trainierten Muskelapparat.

Nicht, dass Beisenherz geschont werden müsste. Er ist aber, und das ist ernüchternd, gar nicht die Geschichte. Sprechend ist Folge 8 nur in Bezug auf Ulmen. Hier will einer, der vorgibt, sich als Trottel zu verkaufen, klarmachen, dass er es für die Besseren tut, wohingegen der andere, Beisenherz, der Depp von RTL ist und also die billigere Hure. Schade. Das wäre eine gute Nummer geworden, wenn sich die beiden in Folge 8 Face to Face an der Sacrower Lanke angeschwiegen hätten. Dazu hätte Ulmen Beisenherz aber einladen müssen. Hat er nicht gemacht. Feigling. Stattdessen verkleidet er seinen "Beisenherz"-Darsteller auch noch als verkappten Homo. Ernste Frage: Das ist lustig?

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Das Problem, wusste schon Freud, geht ja meistens tiefer. Beisenherz ist gemeinsam mit Jens Oliver Haas zum Beispiel für die mitunter heiter-metaphysischen Moderationstexte bekannt, die er für das Trash-Format Ich bin ein Star im australischen Dschungel hinschreibt. Ein niveauvolles Lachen gibt es so wenig wie einen niveauvollen Orgasmus, wusste schon der große Unterhaltungskünstler Robert Gernhardt, und, ja genau, das Zitat kennt wirklich jeder. Ulmen womöglich auch.

In den guten Momenten sind beide, Dschungelcamp auf RTL wie auch das Gezicke der Potsdamer Semi-In-Crowd in Jerks: Kammerspiel, Gespenstersonate, überraschendes Fernsehen. In den anderen Momenten ist beides Pipi Kacka. Und Folge 8 ist peinlich nicht für "Ulmen". Sondern für Ulmen.

Jerks , Staffel 3 auf Joyn* und Maxdome*

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© SZ vom 01.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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