Fernsehen:Der Durchfummler

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"McFit-Precht vom Macchiato-Strich" nennt sich Micky Beisenherz, 41, bei Facebook. (Foto: Markus Hauschild)

Micky Beisenherz wurde bekannt als einer, der bereit war, wirklich alles zu tun. In seiner neuen Talkshow wird klar: Er hat keine Lust mehr, dieser Typ zu sein.

Von Hans Hoff

Micky Beisenherz ist noch geschminkt beim Treffen in einem Kölner Hotel. Am Nachmittag hat er gedreht für seine Show Artikel 5, und weil er am Abend Gast in einer anderen Sendung ist, hat er die Farbe gleich draufgelassen. Auffällig wirkt das nicht, weil Beisenherz von der Statur her ohnehin kein besonders auffälliger Typ ist. Er sieht gut aus für einen 41-Jährigen, keine Frage, ist schlank, alert und kann sich geschmeidig bewegen. Trotzdem ist er niemand, der die Blicke auf sich zieht, was ein wenig kurios wirkt, weil sich der Mann aus Castrop-Rauxel von einer Fernseh-Randfigur zu einer respektablen medialen Größe gemausert hat.

Micky Beisenherz im Stillstand zu erwischen, ist schwer. Gerade ist er von einer Bühnentournee zurückgekehrt, bei der er mit ihm nahestehenden Kollegen über dies und das und jenes plauderte und sein aktuelles Buch " Apokalypse & Filterkaffee" vorstellte, das sich speist aus Kolumnen, die er alle zwei Wochen für den Stern verfasst. Natürlich ist er auch Protagonist eines Podcasts (bei Sky), weil man als Medienschaffender in diesen Tagen ohne Podcast ja quasi schon als beihilfeberechtigt durchgeht. Dazu übt er sich in Bettina Böttingers Auszeiten als Talkshowmoderator beim Kölner Treff, wenn er nicht selbst als Gast in einer anderen Runde sitzt, so wie vergangene Woche bei Maischberger. Dort trat er mit zwei Kollegen versuchsweise als "Die Kommentatoren" auf, was Bild dazu brachte, an seine mit Jörg Thadeusz bestrittene WM-Show Kwartira von 2018 zu erinnern und diese als "medialen Grottenkick" abzuqualifizieren.

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Das wiederum war Beisenherz Vorlage für einen seiner zahlreichen Tweets. "Hahahaha. Wenn die @BILD einen so schön unbefangen featured, hat man ja doch einiges richtig gemacht", konterte er ganz cool.

Vor vier Jahren war das noch ein bisschen anders. Da hatte ihn die Satirezeitschrift Titanic brutal in die Tonne geschrieben. Das muss sehr wehgetan haben, denn Beisenherz sah sich genötigt zu einer Art Gegenschlag und bezeichnete sich als Moderationsmakaken, als "das schöne Gesicht der Mikropimmelgilde", als "Putzerfisch von Autorenmastermind Jens Oliver Haas", mit dem er gemeinsam die Ansagen für die Dschungelcamp-Moderatoren verfasst.

Die Replik sollte witzig wirken, mit gleicher Münze heimzahlen, doch sie deutete in erster Linie darauf hin, dass Beisenherz schwer getroffen war. Es ist anzunehmen, dass ihm das heute nicht mehr passieren würde. Inzwischen weiß er, wie man Schmähungen abperlen lässt oder sie entkräftet, indem man sie selbst ausspricht, bevor sie sonst jemandem einfallen. Auf seiner Facebookseite nennt er sich "McFit-Precht vom Macchiato-Strich".

Beisenherz moderierte 2012 drei Sendungen. Keine war ein Erfolg

Die Unsicherheit, die ihn damals so empfindlich machte, kann natürlich auch damit zusammenhängen, dass er in den Vorjahren so unglaublich viel versucht hat und erleben musste, dass nur das wenigste davon gelang. Der Tiefpunkt war das Jahr 2012. Da moderierte Beisenherz gleich drei Sendungen bei drei Sendern. Bei RTL 2 war es die Rateshow Stadt, Land ..., bei ZDF Neo die Reihe German Angst und im Hauptprogramm die Neuauflage der Dieter-Thomas-Heck-Show Die Pyramide. Vorsichtig formuliert: Keine der Sendungen war ein Erfolg.

"Das quotentechnische Scheitern gehört zum Regelfall", sagt er heute. Er, der sich einst sogar nackt auf einem Pferd filmen ließ, hat gelernt. Das signalisiert er deutlich. "Die letzten 20 Jahre haben mir bewiesen, dass man sich so durchfummeln kann." Aber nun will er mehr.

Als Durchfummler ist er weit gekommen, und inzwischen sieht es tatsächlich ein bisschen so aus, als fummele er nicht mehr nur, als bevorzuge er immer häufiger den geraden Weg. Als bestes Indiz dafür kann man seine Show Artikel 5 nehmen, die bei Magenta TV läuft, deren erste drei Folgen man aber auch leicht bei Youtube findet. Artikel 5 bezieht sich auf die im Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit und ist so etwas wie eine Late Show mit dem Anspruch, über den schnellen Gag hinaus zu wirken - ein Hauch von John Oliver im deutschen Fernsehen. Beisenherz beschäftigt sich in dem Halbstundenformat mit Bienensterben, Wohnungsnot und Clankriminalität. "Wir nutzen die Gelegenheit, uns lange mit einem Thema zu befassen", sagt er und gibt die Zielrichtung vor. "Wir möchten da einen Schritt zurücktreten und Dinge mit ein bisschen weniger Hysterie betrachten."

Beisenherz ist nicht mehr der, der alles macht

Das Streben ist deutlich zu spüren. Der Micky Beisenherz von 2019 ist nicht mehr der Micky Beisenherz von früher, der alles gemacht hat, wenn man ihn nur ließ. Sein Drang zur Seriosität ist deutlich zu spüren, wenngleich die Knüppel, die ihm dabei zwischen die Beine geworfen werden, in der Regel von ihm selbst stammen. Beisenherz ist halt immer noch ein Verführbarer. Der eigenen Wortgewalt und Spruchstärke erliegt er zu oft. Man darf getrost annehmen, dass er für eine gelungene Formulierung immer noch die halbe Verwandtschaft verhökern würde. Das konterkariert sein Tun als ernsthaft erklärender Late-Night-Moderator ein wenig und gesellt sich zu den Schwierigkeiten, die er noch beim Timing hat. Er kriegt das mit den Pausen nur schwer hin, weil halt raus muss, was raus muss.

Dass er gern seinen Senf dazugibt, spürt man auch beim Kölner Treff. Da meint er immer wieder einen Gag einstreuen zu müssen. Das wirkt nicht immer glücklich, was er naturgemäß anders sieht. "Ich bin nicht unzufrieden mit dem, was ich da mache", sagt er und entwirft ein kleines Sittengemälde des Publikums. "Die einen mögen das, die anderen finden mich zum Kotzen. Beides ist gut, denn die, die mich zum Kotzen finden, schalten auf jeden Fall ein. Auch Hass verbindet."

Zum Glück hat er ja noch Twitter als Ventil. Dort sammelt er, was später Verwendung finden kann. "Der Tweet kommt als Geistesblitz, und dann gärt es. Das ist sehr stark impulsgetrieben", sagt er. Spätestens wenn er drei Tweets zu einem Thema rausgehauen habe, forme sich die Idee einer Kolumne.

"Ich bin hochzufrieden mit dem, was ich erreicht habe", sagt er. "Es gelingt mir immer besser, die Momente totaler Blödheit zu minimieren", fügt er an. Durch seine Stern-Kolumne habe er auf einmal gemerkt, dass man ihm zugestehe, sich auch für ernsthafte Themen zu interessieren. Daher setzt er nun darauf, mit seinen vielen Beiträgen tatsächlich so etwas wie Aufklärung zu betreiben. "Wenn da nicht ab und an die eine oder andere Erkenntnis hängen bliebe, wäre ich noch dööfer, als die Titanic mich einschätzt", sagt er. Da ist sie wieder, die Erinnerung an den Verriss von 2015. Ganz verheilt ist die Wunde offenbar noch nicht.

© SZ vom 19.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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