ZDF-Serie "Tod von Freunden":Inselkampf

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Sie haben sich ein Paradies gebaut, sagen sie: Bernd (Jan Josef Liefers, von links), Sabine (Katharina Schüttler), Kjell (Lukas Zumbrock), Charlie (Lene Maria Christensen) und Emile (Oskar Belton). (Foto: Thorsten Jander/ZDF und Letterbox)

"Tod von Freunden" legt die Lebenslügen von zwei Familien frei. Mit viel Empathie für ihre Ängste und Sehnsüchte.

Von Claudia Tieschky

Die biblische Vertreibung aus dem Paradies wäre natürlich auch eine lohnende Fernsehserie, High End, gewiss, nur womöglich mit zu vielen Nackten. Was Friedemann Fromm in Tod von Freunden erzählt, ist allerdings auch recht nah am Urplot der Menschheit. "Wir haben uns ein Paradies erschaffen", sagt die Stimme von Sabine (Katharina Schüttler) vor jeder Folge, und Sabine ist das finster zum Glück entschlossene Zentrum in diesem Klein-Eden, das auf einer Insel in der Flensburger Förde liegt. Zwei Paare und vier Teenager leben dort am Wasser, es wird dänisch und deutsch gesprochen und ganz viel umarmt, bei den Festen fliegen Feuerfunken, man versteht sich als eine Familie, wunderschön ist das alles und nur um einen winzigen Tick zu langweilig für die Videostory irgendeines skandinavienverliebten Online-Shops.

Aber nach 15 Minuten packen zwei auf dieser Insel eine Waffe von früher aus. Dann fällt Kjell, der Sohn von Sabine und Bernd, bei einer gemeinsamen Segeltour nachts auf hoher See vom Boot, und wie das eine mit dem anderen zusammenhängt, das erforscht Tod von Freunden auf Umwegen in acht Folgen. Sie spielen das Geschehen immer wieder neu durch, jeweils mit einem anderen Protagonisten im Mittelpunkt. Ein Familienthriller, der erst langsam, dann immer intensiver Spannung aufbaut und das behauptete Paradies klassisch zerlegt, auch wenn die Frucht vom Baum der Erkenntnis nicht von einer redefreudigen Schlange, sondern von einem schweigsamen drogendealenden Mitwisser aus Häuserkampftagen in Hamburg hereingetragen wird.

Die Serie leistet sich ein Experiment, das nicht neu, aber gerade Mode im Fernsehen ist

Der Autor und Regisseur Friedemann Fromm sagt, die Geschichte sei entstanden aus sehr privaten Gefühlen und Ängsten heraus, und das merkt man auch - vor allem an der Liebe, die er für diese Glücksbehauptung aufbringt, und an diesen Figuren, die man so leicht mit einem denunziatorischen Blick betrachten könnte: Sabine, der zähen Tanzlehrerin mit dem kaputten Knie und ihrem Kindheitsfreund, dem malenden Hausmann Jakob (Thure Lindhardt), der als Bootsführer verantwortlich war in der fatalen Nacht. Und die sozusagen eingeheirateten Partner Bernd (Jan Josef Liefers) und Charlie (sehr toll: Lene Maria Christensen), die vieles nicht wissen und manches nicht sagen. Denn darum geht es eigentlich: die Unmöglichkeit, Sicherheit und Glück festzuhalten, und sei es auf einer Insel der Seligen.

Die Serie leistet sich ein Experiment, das nicht neu, aber im deutschen Fernsehen gerade Mode ist. Das Variieren und Schleifendrehen über ein und denselben Ablauf ist auch dem deutschen Fernsehpublikum inzwischen vertraut. Kürzlich inszenierte die ARD so zwei Sichtweisen auf eine polizeiliche Ermittlung in dem Schirach-Thriller Feinde. Und in der herrlichen Serie Für immer Sommer 90 reist ein Mann in jeder Episode zu anderen Freunden von früher, um eine Nacht vor dreißig Jahren zu rekonstruieren.

Tod von Freunden offenbart in gewisser Weise, wie filigran und anspruchsvoll dieser Bauplan ist, bei dem Schlüsselszenen immer und immer wiederkehren und trotzdem nicht langweilen dürfen. Hier erzählt keine Episode die ganze Wahrheit über eine Figur, die kommt dann fein verflochten wie nebenbei ans Licht. Erstaunlicherweise ist gerade die erste Folge die schwächste, dabei ist ihre Hauptperson Sabine doch die Schlüsselfigur für alle verdrängten Geheimnisse. Vielleicht hat es damit zu tun, dass diese Rätsel noch über viele weitere Folgen halten müssen - jedenfalls ist Katharina Schüttler über lange Strecken entweder als Exstatisch-Entrückte oder undurchdringlich Harte inszeniert. Es mag auf einer höheren Ebene Sinn ergeben, dass diese Frau selber wie eine Insel ist, dem Zuschauer macht es den Einstieg in die Serie aber unnötig schwer.

Überhaupt wächst die Spannung rapide in den Folgen, in denen es um die Teenager Cecile, Emile, Kjell und den autistischen Karl geht, die wie Geschwister aufwuchsen und immer noch vier Musketier-Figürchen aus Kindheitstagen in die Höhe halten. Sie sind es, die lieben, experimentieren und in Gefahr geraten, sie sind in Wirklichkeit das vitale Zentrum der Serie; verglichen mit ihnen sehen die Erwachsenen auf dieser Insel der Unseligen recht fernseh-konventionell aus.

Tod von Freunden, ZDF, von 7. Februar an vier Mal sonntags, 22.15 Uhr und in der Mediathek.

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