Integration und Medien:Was Medien für Flüchtlinge senden

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Migrants in FYROM

Für viele Flüchtlinge die wichtigste Medienplattform: das Smartphone.

(Foto: Nake Batev/dpa)

Webseiten, Videos, Radiosender: Medien bieten Asylsuchenden viel. Aber wird das auch genutzt?

Von Kathrin Hollmer

Wie bekommt man ohne Ausweis eine Sim-Karte fürs Handy? Wie kauft man Zugtickets? Wo kriegt man Hilfe, wenn man krank ist? Als Flüchtling in einem neuen Land hat man viele Fragen. Im Guide for Refugees, einem Online-Projekt des BR, gibt der Reporter Henry Lai in Videos auf Englisch Antworten auf diese Fragen. Guide for Refugees ist eines von vielen Medienprojekten, die zuletzt in Deutschland gestartet sind und sich speziell an Flüchtlinge richten - und zwar schon bevor etwa die CSU ein "Deutsches Integrationsfernsehen" forderten.

Für den Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger von der LMU München ist ein isolierter Integrationssender ohnehin nicht der richtige Weg, auf die steigende Flüchtlingszahl zu reagieren. Das klinge nach "Die sollen unter sich bleiben", sagt er.

Besser findet er die Angebote, die viele Sender in den vergangenen Wochen und Monaten vorgestellt haben. Doch auch bei denen stellt sich natürlich die Frage: Nutzt das jemand - oder betreiben die Sender ihre Angebote vor allem, um ein bisschen PR in Sachen Menschenfreundlichkeit unters Volk zu bringen?

Mehrsprachige Websites, Nachrichten und Kurzvideos - die Formate sind vielfältig

Manche Ideen klingen besser, als sie am Ende aussehen. Die ARD zum Beispiel bietet ihr Angebot Tagesschau in 100 Sekunden seit ein paar Tagen auch auf Englisch und Arabisch an - ohne Ton, mit eingeblendeten Schrifttafeln zur Nachricht.

Anderes ist liebevoller gemacht: Die Deutsche Welle, die in 30 Sprachen ohnehin internationale Leser und Zuhörer erreicht, hat im September ein Multimedia-Portal mit Tipps vorgestellt, auf Englisch, Arabisch, Paschtu, Dari und Urdu. Oder der Privatsender n-tv: In der Reihe Marhaba - Ankommen in Deutschland erklärt der Moderator Constantin Schreiber, der lange Zeit in Ländern der arabischen Welt gelebt hat, in kurzen, unterhaltsamen Clips, wie die Deutschen ticken - auf Arabisch mit deutschen Untertiteln.

Die Sendung mit der Maus erklärt auf der Webseite "Maus-International" seit Kurzem viersprachig, warum beim Kochen Kartoffeln weich und Eier hart werden. Das ZDF bündelt in der Mediathek Sendungen zum Thema, zudem arbeite man daran, die Logo-Nachrichten online auch mit arabischen Untertiteln anzubieten, heißt es.

Die ARD fasst Produktionen für Flüchtlinge auf der Webseite Refugees.ard.de zusammen. Senderangaben zufolge wurde die Seite bereits 300 000 Mal abgerufen. Es ist nicht ganz leicht, diese Zahl einzuordnen. Nicht wenige der 300 000 Interessierten dürften deutsche Helfer oder Journalisten gewesen sein.

"Die Angebote sind Teil der Willkommenskultur"

Die Projekte zeigen Anlaufstellen, erklären Werte und Normen - Informationen, die das Ankommen in Deutschland erleichtern sollen. Neben den Service-Informationen werden aber auch Geschichten erzählt, die Flüchtlingen eine Stimme geben. "Die Angebote sind Teil der Willkommenskultur", sagt Kommunikationswissenschaftler Neuberger. Darum seien nicht nur Service-Beiträge wichtig. "Es geht um Identitätsfindung, um ein Gemeinschaftsgefühl, darum, zu spüren, dass man nicht allein ist mit Fragen und Problemen."

Das Gegenmodell, ein ganzes Programm für Ausländer, gab es in Deutschland schon einmal: Das Ausländerprogramm der ARD für Gastarbeiter lief von 1964 bis 2002 in sechs Sprachen. "Die sogenannten Ausländerprogramme liefen ganz spät abends und wurden mit gutem Grund eingestellt", sagt Neuberger.

Einzelne Sendungen, die ins reguläre Programm integriert sind, würden nicht nur Migranten, sondern auch die deutsche Bevölkerung erreichen. "So kann man die Integrationsaufgabe besser erfüllen."

Werbung in den Unterkünften gibt es kaum

Neuberger zufolge seien Web-Angebote mit kurzen Texten, Videos oder Radiobeiträgen am besten geeignet. "Die meisten Flüchtlinge haben Smartphones", sagt er. Fernseher, wie man sie für den von der CSU geforderten Sender bräuchte, stünden in Asylbewerberunterkünften oft nicht zur Verfügung.

Trotzdem bleibt auch für die Online-Projekte natürlich die Frage: Wer nutzt das? Werbung in den Flüchtlingsunterkünften für die Angebote gibt es kaum. Woher sollen die Menschen also wissen, auf welchen Seiten sie die arabische Sendung mit der Maus suchen sollen?

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