BBC-Doku:Die nackte Welt

Lesezeit: 2 min

Klimaaktivistin Greta Thunberg bei Fridays for Future in Stockholm. (Foto: Etrik Simander/dpa)

Ein BBC-Dreiteiler über Greta Thunberg erzählt vermutlich nichts Neues. Gerade deswegen ist er sehenswert.

Von Lena Reuters

Des Kaisers neue Kleider sei früher ihre Lieblingsgeschichte gewesen, sagt Greta Thunberg. Wie passend, erzählt die Geschichte doch wie ein eitler Kaiser mit den Worten, er trage die schönste Kleidung, seinen blanken Po präsentiert. Die Menschen trauen sich erst zu reagieren, als ein Kind ausspricht, was doch eigentlich alle sehen können: Seine Majestät ist nackig.

Der BBC-Dreiteiler Greta Thunberg - Ein Jahr, um die Welt zu verändern von Paul McGann transportiert dieses Märchen in die Neuzeit und vor allem in die Realität. Dieses Mal geht es nicht um nackte Haut, sondern um nackte Tatsachen, um nicht weniger als die Rettung der Welt. In dreimal fünfzig Minuten begleitet die Doku die junge Klimaaktivistin, wie sie auf all die Probleme zeigt, von denen wir wissen und sie doch nicht grundlegend angehen. Kohleabbau, Massentierhaltung, Waldrodungen, Flugzeugemissionen, Gletscher, die für immer geschmolzen und Korallenriffe, die abgestorben sind - die Liste ist lang und nicht unbekannt. In der Doku-Serie wird einem vermutlich wenig Überraschendes begegnen und gerade das sollte einen aufhorchen lassen. Denn durch die Reaktion von Thunberg und ihren aufrichtigen und konsequenten Blick wird einem vor Augen geführt, wie abgestumpft und erschöpft man selber auf die Hiobsbotschaften reagiert.

"Die Leute nennen mich eine Göre, einen Idioten, aber aus Gründen, die ich nicht verstehe, hören sie zu, wenn ich rede."

Die Langzeitbeobachtung setzt 2019 während Thunbergs Auszeit von der Schule ein. 134 Tage wird die damals 16-Jährige nicht nach Hause zurückkehren. Ihr Ziel ist es, die globale Erwärmung zu erforschen und die führenden Politikerinnen und Politiker der Welt zu überzeugen, die Klimakrise zu bekämpfen. Dazu reist sie, ihren Vater Svante im Schlepptau, mit dem Katamaran über den Atlantik und wieder zurück. Sie spricht auf dem UN-Klimagipfel in Madrid und auf den Bühnen der Fridays-for-Future Demos. Sie besucht Orte, die die Klimakrise erschreckend sichtbar machen, wie das größte Braunkohlekraftwerk Europas in Belchatów, Polen, dessen dampfende Schlote fast so hoch wie der Eifelturm sind, oder die Provinz Alberta in Kanada, wo man wegen des Ölsandabbaus zwischen Giftteichen und Schwefelbergen steht. In Kalifornien spricht sie mit Menschen, die durch Waldbrände alles verloren haben. Ein Mann erzählt unter Tränen, wie sehr ihm bewusst war, als er vor den Flammen floh, dass er Menschen in seiner Stadt zurückließ. 86 Menschen starben. Zerstörte Existenzen, Herausforderungen so groß, dass sie unmöglich zu bewältigen scheinen. Die eindrücklichen Bilder und Begegnungen werden von Meeresbiologen, Klimaforscherinnen und Soziologen kommentiert. Sie alle unterstreichen mit Forschungsergebnissen das, was Thunberg schon 2019 sagte: "Unser Haus brennt."

Während der drei Folgen kann der Zuschauer beobachten, wie Greta Thunberg vor der Weltöffentlichkeit erwachsen wird. Analytisch reflektiert sie die Rolle, die sie öffentlich einnimmt, verhöhnt von Machthabern wie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten Donald Trump. "Die Leute nennen mich eine Göre, einen Idioten", sagt Thunberg, "aber aus Gründen, die ich nicht verstehe, hören sie zu, wenn ich rede." Niemand sonst fordert uns so konsequent auf, uns endlich um unseren nackten Kaiser zu kümmern.

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Greta Thunberg - Ein Jahr, um die Welt zu verändern ab 7.11. bei Sky Nature

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