Glaubwürdigkeit der Medien:Journalismus in Zeiten der "Lügenpresse"

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Luegenpresse Graffito in Hamburg Medien lügen Euch an 1 11 2015

Wie hier in Hamburg äußert sich das Misstrauen zunehmend in postmodernem Populismus.

(Foto: Robert Fishman/Ecomedia/imago)

Eine ARD-Doku über die Glaubwürdigkeit von Medien will Vorurteile beseitigen. Und bestätigt doch einige von ihnen.

TV-Kritik von Johan Schloemann

Die Medien lügen. Das sagen heute viele Leute, selbst wenn sie diese Behauptung wiederum Medien entnommen haben, allerdings bestimmten, handgefilterten. Die Medien in Deutschland, so geht die Behauptung weiter, sind Teil einer großen Verschwörung gegen die kleinen Leute, an der außerdem "die Politiker", der Islam, die EU und sehr wahrscheinlich auch das angloamerikanisch-jüdische Finanzkapital beteiligt sind.

Das ist natürlich selbst eine Lüge. Aber für viele, die der pauschalen Beschuldigung der "Pinocchio-Presse" (Frauke Petry) Glauben schenken, wird der Begriff "Lüge" schon zu hoch gegriffen sein. Eine Lüge ist ja eine bewusste, meist zweckrationale Verdrehung der Wahrheit. Ressentiments und Wahnvorstellungen hingegen sind gegen Verweise auf Fakten ebenso unempfindlich wie gegen die Unterscheidung von Meinung und Bericht. Der postmoderne Populismus sagt: Es gibt eine offizielle Wahrheit, und es gibt unsere, wahrere Wahrheit. Diese aber darf man vermeintlich kaum noch aussprechen, obwohl sie in Wahrheit permanent ausgesprochen werden darf und ausgesprochen wird, auch wenn sie nicht wahr ist.

Warum aber verfangen solche Botschaften, wie es scheint, heute besser als lange zuvor? Dafür werden gerade überall die Gründe gesammelt: Überforderung, Globalisierung, Einwanderung, schwindende Bindung an traditionelle Parteien oder auch der digitale Strukturwandel der Öffentlichkeit, wozu auch die Ausweitung von Lynchstimmungen gehört, wenn der Stammtisch zur Community anwächst.

Die Wahrheit über den Film: Er ist, nun ja, kurzatmig, oberflächlich und selbstgerecht geworden

Ein Grund der Entfremdung, der in jedem Fall oft genannt wird, ist der öffentlich-rechtliche Nachrichtenjournalismus. Genauer: die Sorge, dieser Journalismus sei - im Takt mit denselben Tendenzen der politischen Kommunikation - kurzatmig, oberflächlich und selbstgerecht geworden. Davon aufgeschreckt, hat der bei aktuellem Nachrichtenjournalismus in der ARD federführende Sender, der NDR, einen Dokumentarfilm über die Glaubwürdigkeitskrise der etablierten Medien drehen lassen. Und - was soll man sagen, ohne AfD und Pegida weiter in die Hände spielen zu wollen? Am besten wohl die Wahrheit: Der Film ist, nun ja, kurzatmig, oberflächlich und selbstgerecht geworden.

Da interviewt man zum Beispiel den Chefredakteur von ARD aktuell, also den Tagesschau-Chef im eigenen Sender, und der darf verkünden: "Wir müssen jeden Tag versuchen, noch besser zu werden. Das ist das, was ich aus dem Zuschauer-Feedback jeden Tag rausziehe." Das ist gut. Aufwendiger noch wird der Auftritt der eigenen Oberchefin inszeniert, der MDR-Intendantin und amtierenden ARD-Vorsitzenden Karola Wille. Ist sie bereit dazu, gegen die Glaubwürdigkeitskrise zu kämpfen? "Sie ist dazu bereit", informiert uns der ARD-Film. Wie beruhigend.

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