"Frühstücksfernsehen" mit Olli Dittrich:Morgenmonster

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Olli Dittrich und Cordula Stratmann in "Frühstücksfernsehen" (Foto: WDR/Dietmar Seip)

Olli Dittrich parodiert in seiner neuen Show die seltsame Welt der TV-Morgenmagazine. Herausgekommen ist ein Werk von großer Wucht, das so absurd echt wirkt, dass man schon zweimal hinschauen muss, um den Wahnsinn zu entlarven.

Von Hans Hoff

Manchmal ist es so, dass man etwas sieht, ohne es zu sehen. Der Wald, der sich hinter lauter Bäumen versteckt, ist nur ein Beispiel. Das deutsche Fernsehen ist ein anderes. Vieles was da läuft, kennt man. Und kennt es doch nicht. Man schaut einfach nicht hin, wenn etwa morgens schon entsetzlich gut aufgelegte Menschen Launiges aus der Kiste plärren. Man sieht darüber hinweg, getragen von der kargen Hoffnung, dass das, was da vorbeirauscht, vielleicht doch das eine oder andere Körnchen Information enthalten könnte. Man gleicht einem Goldsucher, der mit einem Sieb dem Fluss ein paar Nuggets abtrotzen will. Schön ist, wenn einem jemand dabei hilft. Wenn jemand darüber aufklärt, wo man am ehesten was findet.

Olli Dittrich will helfen. Er will, dass die Menschen mehr erfahren, dass sie sehen, was sie bislang übersehen haben. Genau deshalb bildet er die Realität ab. Bis zur Kenntlichkeit genau. Frühstücksfernsehen heißt eine Sendung, die am kommenden Montag läuft und die sehr deutlich zeigt, was Dittrich will, was er kann. Nach dem Satire Gipfel läuft sie, eine halbe Stunde lang, und sie ist so etwas wie ein televisionäres Bewerbungsschreiben des 56-Jährigen, der so gerne mehr von sich zeigen würde als das, was man bei Dittsche sieht. Und bei Harald Schmidt, wo er gelegentlich den Sidekick gibt.

Im Frühstücksfernsehen spielt Dittrich fast alle Rollen. Er ist der steife Nachrichtensprecher, der verwirrte Außenreporter, der haspelnde Fußballstar, die beinharte CSU-Politikerin, der überkandidelte Theaterregisseur, und er ist Sören Lorenz. Sören ist Moderator bei einem typischen Morgenmagazin. Man erkennt das an seinem leicht grenzdebil wirkenden Lächeln, das so komplett ohne jegliche Motivation auszukommen scheint, das einfach nur da ist, weil im Drehbuch oder irgendeiner Anleitung für Frühmoderatoren dieses Lächeln drinsteht. Er teilt sich dieses Lächeln mit seiner Kollegin Claudia Akgün. Die wird von Cordula Stratmann so präzise gespielt, dass man schnell denkt: Ja, genau so sind die, diese Morgenmonster.

"Das führt alles in die Wahrheit"

"Das ist keine Comedy", sagt Dittrich, und im Ton klingt mit, dass er nicht in einen Topf geworfen werden möchte mit all den stadtbekannten Lustigmachern, den sich komisch wähnenden Randbegabungen, den ewigen Clowns. Dittrich will so echt sein, dass der Zuschauer sich fragt, was das denn nun soll, dass da einer die Realität eins zu eins abbildet. "Man muss so nah an die Wirklichkeit rangehen, um diese Peinlichkeit zeigen zu können", sagt er. Den Menschen vor Augen zu führen, was sie sonst ausblenden, das ist sein Anliegen. "Das führt alles in die Wahrheit."

Dittrich sitzt in einem Vorführraum der Hamburger Firma Beckground. Er schaut zum ersten Mal das eigene Werk mit einem Journalisten an, und man spürt, wie schwer es ihm fällt, ruhig zu bleiben. Zumal erst der Ton nicht so richtig über die Anlage kommt, und dann auch noch das Bild nicht so scharf ist, wie es am kommenden Montagabend auf den Sender soll. Aber er bleibt ruhig. Olli Dittrich ist Kummer gewohnt. Er hatte in den vergangenen Jahren viel mit der ARD zu tun. Das stählt.

Er schaut auf den Bildschirm, und man sieht, wie er sich wieder in die eigenen Bilder verliebt. "Es gibt so viele Steilvorlagen", sagt er und bezieht sich auf jene Sendungen, die seine Parodie füttern. All die Morgenmagazine mit ihrer unwirklichen Welt zwischen sechs und neun Uhr. "Diese entgleiste Wesentlichkeit" nennt Dittrich das und bemüht sich schnell, einen möglichen Konfliktherd runterzukühlen. "Es ist keine Parodie auf die, die das machen, es ist eine Genreparodie", sagt er.

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Nur niemanden auf die Füße treten. Schließlich waren die Kollegen vom ARD- Morgenmagazin so freundlich, ihn in ihrem Kölner Studio drehen zu lassen. Im Ergebnis ist das an der einen oder anderen Stelle noch etwas langatmig, und wenn die Meldung kommt, dass Fiat und Rügenwalder fusionieren und gemeinsam den Fiat Mortadella an den Start bringen, dann ist die Klamaukpolizei schnell alarmiert.

In der Summe ergibt sich aber ein Werk von großer Wucht. Weil es in seiner Detailverliebtheit so absurd echt wirkt, dass man schon zweimal hinschauen und hinhören muss, um den Wahnsinn zu entlarven. "Es wird angenommen, so wird angenommen, Spekulationen seien reine Vermutungen", sagt da ein Außenreporter, der ganz offensichtlich nur deshalb irgendwo draußen rumsteht, weil dort die Kamera aufgebaut wurde. Passiert ist nichts. Aber so ist das Fernsehen nun mal. Es hat sich längst abgekoppelt von den Ereignissen. Es schafft seine eigene Berichtswelt.

Olli Dittrich als planloser Außenreporter in "Frühstücksfernsehen" (Foto: WDR/Beba Franziska Lindhorst)

Es gibt ein dämliches Quiz, bei dem der ARD-Kult-Eierbecher zu gewinnen ist, es wird die ARD-Organspendergala "Ein Herz für Nieren" angekündigt, und irgendwo hinter Sören und Claudia wuselt ein lebendiges Ferkel umher. Weil süße schnuckelige Tiere halt so gut kommen auf dem Bildschirm, ob sie nun irgendeinen Zweck erfüllen oder nicht. Rund 30 Minuten dauert die Sendung. Vier Beitragsfilme laufen da, ein Nachrichtenblock, ein Musikauftritt und die chronisch gut gelaunten Sören und Claudia inklusive. "Ich glaube, dass es eine Menge Leute gibt, die auf so etwas warten", sagt Dittrich. Er sagt das, nicht weil man das halt so sagt, er sagt das, weil er das glaubt. Hat er eine andere Wahl?

Wohl kaum. Mit etlichen Formatideen ist er in den vergangenen Jahren bei Sendern vorstellig geworden und wurde im günstigsten Fall auf die lange Wartebank geschoben. "Ich habe so viele Sachen entwickelt. Ich habe eine Odyssee hinter mir", sagt er. Es sei ja nun mal nicht so, als ruhe er sich auf dem aus, was er da als Dittsche sonntags aufführt, übrigens nur noch zehnmal im Jahr, früher gab es doppelt so viele Ausgaben. "Ich will das machen, was ich gut kann", sagt er, und dann spricht er wie ein langgezogener Seufzer. "Ich kann nichts anderes als meinen Kram und den so gut wie möglich."

Nicht verbissen, aber ambitioniert

Dittrich ist kein Fließbandarbeiter. Er hat viele Angebote gehabt, hätte vieles machen können. Aber ehe er etwas macht, zu dem er nicht stehen kann, macht er lieber gar nichts. Er hat halt diese kompromisslose Art, die man auch als Mission definieren könnte. Er will was, und das ist schon ziemlich viel in einem Medium, in dem die meisten Leute nur das machen, was sie müssen, und das auch nur, wenn jemand hinguckt. Leider kommen viel zu viele im System Fernsehen mit dieser Nichthaltung durch. Da wirkt einer wie Dittrich leicht eine Spur verbissen. Aber er ist nicht verbissen, er ist ambitioniert, und er liebt das, was er macht. "Ich hoffe, dass die Sachen so gut sind, dass man am Ende nicht daran vorbeikommt", sagt er.

Und wenn das nicht klappt? Wenn diese für ihre Hüftsteife berüchtigte ARD keinen Platz findet, auf dem sie dem vom WDR eingebrachten Frühstücksfernsehen eine Entwicklungschance geben kann? "Dann kämpfe ich einfach weiter", sagt Dittrich. Einfach weiter. Aufklärer werden immer gebraucht.

Frühstücksfernsehen , ARD, 6. Mai, 23.30 Uhr.

Anmerkung der Redaktion: Wie der Branchendienst dwdl.de am Sonntag meldete, wird der WDR - unabhängig von den Quoten der Erstausstrahlung - "Frühstücksfernsehen" weiterproduzieren. "Olli Dittrichs neue Satire-Sendung "Frühstücksfernsehen" hat eine so herausragende Qualität, dass der WDR nach der ersten Folge dieses Unterhaltungs-Juwel als Staffel weiterproduzieren wird", wird WDR-Unterhaltungschef Siegmund Grewenig zitiert. Es sei vorerst eine Staffel mit sechs weiteren Folgen geplant.

© SZ vom 03.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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