Filmproduktion:Familienfreundlich am Set

Dreharbeiten für den Film: Als Hitler das rosa Kaninchen stahl. In einem Laden in der Schellingstraße 17.

Dreharbeiten in München.

(Foto: Florian Peljak)
  • Familienleben und ein Job in der Filmbranche und sind bisher nur schwer miteinander vereinbar.
  • In Deutschland gibt es jetzt eine Initiative für familienfreundlichere Drehbedingungen - vor allem in Bezug auf Arbeitszeiten und Kinderbetreuung.
  • Allerdings kennen noch längst nicht alle in der Branche deren erreichte Richtlinienänderung, die Urheberinnen haben ihren Erfolg bislang kaum publik gemacht.

Von Anna Steinbauer

Keira Knightley wünscht sich einen Kindergarten am Filmset. "Das gibt es leider nicht, und tatsächlich würde ich sagen, dass das einer der Hauptgründe dafür ist, warum es Frauen in der Filmbranche immer noch deutlich schwerer haben als Männer", äußerte sich die Schauspielerin jüngst in einem Interview. Die Tochter der 34-jährigen Britin ist drei Jahre alt. Knightley ist sicher nicht die einzige Filmschaffende mit diesem Problem, wahrscheinlich aber eine der privilegierteren. Während die Schützlinge ihrer bekannten Schauspielkolleginnen nicht selten von mehreren Nannys aufgezogen werden, ist das Kinderbetreuungsproblem für die große Masse der Filmarbeiterinnen oftmals nicht so einfach zu lösen.

Bisher gilt die Filmbranche nicht als besonders familienfreundlich. Unregelmäßige Arbeitszeiten, ständige Verfügbarkeit und prekäre Arbeitssituationen führen dazu, dass Fürsorge- und Filmarbeit sich nicht gut vereinen lassen. Egal, ob für Mann oder Frau. Doch vielleicht ändert sich das bald. Denn eine Gruppe von Film- und Fernsehproduzentinnen hat eine Richtlinienänderung bei der Filmförderungsanstalt Deutschlands (FFA) bewirkt und den Weg für familienfreundliche Drehbedingungen freigemacht. Seit Anfang des Jahres können bei Film-Förderanträgen bis zu 30 000 Euro für Kinderbetreuung einkalkuliert werden.

Schlüsselpositionen haben zu 70 Prozent Männer

Da die Care-Arbeit, also alles von Kinderbetreuung über Hausarbeit bis zur Altenpflege, auch in der Kreativbranche zum großen Teil von weiblicher Seite geleistet wird, ist für Frauen eine Karriere beim Film deutlich schwieriger als für ihre männlichen Kollegen. Eine Neuigkeit ist das nicht, erschreckend sind die Ergebnisse der FFA-Studie "Gender und Film" von 2017 trotzdem.

Die Studie beleuchtet die Produktionsbedingungen in der Filmbranche unter dem Aspekt der Gendergerechtigkeit. Die Zahlen zeigen, dass nicht nur vor der Kamera, sondern auch bei den Produktionsbedingungen längst keine Gleichstellung herrscht: Auf Schlüsselpositionen wie Szenografie, Regie und Drehbuch sitzen ungefähr zu 70 Prozent Männer. Ausnahmen sind die Abteilungen Kostüm und Maske, in denen es einen achtzigprozentigen Frauenanteil gibt. "Das Ganze hat uns ziemlich geschockt, weil wir alle der Meinung waren, dass es gar nicht so schlecht aussieht", erklärt Christine Berg.

Als ehemalige Stellvertreterin des Vorstands der FFA und Leiterin der Förderbereiche hat sie die Studie mit auf den Weg gebracht. Obwohl an der Filmhochschule ebenso viele Männer wie Frauen ihren Abschluss machen, schaffen es weniger Frauen, in der Branche Fuß zu fassen. Wenn zu traditionellen Rollenerwartungen dann noch Kinder hinzukommen, so eines der Ergebnisse der Studie, wird alles schwieriger: Mütter gelten in der Branche potenziell als unzuverlässig, werden seltener engagiert, und man traut ihnen ein geringeres Arbeitspensum zu. Im Grunde ist es in der Filmbranche ähnlich wie in anderen Bereichen, die im Zuge der "Me Too"-Bewegung und des zunehmenden Bewusstseins für den Gender Pay Gap mehr Aufmerksamkeit bekommen. Nur dass sich hier eine positive Fortsetzung für alle Filmschaffenden mit Kindern abzeichnet.

Initiative für familienfreundlichere Produktionen

"Ich fand, dass da jetzt schon was passieren muss", sagt Berg, die von sich selbst sagt, dass sie nie eine Verfechterin der Frauenquote gewesen sei. Ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass Produktionsfirmen nun die Kosten für familienfreundliches Drehen kalkulieren können. Nach den erschütternden Ergebnissen der Studie gründete Berg 2017 einen "Runden Tisch der Produzentinnen". Sie versammelte namhafte und erfahrene Film- und Fernsehproduzentinnen Deutschlands, um gemeinsam zu überlegen, wie man die Branche zukunftsfähiger gestalten könnte.

Da sich in der Gleichstellungsinitiative "Pro Quote" zunächst vor allem Regisseurinnen zusammenschlossen, schnappte Berg sich die Strippenzieher im Hintergrund: "Ich wollte die Player, diejenigen, die alles zusammenhalten. Ich dachte, ich hole die Produzentinnen an einen Tisch, und wir reden darüber, was man machen kann", erzählt Christine Berg.

Seitdem treffen sich 25 bis 30 Frauen regelmäßig, und schnell waren sie sich einig, dass man bei den Drehbedingungen ansetzen müsse. Viele Firmen hätten inzwischen Kita-Plätze, nur in der Filmproduktion gebe es so etwas bisher nicht, sagt die ehemalige FFA-Vorsitzende. "Der Fachkräftemangel spielt uns in die Hände und muss dazu genutzt werden, Frauen in die Branche zu holen."

Damit die Frauen nach ihrem Abschluss weitermachen und an bestimmte Positionen kommen könnten, sei es nötig, die Produktion familienfreundlicher zu gestalten. Dabei sind den Mitgliedern des "Runden Tisches" alle Gewerke hinter der Kamera wichtig: "Es geht um die Kolleginnen am Set. Und auch um die Kollegen", heißt es bei einer Zusammenkunft in Berlin. Die engagierten Produzentinnen erstellten ein Kostenschema, das in den Gremien der Förderanstalt diskutiert, in einer Richtlinie festgeschrieben und vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien abgesegnet wurde.

Was hilft die beste Richtlinie, wenn sie niemand kennt?

"Das ist nicht nur ein Lippenbekenntnis", sagt Berg. Allerdings kennen noch längst nicht alle in der Branche die Richtlinienänderung, die Urheberinnen haben ihren Erfolg bislang nicht groß publik gemacht. Vielleicht, weil sie lieber erst überlegen, sich untereinander austauschen und die Umsetzbarkeit ihrer Ideen prüfen, bevor sie laut mit Ergebnissen prahlen. Ausruhen will sich der "Runde Tisch" noch nicht. "Als nächstes", sagt Berg, "müssen weitere Förderer überzeugt und ein Extra-Budget geschaffen werden, damit es einen Anreiz für Produzenten gibt, die Betreuungskosten zu kalkulieren."

Berg selbst hat nach vielen Jahren die Filmförderungsanstalt verlassen und leitet seit Anfang August den Hauptverband Deutscher Filmtheater (HDF Kino). Das Treffen mit den Kolleginnen wird sie fortführen. Berg sieht große Herausforderungen auf den gesamten Filmbereich zukommen. Zum Beispiel habe sich das Arbeitsverhalten der jüngeren Generation über alle Branchen hinweg geändert, eine Work-Life-Balance werde zunehmend wichtiger.

"Wenn wir weiterhin als Filmstandort Deutschland attraktiv bleiben wollen, müssen wir ganz schnell anfangen, die Produktion in irgendeiner Weise attraktiv zu halten", sagt Berg. "Da sehen wir plötzlich, dass das nicht nur ein Frauenthema ist."

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