Frankreichs Nationalversammlung hat in der Nacht zum Mittwoch ein Gesetz gegen die Verbreitung von Falschnachrichten verabschiedet. Präsident Emmanuel Macron, dessen Partei La République en Marche dort die Mehrheit stellt, hatte schon im Januar angekündigt, entschiedener gegen bewusste Falschnachrichten, sogenannte Fake News vorgehen zu wollen. Die Opposition von links wie rechts kritisiert das Gesetz als "unnütz" und sogar "gefährlich für die Meinungsfreiheit".
Die neue Regelung sieht vor, dass in den drei Monaten vor einer landesweiten Wahl, die Verbreitung von Falschinformationen durch richterliche Eilbeschlüsse unterbunden werden kann. Nach Veröffentlichung einer Nachricht haben Geschädigte 24 Stunden Zeit, diese zu melden. Richter müssen dann innerhalb von 48 Stunden entscheiden, ob es sich um eine gezielt verbreitete Falschnachricht handelt oder nicht. Zusätzlich sollen soziale Medien wie Facebook und Twitter künftig zu mehr Transparenz verpflichtet werden, wenn sie bezahlte Nachrichteninhalte verbreiten.
Journalismus:Facebook kann Portale in die Bedeutungslosigkeit hinunterpegeln
Immer wieder dreht Facebook an seinem Newsfeed-Algorithmus. Das bedroht die Geschäftsmodelle der vom sozialen Netzwerk abhängigen Medien.
Frankreichs Bildungsminister Franck Riester sagte, dass die Zunahme von Falschinformationen die Regierung "zum Handeln verpflichtet" habe. "Falschinformationen werden überall auf der Welt vor jeder Wahl schnell und massiv über die sozialen Medien verbreitet", sagte Riester. So werde die "Freiheit des Bürgers, sich eine eigene Meinung zu bilden erschüttert".
Macron selbst war während seines Wahlkampfes Opfer von Falschnachrichten geworden. In einem rechtsradikalen Forum auf der Internetseite 4chan war ein gefälschtes Dokument verbreitet worden, das Macron ein Offshore-Konto nachweisen sollte. Diese Falschnachricht wurde von den russischen Portalen Sputnik und Russia Today verbreitet und in einer TV-Debatte von der rechtsextremen Politikerin Marine Le Pen als Wahrheit angeführt.
Kritiker des neuen Gesetzes bezweifeln, dass gegen solche Kampagnen künftig leichter vorgegangen werden kann. Basile Ader, Vizepräsident der französischen Anwaltskammer, sagte dem Radiosender France Info, dass das Gesetz das Gegenteil des Gewünschten erreichen könnte: "Ich sehe nicht, wie ein Richter innerhalb von 48 Stunden feststellen soll, welche Information falsch ist und welche nicht." Wenn der Richter zu keiner eindeutigen Entscheidung käme, könne ein "katastrophaler Gegeneffekt" eintreten: "Die Leute, die die falsche Nachricht verbreiten, könnten sich dann auf den Richter berufen."
Die Nationale Journalistengewerkschaft (SNJ) stellt sich klar gegen das Gesetz und spricht von einer "Bedrohung der freien Meinungsäußerung und der Freiheit, sich zu informieren". Das Gesetz könne genutzt werden, um "die Arbeit professioneller Journalisten zu erschweren". Die Journalisten kritisieren, dass der Begriff der Fake News nicht ausreichend definiert wird. Die strittige Passage des Gesetzestextes lautet: "Jede Behauptung oder Zurlastlegung eines unwahren oder irreführenden Fakts stellt eine Falschnachricht dar."
Tatsächlich verfügt Frankreich seit 1881 über ein Gesetz zur Pressefreiheit, das die Verbreitung von Falschnachrichten verbietet. Der Anführer der linken Oppositionspartei France Insoumise, Jean-Luc Mélenchon, nannte das neue Gesetz daher einen "schlechten Scherz". Als Wahrer der Pressefreiheit war Mélenchon in den vergangenen Wochen allerdings nicht aufgefallen. Er hatte sich unter anderem vor laufenden Kameras über den regionalen Akzent einer Journalistin lustig gemacht und gesagt, dass ihre Fragen unter seinem "Niveau" seien.