Deutscher Fernsehpreis 2011:Wenigstens spottet der Pocher

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"Eine Stimmung wie bei der MDR-Intendantenwahl": Nach den vielen Streitigkeiten im Vorjahr inszeniert RTL den Deutschen Fernsehpreis nun als Gala der Belanglosigkeiten. Man nimmt den Preis inzwischen nicht mehr an, man nimmt ihn hin. Zum Glück ist Oliver Pocher auf Krawall-Kurs.

Hans Hoff

"Das ist schon sehr durchdacht und sehr künstlerisch gemacht." So ein Satz klingt erst einmal gut und schön. So ein Satz kann indes das Dilemma eines ganzen Abends zeigen, wenn er aus dem Munde der RTL-Regenbogentante Frauke Ludowig kommt. Gesagt hat ihn die Expertin für Glamour und polierte Oberflächlichkeit am Sonntag in einem Einspielfilm, in dem es darum ging, das öffentlich-rechtliche Fernsehfilmprojekt Dreileben zu würdigen.

Oliver Pocher beim Deutschen Fernsehpreis 2011: Es ist bezeichnend, wenn die besten Laudatoren Komiker sind. (Foto: dapd)

Die Regisseure Christian Petzold, Dominik Graf und Christoph Hochhäusler haben das ausgefallene Drillingswerk geschaffen und müssen es nun aushalten, dass RTL als Ausrichter der diesjährigen Verleihung des Deutschen Fernsehpreises zur Beurteilung die hauseigene Klatschdame auftrieb. Nun also muss Dreileben mit einem Ludowig-Lob für "besondere Leistung" leben. Das muss man erst einmal aushalten.

Im vergangenen Jahr hatten sich noch viele Kreative beschwert, dass die Stifter (ARD, ZDF, RTL und Pro Sieben Sat 1) Preiskategorien wie Buch, Schnitt, Musik oder Ausstattung zugunsten von Ensemblepreisen hatten wegfallen lassen. Inzwischen haben sich viele der Protestler in der Deutschen Akademie für Fernsehen zusammengetan und gerade angekündigt, 2013 erstmals einen eigenen Fernsehpreis zu vergeben. Bis dahin signalisieren beide Seiten Gesprächsbereitschaft.

In diesem Jahr blieb es ruhig bei der Gala in Köln, dabei hätte es durchaus Grund zur Aufregung gegeben, denn die Art der komplett in die Belanglosigkeit strebenden RTL-Inszenierung, die Ludowigisierung von Inhalten sozusagen, entwertete manches auf ganz besondere Art.

Entsprechend zeigte auch kaum ein Preisträger Begeisterung. Man nimmt den Deutschen Fernsehpreis inzwischen nicht mehr an, man nimmt ihn hin. Man erträgt es, wenn Laudatoren wie Bettina Zimmermann oder Heiner Lauterbach derart monoton vom Teleprompter ablesen, dass Sprachroboter wie eine verlockende Alternative wirken; und es ist bezeichnend, wenn die besten Laudatoren Komiker sind. Dieter Nuhr und Oliver Pocher war es vorbehalten, ein bisschen Eckigkeit ins allzu Runde zu bringen. "Das Fernsehen wird immer intelligenter - leider nur die Geräte", urteilte Nuhr.

Auf Krawall gebürstet zeigte sich Pocher. Der ließ in seinem Spott durchaus Klasse aufscheinen. "Ich hatte zwei Jahre eine Fernseh-Auszeit. Oder wie man in der Branche sagt: Ich war bei Sat 1", äußerte er mit Blick auf sein persönliches Versagen in der Late Night. Nachdem er der Veranstaltung dann noch eine "Stimmung wie bei der MDR-Intendantenwahl" attestiert hatte, sprach er auch die ARD-Vorsitzende Monika Piel kurz an. "Viel Spaß mit dem einen Jahr Gottschalk", wünschte er und ließ damit die Vermutung einfließen, dass es einer wie der große Thomas nicht allzu lange am ARD-Vorabend aushält.

Damit sind die Höhepunkte einer dreistündigen Show schon aufgezählt. Den Rest bestimmten wenig liebevoll inszenierte Aushändigungen von Best-Of-Trophäen unter anderem an Hindenburg (Mehrteiler), Homevideo (Film), Weissensee (Serie), Jörg Hartmann (Schauspieler), Nina Kunzendorf (Schauspielerin), Anke Engelke (Comedy), Eurovision Song Contest (Unterhaltung) und Ranga Yogeshwar (Information).

Den Publikumspreis bekam Stefan Raab, und der Ehrenpreis ging an Blacky Fuchsberger. "Kaum 85, und schon habe ich diesen wundervollen Preis", flunkerte der und zeigte in seiner kurzen Dankesrede mehr Witz und besseres Timing als alle Lauterbachs und Zimmermanns zusammen. "Der ganz persönliche Herzenswunsch heißt: Auf Wiedersehen", sagte er am Schluss. Was ihn angeht, kann man diesem Anliegen nur zustimmen. Beim Deutschen Fernsehpreis ist man sich nach dieser Verleihung nicht mehr ganz so sicher.

© SZ vom 04.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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