Beethoven-Film im Ersten:Wer Sorgen hat, hat auch Likör

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Spielt Mozarts a-Moll-Sonate und eine der Kurfürstensonaten Beethovens, wie sie im Buche stehen: Colin Pütz als junger Louis van Beethoven. (Foto: ARD Degeto/WDR/ORF/EIKON Media/Dusan Martincek)

"Tatort"-Regisseur Niki Stein erzählt das Leben Ludwig van Beethovens als Weihnachtsrührstück. Mit Kutsche, Perücke und Cembalo.

Von Helmut Mauró

Nichts prägt den klassischen Musikerfilm so sehr wie Kutsche, Perücke und Cembalo. Egal ob Bach, Mozart oder nun "Louis van Beethoven". Nichts brennt sich ins Gedächtnis wie Bilder, die das Schwere leicht, das Tragische tränenreich und das Hässliche liebenswert machen. Und wer wäre geeigneter, einen schwermütigen, tragisch unverstandenen, kleinwüchsig pockennarbigen Beethoven zum glaubhaften Geniebild zu erheben, als der Schauspieler Tobias Moretti? Sein Film- und Fernsehrepertoire reicht von "Tränen der Zärtlichkeit" bis "Mein Opa ist der Beste", umfasst Auftritte am Burgtheater und die "Jedermann"-Darstellung. Seine Mimik kann alles, freundlich und angefressen. Nun auch: überschminkt, angefressen und in Kutsche.

Ganz so, wie wir Beethoven in alten Filmen fürchten lernten. Noch fürchterlicher ist der in anderen Beethoven-Filmen an den Rand gedrängte, vom Kleinstadtsängerdasein gebeutelte Komponisten-Vater Ronald Kukulies. Immer ein Gläschen Roten zur Hand, oft mehrere, oft unglaublich mehrere. Wer Sorgen hat, hat auch Likör. Der kleine Louis muss die Alkohollaunen dann ausbaden. Dafür darf er abends im Orchestergraben Lehrer Neefe die Partitur umblättern. Neefe ist der freundliche Mentor, auch wenn er dem Louis und dem Publikum zum Kontrapunktunterricht schon mal die falschen Bach-Noten vor die Nase hält.

Ziemlich wunderlich ist die Begegnung des jungen Beethoven mit seinem Vorbild Mozart

Ein paar Schnittfehler gibt es auch, dennoch gelingt Regisseur Niki Stein vieles: Zum Beispiel lässt er Beethovens "Große Fuge" vom Artemis-Quartett so schauerlich zerkratzen, dass die Legende, der Komponist habe wegen der Unspielbarkeit des Stücks das Finale neu geschrieben, halbwegs plausibel erscheint. Und wohl zum ersten Mal sieht man im Film einen Musikerdarsteller, der spielt, was man hört. Colin Pütz als Beethoven-Kind spielt Mozarts a-Moll-Sonate und eine der Kurfürstensonaten Beethovens, wie sie im Buche stehen. Und gar nicht schlecht. Überzeugender jedenfalls, als der jugendliche Beethoven, der später der Tochter des Kurfürsten vorspielt.

Noch wunderlicher nun ist die Begegnung des jungen Beethoven mit seinem Vorbild Mozart. Regisseur Stein und Produzent Ganzert erörterten vor Drehbeginn die Frage: "Was bedeutet es, genial zu sein - für den Menschen und Künstler selbst, für seine Familie, Lehrer, Freunde?" Wer solche Fragen aus den gängigen Klischees destilliert, wird als Antworten ebenfalls Stereotype abschöpfen: Es ist wieder eine reiche Ernte geworden.

Wenn der Film nach seiner Uraufführung bei den Biberacher Filmfestspielen nun als Weihnachtsrührstück ins Fernsehen kommt, wird man im jungen Beethoven eine Art Oliver Twist der gehobenen Stände sehen dürfen und im kränkelnden Genie den mürrischen Moretti in der Kutsche. Von Beethovens kantianischer Vision, seiner unsentimentalen humanistischen Kunst, erfährt man nichts. Die Umwälzungen, die er bejubelte und verabscheute, werden als Opernstoff empfohlen: "Und du kannst die Begleitmusik komponieren", ermuntert ihn Neefe. Aufwühlend klänge das. "Beethoven ist pure Emotion", schwärmte Bundespräsident Steinmeier neulich, aber es klang wieder wie ein Befehl.

Louis van Beethoven. Das Erste, Freitag, 25. Dezember, 20.15 Uhr, und schon vorab in der ARD-Mediathek.

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