Intendantenwahl beim Bayerischen Rundfunk:Diese drei wollen an die BR-Spitze

Intendantenwahl beim Bayerischen Rundfunk: Katja Wildermuth, Albrecht Frenzel und Christian Vogg (v.l.n.r.)

Katja Wildermuth, Albrecht Frenzel und Christian Vogg (v.l.n.r.)

(Foto: Kirsten Nijhof/MDR; Theresa Högner/BR; Egon Niesen-Heselmann/Wikicommons (CC BY-SA 4.0))

Katja Wildermuth, Albrecht Frenzel und Christian Vogg bewerben sich um den Posten des Intendanten beim Bayerischen Rundfunk - dass nur eine Frau auf der Kandidatenliste auftaucht, ist überraschend.

Von Claudia Tieschky

Die Wahrscheinlichkeit wächst, dass der Bayerische Rundfunk (BR) von Februar 2021 an von einer Frau geführt wird. An diesem Donnerstag veröffentlichte der Rundfunkrat die Namen der drei Kandidaten für die Nachfolge für den scheidenden Ulrich Wilhelm. Darunter befindet sich zwar erstaunlicherweise nur eine Bewerberin, allerdings eine für das Amt bestens qualifizierte. Im BR gibt es keine Ausschreibung für das Amt, sondern ein Vorschlagsrecht der Mitglieder des Rundfunkrats, der Wilhelms Nachfolgerin oder Nachfolger bestimmt. Gewählt wird am 22. Oktober.

Katja Wildermuth darf man dabei beste Chancen zurechnen. Die 55-Jährige ist derzeit Programmdirektorin des Mitteldeutschen Rundfunks im Funkhaus Halle. Wildermuth ist promovierte Historikerin und hat sich in der ARD zunächst mit zeitgeschichtlichen Dokus hervorgetan. Sie zeichnete redaktionell verantwortlich für preisgekrönte Produktionen wie Night Will Fall (Emmy Award) oder Putins Spiele (Deutscher Fernsehpreis). Beim MDR entstand unter ihrer Führung auch das multimediale Projekt Die Geschichte Mitteldeutschlands. Wildermuth ist mit den trimedialen Möglichkeiten der Programmgestaltung bestens vertraut, zudem gilt der MDR als einer der Vorreiter der Fusion, die Ulrich Wilhelm beim BR bereits eingeleitet hat und die sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin mit Bezug des Neubaus in Freimann vollenden muss: das Zusammenwachsen der verschiedenen Ausspielwege Fernsehen, Radio und Web zu einer Einheit. Wildermuth verfügt über ein energisches kreatives Temperament und über beste Kenntnisse der ARD-Strukturen. Sie genießt hohes Ansehen im Senderverbund; auch bei der EBU, dem Zusammenschluss der öffentlich-rechtlichen Sender Europas, ist sie vernetzt und wirkt dort als Vorstandsmitglied der Dokumentarsektion. Dass sie München liebt, wo sie längere Zeit an der Ludwig-Maximilians-Universität als Dozentin gearbeitet hat, ist ebenso bekannt.

Ebenfalls an die BR-Spitze möchte Albrecht Frenzel, der Verwaltungsdirektor des Senders. Frenzel, Jahrgang 1966, begann als Journalist bei der Schwäbischen Zeitung, bevor er Verwaltungswissenschaften studierte und promovierte. Danach folgten Stationen in der Verwaltung beim Süddeutschen Rundfunk und dem Nachfolgesender SWR, bei Arte und schließlich der Posten als Verwaltungsdirektor des Norddeutschen Rundfunks; 2015 wechselte Frenzel in gleicher Funktion zum BR. Während des zweijährigen ARD-Vorsitzes des BR war er Vorsitzender der ARD-Finanzkommission und mit Strukturreformen im Senderverbund betraut. Frenzel wirkt auf den ersten Blick möglicherweise zurückhaltend, kann aber überzeugend auftreten. Er kennt die Finanzlage des BR in- und auswendig und ist auch mit schwierigen Themen wie Personalkosten und den Lasten der Alterssicherung vertraut, das könnte von Vorteil sein in Zeiten, in denen der BR weiter stark sparen muss. Intendant Wilhelm hat ihn dem Vernehmen nach zuletzt öfter als Vertreter in ARD-Sitzungen geschickt.

Weniger bekannt ist der dritte Bewerber auf der Liste. Christian Vogg ist Leiter Dokumentation/Archive und "Chief Data Officer" beim Schweizerischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und damit der Technik- und Digitalisierungsfreak unter den Kandidaten. Der heute 55 Jahre alte promovierte Politik- und Islamwissenschaftler arbeitete zunächst als Journalist beim WDR vor allem beim Radio; er berichtete als Korrespondent aus dem Nahen Osten und baute dann beim Kölner unter anderem die Mediathek mit auf; die EBU berief ihn 2012 an die Spitze ihrer Radio-Einheit.

Zuletzt hatten Vertreter im Rundfunkrat sowie in einem offenen Brief auch ein Netzwerk von BR-Frauen gefordert, dass der Sender eine Intendantin bekommen müsse. Insofern ist es sehr überraschend, dass nun nur eine Frau auf der Kandidatenliste auftaucht - zumal durchaus gute Namen kursierten. Valerie Weber, die Hörfunk-Chefin des WDR, wurde als mögliche Kandidatin gehandelt; ebenso Anke Mai, die neue Programmdirektorin für Kultur beim SWR, die bis Jahresbeginn beim BR war.

Das Rennen dürfte zwischen Wildermuth und Frenzel entschieden werden. Dem Vernehmen nach ist Wildermuth durchaus auch eine Option für die konservativen Kräfte im Rundfunkrat. Dass nur eine einzige Frau auf der Kandidatenliste auftaucht, kann wiederum damit zusammenhängen, dass sich die Rundfunkräte bei ihrem Vorschlagsrecht abgestimmt und hinter wenigen Kandidaten versammelt haben, um deren Position zu stärken.

Rundfunkrätin Sanne Kurz von den Grünen erklärte am Donnerstag, dass die Rundfunkräte bei dem "sehr guten Bewerberinnen-Feld" auch gut zwei Frauen ins Rennen hätten schicken können. "Umso wichtiger jetzt, dass sich die Reihen fest hinter Frau Wildermuth schließen und alle zu ihren vollmundigen Beteuerungen stehen." Das Frauennetzwerk des BR reagierte in einer Stellungnahme am Donnerstag "enttäuscht darüber, dass es bei den vielen hochqualifizierten und bestens geeigneten Frauen, die für diese Position im Gespräch waren, nur eine auf die Wahlliste geschafft hat". Das pass nicht zu den "Ankündigungen von fast allen politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen, nun erstmalig - in der 70-jährigen Geschichte des BR - eine Frau als Intendantin ins Amt zu bringen".

Gewählt ist am 22. Oktober, wer die einfache Mehrheit der 50 Rundfunkräte bekommt, das sind 26 Stimmen. Ulrich Wilhelm hatte im Juli erklärt, nach zehn Jahren als Senderchef keine weitere Amtszeit mehr anzustreben.

Im Moment stehen drei Frauen an der Spitze der neun ARD-Sender - beim MDR, dem RBB, sowie bei Radio Bremen.

Der BR ist der viertgrößte Sender in der ARD. Er hat 5200 Beschäftigte und einen Jahresetat von 2019 rund 1,1 Milliarden Euro.

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