Serie "Babylon Berlin":Mond über Babylon

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Liv Lisa Fries spielt eine Hauptrolle in der Serie als Charlotte Ritter – und hier als Berliner Frollein bei der Premiere vor dem Zoo-Palast. (Foto: Sebastian Gabsch)

Mit "Babylon Berlin" wurde vor zwei Jahren bewiesen, dass Deutschland in Sachen Serien international mithalten kann. Ein Besuch der Premierenparty zur dritten Staffel.

Von Claudia Tieschky

Die Weltpremiere der Serie Babylon Berlin, Staffel drei, am Montagabend war ungefähr so etwas wie die zweite Mondlandung. Man staunt immer noch, aber erwartet schon, dass alles klappt. An das Wunder hat man sich gewöhnt. Entsprechend ist die Atmosphäre im Berliner Zoo-Palast nicht von der nervenzerfetzenden Frage aufgeladen, ob das Ding abstürzt oder fliegt - sondern entspannt, familiär, fast gemütlich. Bubikopf oder dramatisch umrandete Augen sieht man kaum, nur wenige Gäste sind im Stil der Zwanziger kostümiert. Wer will, kann sich im Kinosaal das Warten auf die Vorführung der ersten zwei Folgen damit vertreiben, weiter unten die Begrüßungsbahnen von Lars Eidinger durch den Raum zu verfolgen, der dank roter Strickjacke immer gut zu sehen ist.

Von den beiden Hauptdarstellern Liv Lisa Fries als Charlotte Ritter, unerschrockenes Frollein auf dem Weg nach oben, und Volker Bruch als Kommissar Gereon Rath hat dann Letzterer den ersten Auftritt auf der Leinwand. Szenenapplaus, begeistertes Pfeifen im Saal. Mit Babylon Berlin - geschaffen vom Autoren- und Regieteam Henk Handloegten, Achim von Borries und Tom Tykwer nach einem Roman von Volker Kutscher - ist auch ein Wunder im deutschen Film- und Fernsehgeschäft wahr geworden: Man hat vor zwei Jahren bewiesen, dass man mithalten kann mit amerikanischen und britischen Serien. Das tut erkennbar allen Kreativen hier gut. In mehr als hundert Länder wurde Babylon Berlin verkauft, sagt Co-Produzent und Beta-Film-Chef Jan Mojto auf der Bühne. Er lächelt. "Auch in kleinere Fernsehländer wie Amerika, Russland oder China."

Liv Lisa Fries spielt eine Hauptrolle in der Serie als Charlotte Ritter – und hier als Berliner Frollein bei der Premiere vor dem Zoo-Palast. (Foto: Sebastian Gabsch)

Dass auch die neuen Folgen Gewicht und Glanz haben dürften, verdeutlicht X-Filme-Produzent Stefan Arndt mit der Zahl, dass man 700 Arbeitsplätze für fast ein Jahr lang geschaffen habe. ARD-Programmchef Volker Herres erinnert sich, dass er anfangs dachte "das kann man nicht bezahlen, aber das muss man machen". Die darum eingegangene Kooperation der ARD-Produktionstochter Degeto mit Sky führt dazu, dass auch die neuen Folgen ab 24. Januar erst beim Bezahlsender laufen und im Herbst in der ARD.

Ina Müller, die mit Thomas Hermanns den Abend moderierte, blieb als Comedy-Einlage mit dem Absatz im Bühnenboden stecken und erinnerte daran, dass der Vorläufer des Zoo-Palasts ein Stummfilmkino mit Kinoorchester und Kinoballett war, in dem 1927 Metropolis von Fritz Lang lief. Zwei Jahre später, 1929, setzen nun die neuen Episoden ein, nach dem zweiten Roman von Volker Kutscher: "Der stumme Tod". Kutscher ist auch im Publikum, er steht auf und verbeugt sich kurz, als er genannt wird, taucht wieder unter in der Menge.

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Was sich hier ereignet, ist wahrscheinlich höhere Ironie: Die versammelte Filmbranche des Jahres 2019 sieht einen Krimi aus der Filmbranche des Jahres 1929.

Ein Star namens Betty Winter mit Filmangeboten aus Hollywood kommt brutal zu Tode, die Finger im Spiel beim neuen Business hat auch "der Armenier" (Mišel Matičević) vom Moka Efti. Charlotte muss sich als Kriminalassistentin jeden weiteren Aufstieg gegen Männer hart erkämpfen, und Greta (Leonie Benesch), die als Hausmädchen zur Mordhelferin wurde, wartet im Gefängnis auf ihr Urteil. Der Aufstieg der Nationalsozialisten deutet sich an. Gereon Raths Hände zittern vorerst nicht mehr als Folge des Krieges, und seine Séancen bei Dr. Anno Schmidt (Jens Harzer) spielen sich jetzt vor einem Radiomikrofon ab, Trauma-Talk. Die neue Zeit.

Die Folgen, die am Montag vorgeführt wurden, legen es erkennbar nicht so auf Überwältigungskino an wie die Auftaktepisoden von Staffel eins. Die emblematische Performance, bei der die geheimnisvolle Svetlana mit dem Song "Zu Asche, zu Staub" einen ganzen Tanzsaal in Ekstase versetzte - so etwas gibt es nicht in den ersten zwei neuen Folgen. Dafür schön glitzernde expressionistische Filmszenen und Songs mit dem Wumms von Kurt Weill.

Das ist alles sehr toll gemacht - und nicht zuletzt bedarf es ja auch erst mal einiger Aufbauarbeit angesichts der Tatsache, dass am Ende des vorigen Abenteuers ziemlich viele wichtige Protagonisten gestorben sind. Gute wie böse, aber vor allem die Interessanten: Matthias Brandt als jüdischer Regierungsrat und Verfassungspatriot August Benda. Peter Kurth als Kommissar Wolter. Selbst Charlotte Ritter überlebte nur in einem äußerst ausgereizten Cliffhanger. Neu dazu kommen jetzt Meret Becker, Ronald Zehrfeld, Sabin Tambrea. Man ist gespannt.

Noch ein Momenteindruck: Figuren wie Charlotte oder der Armenier sind eine Spur normaler, sie kommen für das Publikum nicht mehr von so weit her. Vielleicht Gewöhnung. Man kennt sie schon. Der Mond über Babylon ist näher gerückt. Viel Applaus. Dann Party.

© SZ vom 18.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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