Gehälter:Für wen lohnt sich die schöne neue Streaming-Welt?

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Üppige Dollar-Löhne (v.l.n.r.): Will Smith, Julia Roberts, Joaquin Phoenix (Foto: AFP, Getty, dpa)
  • Streamingportale haben den Konsum von Filmen und Serien revolutioniert, aber auch die Produktionsbedingungen und damit die Gehälter von Schauspielern, Autoren, Regisseuren und Serienerfindern.
  • Das führt zu sehr hohen Gagen, aber auch dazu, dass es für Kreative bei Streamingportalen kaum noch Beteiligungen an möglichen Erfolgen gibt.

Von Jürgen Schmieder

Es gibt ja in Hollywood diese Listen, welche Schauspielerin zum Beispiel gerade wie viele Millionen Dollar pro Film bekommt, wer als gar schreckliches Kassengift gilt und wer als König Midas, und 25 Jahre lang führte Tom Hanks die Liste mit den cleversten Deals der Unterhaltungsbranche an: Er verzichtete für seine Rolle als Forrest Gump im gleichnamigen Film auf seine Gage, um die aufwendige Produktion mit einem Budget von 55 Millionen Dollar nicht zu gefährden - er wollte jedoch an den Einnahmen beteiligt werden. Hanks erhielt letztlich nicht nur den Oscar als bester Hauptdarsteller, sondern auch mehr als 60 Millionen Dollar.

Das ist wichtig zu wissen, wenn man die Zahlen betrachtet, die das Branchenmagazin Variety kürzlich veröffentlicht hat. Ryan Reynolds erhält für seine Rolle im Actionfilm Six Underground vom Streamingportal Netflix 27 Millionen Dollar. Das sind 35 Prozent mehr als das in Hollywood übliche Superstar-Salär von 20 Millionen Dollar, das etwa Dwayne Johnson ( Fast & Furios Presents: Hobbs & Shaw) oder Robert Downey Jr. ( The Voyage of Doctor Dolittle) bekommen - und das George Clooney vor 20 Jahren persiflierte, indem er Julia Roberts bei den Verhandlungen zur Gaunerkomödie Ocean's Eleven einen 20-Dollar-Schein mit der Notiz "Ich habe gehört, dass du 20 pro Film kriegst" schickte.

Es gibt kaum noch Beteiligungen an möglichen Erfolgen. Für wen lohnt sich diese neue Welt?

Streamingportale haben den Konsum von Filmen und Serien revolutioniert, aber auch die Produktionsbedingungen und damit die Gehälter von Schauspielern, Autoren, Regisseuren und Serienerfindern. Sie vertreiben ihre Inhalte weltweit größtenteils selbst, bei Netflix gibt es weder Kinokasse (außer bei Filmen wie Roma, weil eine Kinoaufführung zu den Bedingungen für die Oscarnominierung gehört) noch Werbung, das Unternehmen muss deshalb keine Einschaltquoten veröffentlichen. "Es gibt kein Dogma", sagte Geschäftsführer Reed Hastings kürzlich im Interview mit der Süddeutschen Zeitung: "Wir wollen transparenter werden, aber wir müssen einen Weg finden, der für uns sinnvoll ist."

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Im April veröffentlichte Netflix Zahlen zum Thriller Triple Frontier (von 52 Millionen Accounts für mindestens 70 Prozent der Spielzeit aufgerufen), zum Krimi The Highwaymen (40 Millionen) und zur Dokuserie Our Planet (25 Millionen), in dieser Woche gab es dann eine Liste ohne Zahlen mit den erfolgreichsten Produktionen in Großbritannien für den Monat April. Auf den ersten Plätzen: Our Planet, The Highwaymen und die Teenieromanze The Perfect Date. Diese Top-Ten-Liste stammt wie die Zahlen für ausgewählte (und stets sehr erfolgreiche) Projekte von Netflix selbst.

Dieser reduzierte Umgang mit Zahlen führt zunächst mal zu einem Informationsvorsprung für Netflix und andere Portale, die zwar detaillierte Daten erheben, sie aber nicht mit Zuschauern, Investoren oder Agenten teilen. Es führt auch dazu, dass es für Kreative bei Streamingportalen kaum noch Beteiligungen an möglichen Erfolgen gibt. Die 27 Millionen Dollar für Reynolds etwa sind garantiert, ob Six Underground nun jemand sehen will oder nicht, und das führt zur Frage, für wen sich diese neue Welt lohnt. In Hollywood kursiert die Geschichte über einen Agenten, der seinen Klienten nach einem Deal mit einem Streamingportal einen Zettel unterschreiben ließ, auf dem stand: "Ich werde niemals enttäuscht über diesen Vertrag sein."

"Es gibt schon die Sorge, dass die kreativen Leute langfristig darunter leiden könnten", sagt der Anwalt P. J. Shapiro, der Schauspielerin Emma Stone und Regisseurin Elizabeth Banks vertritt. Die aktuellen Verträge enthalten teils aberwitzige Garantiesummen (Ryan Murphy, Erfinder von American Horror Story, hat voriges Jahr einen 300-Millionen-Dollar-Netflix-Deal abgeschlossen), dennoch sagt Shapiro: "Wer eine Serie wie Friends entwirft, kann nun keine zusätzliche Einnahmen über die Zweitverwertung mehr generieren."

Im traditionellen TV sind die Verträge derart gestaltet, dass ein Sender die Exklusivrechte nur für einen gewissen Zeitraum kauft. Im Dezember hat Netflix 100 Millionen Dollar gezahlt, um Friends auch dieses Jahr zeigen zu dürfen. Die letzte Folge der Sitcom ist vor knapp 15 Jahren gelaufen.

Auch da gibt es freilich eine Liste in Hollywood, und die wird noch immer angeführt von der Sitcom Seinfeld. Die Produzenten hatten einst damit gerechnet, dass sie alleine über den Verkauf der internationalen Rechte und Wiederholungen bis zu 800 Millionen Dollar einnehmen könnten - am Ende waren es mehr als vier Milliarden Dollar, und es heißt, dass Hauptdarsteller und Produzent Jerry Seinfeld mehr als 350 Millionen Dollar verdient hat. "Second Windows" werden diese Möglichkeiten der Zweitverwertung in Hollywood genannt, und auf Streamingportalen sind diese Fenster nun erst einmal geschlossen.

Dass eine Serie zum Sechser im Lotto wird, wie einst "Friends", ist so kaum noch möglich

Beim Kampf um die gefragtesten Stars gibt es nun die "Cost-Plus-Formel". "Apple, Netflix und Amazon bezahlen eine Beteiligung am möglichen Erfolg schon vorher", sagt Ari Greenburg. Der Präsident der Agentur William Morris Endeavor hat kürzlich den 400-Millionen-Dollar-Deal für Serienerfinder Greg Berlanti mit Warner Bros. Television verhandelt. Die Portale bezahlen zusätzlich zu Gehalt oder Produktionskosten eine Vorabprämie von 30 bis 40 Prozent - was die sieben Extramillionen für Reynolds erklärt: "Es gibt nun mehr Geld vorab und auch mehr Sicherheit für Kreative, es ist aber im Gegenzug nicht mehr möglich, dass diese eine Serie zum Sechser im Lotto wird."

Das alles führt nun zu diesem Vertrag, der Tom Hanks von der Spitze der cleversten Branchendeals verdrängen könnte. Nein, es geht nicht darum, dass weibliche Stars wie Gal Gadot (zehn Millionen Dollar für Wonder Woman 1984) und Emily Blunt (13 Millionen für A Quiet Place 2) sowie Showrunnerin Shonda Rhimes (mehr als 100 Millionen Dollar von Netflix) endlich ordentliche Gehälter erhalten - es geht um Will Smith: Ende 2017 hatte Netflix den Fantasykrimi Bright veröffentlicht, der von Kritikern geschmäht wurde.

"Die einzige Maßeinheit für Erfolg ist, ob die Leute einschalten und einen Film mögen", sagte Netflix-Chef Hastings damals - und es folgte sogleich der Hinweis des Unternehmens, dass Bright zum damaligen Zeitpunkt der am meisten gesehene Film der Netflix-Geschichte war. Im Sommer beginnen die Dreharbeiten für eine Fortsetzung, und völlig egal, ob die Kritiker den Film vernichten oder wie viele Leute einschalten werden: Smith ist eine Gage in Höhe von 35 Millionen Dollar sicher.

© SZ vom 16.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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