Zeitgeist:Von wegen Weimar

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Stand die Zeit damals nicht genauso für Aufbruch wie die heutige? Der Amerikaflug des Graf Zeppelin löste 1929 in Deutschland eine Begeisterungswelle für den Luftschiffbau aus. (Foto: Timeline Images)

Reflexhaft nennen viele die Epoche der Zwanziger- und Dreißigerjahre eine Schwester unserer Zeit, im Guten wie im Bösen. Ganz so ist es nicht.

Von Hilmar Klute

Der Journalist Bernard von Brentano reist im Jahr 1930 durch die zusehends verdämmernde Weimarer Republik. Der Mann ist noch keine dreißig Jahre alt, er stammt aus einer berühmten Familie, sein Bruder Heinrich wird später Außenminister der Bundesrepublik sein. Brentano, ein linker Dandy mit sportlicher Figur, umfassender literarischer Bildung und scharfem politschen Verstand, besucht Landwirte in Oldenburg, notiert sich die Zollsätze für Roggen, Gerste und Weizen; er reist in die Bergarbeiterstadt Alsdorf, wo kurz zuvor fast 300 Bergleute bei einem Grubenunglück starben. Die Familien der Toten fühlen sich, man kennt diese Wendung heute sehr gut, von der Politik alleingelassen. Brentano spricht mit Intellektuellen, mit Textilarbeiterinnen mit Obstbauern und Akkordarbeitern. Er listet die fallende Lohnentwicklung der letzten Jahre auf, die unterschiedlichen Einkommen von Männern und Frauen, den Preis des Brotes und den Preis für Kartoffeln. Und er beschreibt die Verelendung einer bis dahin stabilen Arbeiterschicht, die sich von ihrer Stammpartei, der Sozialdemokratie, abwendet und den erstarkten Nationalsozialisten zuläuft.

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