Wer einen Nachmittag auf dem Spielplatz verbringt, lernt garantiert eine kleine Mathilda kennen. Oder eine Sophie. Einen Elias vielleicht und wahrscheinlich auch einen Theo. Alte, traditionelle Namen sind derzeit so beliebt, dass man glauben könnte, dass es in der Kita bald nur noch Nummern für den Nachwuchs gibt - zur besseren Unterscheidbarkeit. Frauke Rüdebusch, Sprachwissenschaftlerin und Vornamenberaterin bei der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), erklärt, welchen Trends die Namensgebung folgt.
SZ: Frau Rüdebusch, wann nennen wir unsere Kinder wieder Jürgen und Monika?
Frauke Rüdebusch: Das ist schwer vorherzusehen. Aber erfahrungsgemäß wiederholen sich Vornamen-Moden wie andere Moden auch. Im Moment sind Namen wie Rudolf, Wolfgang, Jürgen, Monika oder Barbara noch durch unsere Eltern besetzt und unattraktiv, weil wir damit eher ältere Menschen verbinden. Theo und Mathilda gehören dagegen zu einer Generation, die langsam ausstirbt. Die Namen werden wieder frei. Ich gehe davon aus, dass es mit den Namen unserer Eltern irgendwann ähnlich sein wird. Sobald Namen lange nicht vergeben und damit selten geworden sind, erwecken sie wieder Interesse: Denn so sticht man aus der Masse hervor und ist gleichzeitig Teil einer Tradition.
Gilt das für alle Namen?
Bestimmt nicht. Namen wie Bärbel, Ursula oder Horst, die zum Teil Eingang in Sprichwörter gefunden und einen negativen Beiklang haben, werden es schwer haben. Schließlich will niemand seinem Kind schaden.
Wie wählen deutsche Eltern einen Vornamen aus?
Jahrelang konnte man das nur vermuten, inzwischen haben wir eine Umfrage dazu gemacht. Die hat gezeigt, dass die Bedeutung des Namens und die Tradition in der Familie heute weniger wichtig sind. Mehr als 90 Prozent der befragten Eltern fanden dafür den Klang entscheidend. Vornamen haben heute oft zusammenklingende Vokale. Wie bei Elias, Noah oder Mia. Konsonanten wie m, l und n lassen die Namen zusätzlich weich und weiblich klingen - auch Jungennamen. Das war vor 30 Jahren noch nicht so. Die Namen waren länger und endeten oft auf einem Konsonanten - Andreas zum Beispiel oder Kathrin. Weitere Kriterien sind, dass der Name gut zum Nachnamen passt und dass er keine Nachteile für das Kind bedeutet.
Kann denn ein Name ein Leben vorbestimmen?
Soweit würde ich nicht gehen, aber natürlich ruft jeder Name bestimmte Assoziationen hervor. Wer will, dass sein Kind Bankdirektor wird, sollte es vielleicht nicht unbedingt Pixie nennen - das klingt wenig seriös. Gleichzeitig ist die Wahrnehmung eines Namens natürlich immer subjektiv. Außer bei Kevin und Michelle vielleicht, die öffentlich so verunglimpft wurden. Eltern nennen ihre Kinder noch Kevin, weil sie den Namen schön finden, haben aber dann Angst, dass er schlechtere Noten bekommen könnte. Zu Recht. Viele frankophone und englische Namen sind in Verruf geraten und werden heute mit sozial schwächeren Schichten verbunden.
Merkt man dem einen Namen eine bestimmte Schicht an?
Das meinen viele: Kevin kommt aus der Unterschicht, Alexander aus der Oberschicht. Aber das stimmt natürlich nicht. Im Gegenteil. Studien haben gezeigt, dass schwächere soziale Schichten den Trends der oberen bei der Namensgebung folgen und hoffen: Dann hat es mein Kind leichter. Diese Namen erhalten dann allerdings auch irgendwann das Stigma "Unterschicht". Beispielsweise der Name Jacqueline.
Welchen Gesetzmäßigkeiten folgt die Namensgebung noch?
Pro Generation, also etwa alle 30 Jahre, gibt es einen Wechsel. Natürlich kommen auch neue Namen hinzu, in den vergangenen zehn Jahren sind Eltern da viel mutiger geworden. 2016 gab es etwa 34000 verschiedenen Mädchennamen und knapp 33000 Jungennamen. Viele Eltern wollen ihrem Kind mit dem Namen ein Alleinstellungsmerkmal mitgeben und erfinden deshalb einen ganz neuen. Julix, Lemmis oder Laurelie zum Beispiel. Manchmal geht das natürlich auch schief. Mir fallen da Juhnz, Ciuraj oder Kässy ein. Aber zum Glück ist Deutschland da relativ streng.
Dennoch gibt es in den Vornamens-Top-Ten kaum Bewegung. Klassiker wie Maximilian, Alexander, Sophie und Marie führen seit Jahren die Listen an, nur die Reihenfolge ändert sich Jahr für Jahr.
Alexander ist als einziger Name seit Beginn unserer Erhebung 1977 durchgängig in den Top Ten. Aber es stimmt, es verändert sich gerade wenig. Das liegt auch daran, dass unsere Statistik Erst- und Zweitnamen umfasst. Die Standesämter, von denen wir unsere Daten bekommen, unterscheiden hier nicht. Gerade Marie, Sophie, Alexander und Maximilian werden oft als Zweitnamen vergeben. Eltern kombinieren heute gerne einen kurzen kreativen Namen mit etwas Bewährtem und dann entstehen Namen wie Mia-Sofie oder Linn-Sophie. In den achtziger Jahren hat man noch seltener Zweitnamen vergeben, damals wandelten sich die Top Ten schneller.
Ich muss also keine Angst haben, wenn ich mein Kind Sophie nenne, dass in der Kita die Hälfte der Mädchen so heißen?
Von allen vergebenen Mädchennamen fallen nur etwa 2,5 Prozent auf Sophie (Anmerkung der Redaktion: Die GfdS zählt dazu auch andere Schreibweisen wie Sofie, Sofi, Sophy). In absoluten Zahlen bedeutet das: Jedes Jahr werden etwa 500000 Mädchennamen vergeben. Nur 15000 dieser Mädchen heißen dann Sophie. Natürlich kann es sein, dass sich der Name in bestimmten Regionen oder Milieus dennoch häuft.
Dann hilft wohl doch nur Monika, um sich abzuheben. Oder gibt es eine zeitlosere Alternative?
1977 führten Stefanie und Christian unsere Top Ten an. Heute werden sie seltener vergeben. Michael steht dagegen immer noch auf Platz 29. Noch beliebter ist Anna. Schon seit dem Mittelalter. Vielleicht weil es so leicht auszusprechen ist.
Wie zufrieden sind Kinder und Eltern später mit dem Namen?
Relativ zufrieden, drei Viertel der Befragten mögen ihren Vornamen. Nur ganz selten kommen Eltern zu uns und bereuen, wie sie ihr Kind genannt haben. Ich heiße Frauke, das war noch nie im Trend und ist sehr regional geprägt. Anfangs mochte ich den Namen nicht allzu sehr, inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, mag ihn sogar. Ich denke, man wächst irgendwann einfach mit seinem Namen zusammen.