1986 begann der Hamburger Senat, Steilshoop wohnlicher zu machen und eine nachhaltigere Sozialarbeit zu organisieren. Initiativen, Stiftungen, Kirchen, Vereine und die Steilshooper selbst haben aus dem Stadtteil seither ein Auffangbecken für Minderheiten gemacht, für Flüchtlinge, Hartz-IV-Empfänger, Opfer der Altersarmut, Menschen mit Behinderung. Es gibt ein Netz an Sozialeinrichtungen, Beratungen, Schulen, Kindergärten, Sportplätze, ein Ärztehaus, eine Stadtteilzeitung. Und seit die Wohnungsgesellschaften vor einigen Jahren angefangen haben, das Viertel zu renovieren, wirkt es freundlicher.
Aber das schlechte Image ist noch da. Manche stellen sich deshalb vor den Stadtteil wie eine Art Türsteher, wenn ein Berichterstatter rein will. Martina Stahl und Beatrice Roggenbach, Projektleiterinnen im Stadtteilbüro, wollen zum Beispiel genau wissen, warum es eine Steilshoop-Reportage geben soll. Wegen des knalligen Ghetto-Vorurteils vielleicht? Die Diplom-Sozialarbeiterin Stahl lächelt. "Steilshoop ist ein Wohnviertel für viele Leute, das sehr grün ist und sehr ruhig", sagt sie.
Es ist trotzdem nicht schwer, das Steilshoop-Vorurteil bestätigt zu kriegen. Das Einkaufszentrum ist ein Markt der Traurigkeiten: Billigläden und viel Leerstand. Zuletzt ist der Woolworth-Markt ausgezogen. Die hohen Mieten, die der dänische Investor verlangt, dürften noch andere Geschäfte überfordern. Das Stadtteil-Café ist ein Vereinsbetrieb mit Niedrigpreisen, der ohne Zuschüsse zumachen müsste. "Privatwirtschaftlich funktioniert hier ganz wenig", sagt Pastor Ullrich.
Im Plattenbau: "Keiner kennt den anderen"
Und Dora Heyenn, fraktionslose Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft, erinnert sich an trübe Steilshoop-Erfahrungen. Sie macht gerne Hausbesuche, um ihre Politik zu erklären. Einmal stand sie an der Tür einer Hochhauswohnung. Von innen hörte sie eine dünne Frauenstimme: "Ich habe keinen Schlüssel." In der Anonymität der Plattenbauten fällt es offenbar nicht auf, wenn ein Mann seine Frau einsperrt. "Keiner kennt den anderen", sagt Dora Heyenn.
Bekennende Steilshooper erzählen das Gegenteil: Sie schwärmen von den weiten Innenhöfen, den verkehrsberuhigten Straßen, vom Dorfcharakter der Großsiedlung. Jeder kenne jeden. Sie verweisen auf die Schrebergärten jenseits der Hochhäuser und auf die Bushaltestelle vorm Einkaufszentrum, durch die Steilshoop eben doch mit der Außenwelt verbunden ist.
Lokalpatriotische Verklärung? Oder spinnen die kritischen Beobachter?
Pastor Ullrich würde sagen, dass beide Seiten einen Teil der Wirklichkeit abbilden. "Ein Viertel der Steilshooper lebt praktisch schon immer hier, aus denen ergibt sich der Dorfcharakter", erklärt er, "aber 75 Prozent sind auf der Durchreise." Steilshoop ist traditionell ein Flüchtlingsstadtteil, deshalb sind hier immer viele fremd. Und Martina Stahl sagt: "Es leben halt sehr unterschiedliche Menschen hier."