Skandal um Bio-Lebensmittel:Kontrolle ist alles

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Mit Pestiziden belastetes italienisches Gemüse wurde jahrelang als Bioware verkauft - unter anderem nach Deutschland. Der Skandal sprengt alle bisher dagewesenen Dimensionen - und erschüttert erneut das Vertrauen des Verbrauchers in den Biohandel.

Silvia Liebrich

Die Biobranche wird zum Opfer ihres eigenen Erfolgs. Der Markt wächst rasch, und die Aussicht auf schnell verdientes Geld lockt immer mehr Betrüger an. Das ist diese Woche wieder deutlich geworden. Fahnder in Italien deckten einen großen Fälschungsskandal auf.

Mit Pestiziden behandelte Tomaten, Äpfel und Getreide wurden über Jahre hinweg als Bioprodukte ausgegeben. Der Skandal erschüttert das Vertrauen des Verbrauchers in den Biohandel schwer. (Foto: Getty Images)

Dabei geht es um Waren im Wert von mindestens 220 Millionen Euro. Mit Pestiziden behandelte Tomaten, Äpfel und Getreide wurden über Jahre hinweg als Bioprodukte ausgegeben. Ein großer Teil davon wurde auch in Deutschland verkauft. Möglich war das nur, weil korrupte Kontrolleure die Machenschaften gedeckt haben. Auch wenn das ganze Ausmaß des Falls erst nach und nach deutlich werden wird - fest steht schon jetzt, dass er alle bisher dagewesenen Dimensionen sprengt.

Der Betrugsskandal trifft das verwundbarste Gut im Biohandel: das Vertrauen der Verbraucher. Die müssen sich darauf verlassen können, dass die Biotomate in ihrem Einkaufskorb hält, was das Ökosiegel verspricht; schließlich bezahlen sie dafür auch mehr als für eine Industrietomate. Doch die Betrugsfälle häufen sich, und das schadet dem Ruf der gesamten Branche. Anstatt aber in die Offensive zu gehen und Schwachstellen zu beseitigen, versuchen die Verantwortlichen im Biohandel und den Verbänden, das Problem einfach auszusitzen. Verunsicherte Konsumenten werden das als schlechtes Signal werten. Wozu mehr Geld ausgeben, wenn die Qualität am Ende doch nicht stimmt? Verbraucher verlangen zu Recht Sicherheiten.

Die wachsende Nachfrage nach Biolebensmitteln macht den Markt nicht nur größer, sondern auch unübersichtlicher. Der kuschelige Nischenmarkt grüner Idealisten hat sich zu einem knallharten Milliardengeschäft entwickelt, in dem sich unzählige Spieler tummeln, die vor allem eines wollen: viel verdienen. Das gilt für Landwirte ebenso wie für Lebensmittelhersteller und den Handel. Wer soll das alles noch kontrollieren? Innerhalb der EU sind die Mitgliedsländer dafür verantwortlich, dass die Produktionsstandards bei Bio eingehalten werden. So dürfen unter anderem keine Pestizide und künstlichen Düngemittel eingesetzt werden.

Die Regierungen können diese heikle Aufgabe aber auch an private Unternehmen abtreten - wie es in Italien der Fall war. Außerhalb der EU wird es noch komplizierter. Hier müssen sich Konsumenten meist allein auf das Urteil privater Kontrolleure verlassen, die im Auftrag und auf Rechnung von Bio-Erzeugern arbeiten. Das schafft gefährliche Abhängigkeiten, und Betrüger haben leichtes Spiel.

Für die Biobranche steht viel auf dem Spiel. Es geht um Glaubwürdigkeit. Gelingt es nicht, diese Systemfehler zu beseitigen, könnte die Erfolgsgeschichte ein rasches Ende finden. Bioprodukte werden auf Dauer nur dann ihre Abnehmer finden, wenn die Qualität stimmt. Ohne einheitliche Kontrollen und mehr Transparenz im Handel wird das nicht funktionieren.

© SZ vom 10.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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