Serie: Konflikte in der Pubertät:So jung und schon so faul

Lesezeit: 4 Min.

Ständig müde? In der Pubertät wird die biologische Uhr um etwa zwei Stunden zurückgestellt. (Foto: iStockphoto)
  • Wenn ihr Kind in die Pubertät kommt, verlieren viele Eltern den Zugang zu dem Jugendlichen.
  • Sohn oder Tochter scheinen Abmachungen plötzlich völlig egal zu sein, den Eltern gegenüber schlägt das Kind scharfe Töne an.
  • Erziehungsexpertin Monika Czernin gibt Tipps für fünf typische Streitfälle.

Von Katja Schnitzler

Ein kurzer Wortwechsel, und die Stimmung zwischen Teenagern und Eltern ist am Tiefpunkt - mal wieder. Damit das Zusammenleben mit Jugendlichen nicht zum täglichen Kampf gegen den Frust wird, erklärt Erziehungsexpertin Monika Czernin, wieso sich viele Eltern und Jugendliche über die gleichen Probleme streiten.

1. Vereinbarungen gelten neuerdings offenbar nur für eine Seite: die Eltern. Die Jugendlichen hingegen finden es völlig in Ordnung, nie zur abgemachten Zeit daheim zu sein. Mutter und Vater können schon froh sein, wenn sie über die Verspätung informiert werden. Dabei scheint Wahrheit zu einem recht dehnbaren Begriff geworden zu sein.

Eltern irren, wenn sie davon ausgehen, dass ihr Kind mit seiner Unpünktlichkeit einen Machtkampf gewinnen will. Jugendliche haben einfach andere Prioritäten: "Lieber sollen sich die Eltern daheim ärgern - ein Ort, der in dem Moment für Jugendliche auf dem Mars liegt - als dass sie vor ihren Freunden schlecht dastehen, weil sie als einzige so früh gehen müssen", erklärt Monika Czernin. Zudem vergessen Jugendliche beim Entdecken der Welt die Zeit. Sie denken nicht jede halbe Stunde an zu Hause.

Eltern können ihren jugendlichen Nachwuchs nicht mehr kontrollieren oder erziehen. Sie können nur an die Verantwortung der Jugendlichen appellieren: "Ich kann dich nicht mehr beschützen, wenn du aus dem Haus gehst, du bist nun selbst für dich verantwortlich." Gleichzeitig können sie Tochter und Sohn auf Gefahren aufmerksam machen, etwa darauf, dass sie nicht mehr sicher fahren oder rechtzeitig reagieren können, wenn sie betrunken mit dem Fahrrad unterwegs sind.

Wichtig sind überzeugende Argumente. Eltern können mit den Jugendlichen praktische Überlegungen diskutieren und dabei klarmachen: Es geht um deine Sicherheit und nicht um das Einhalten irgendeiner Regel. Dann mag es sogar sinnvoll sein, dass der Jugendliche länger ausgeht, wenn er dafür nicht allein mit der Bahn heimfahren muss, sondern gemeinsam mit Freunden.

2. Dieser Tonfall! Wie redet das Kind eigentlich mit uns?

Eine Schlüsselregel nicht nur für den Umgang mit älteren Kindern ist es, das eigene Verhalten selbstkritisch zu hinterfragen: Kinder spiegeln unsere Schwächen und inkonsequenten Verhaltensweisen. Also lohnt sich die Frage: Wie ist mein Tonfall, wenn ich genervt oder gestresst bin? Wie gehe ich selbst mit Konflikten in der Partnerschaft oder der Arbeit um? Wer ehrlich zu sich selbst ist, wird einiges wiedererkennen.

Dass Jugendliche sich so ruppig, genervt und rotzfrech abgrenzen, führt oft zu einem Missverständnis: "Eltern glauben dann, ihre Teenager wären selbstbewusste Felsen in der Brandung und würden eine Menge aushalten", warnt Czernin. Tatsächlich aber haut Jugendliche oft schon die leiseste Kritik um, und unter der rauen Schale zeigen sich sensible und unsichere Wesen in permanenter Veränderung. Zu viel Kritik könnte da schaden. Besser hören Eltern zu und zeigen Verständnis. Dann können sie auch vorsichtig auf Verhaltensalternativen hinweisen, ohne dass die Mimosen ihre Blätter einziehen.

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3. An der Zimmertür müsste ein Warnschild hängen: "Vorsicht Messie! Betreten auf eigene Gefahr". Kommt jemals wieder Ordnung in dieses junge Leben?

Das große Durcheinander kann sich geben, wenn die Pubertät vorbei ist - währenddessen gehört das Chaos meist mit dazu. Es bedeutet für den Jugendlichen auch Abgrenzung und ein Hinweis auf das eigene Territorium: Hinter dieser Zimmertür beginnt meine Welt, ihr habt hier im Wortsinn nichts zu suchen.

"Eltern sollten respektieren, dass ihre jugendlichen Kinder einen Raum für sich brauchen und schon allein deshalb die Verantwortung für die Ordnung im Zimmer der Jugendlichen an ihren Nachwuchs übergeben: Die Jugendlichen entscheiden, wie sauber es in ihrem Zimmer sein muss", sagt Erziehungsexpertin Czernin. Teenager wissen selbst, wo der Staubsauger steht. Dabei dürfen sich die Eltern nicht in typische Widersprüche verheddern, nach dem Motto. "Du bist selbst für dein Zimmer verantwortlich, also erwarte ich auch, dass du es aufräumst."

Besonders hilfreich in im Bereich "Zusammenleben", "Verantwortung übernehmen" und "Hausarbeit teilen" sind Humor und Verhandlungsgeschick. So könnte die Mutter zum Beispiel anbieten, dass sie das Zimmer des Jugendlichen mitsaugt, wenn dieser dafür sorgt, dass am Boden nichts liegt - und ansonsten den Raum großzügig beim Saugen umgehen.

Eltern entdecken bei ihrem ungewollten Rückzug aus Erziehung und Kontrolle oft einen neuen Bereich: Jugendlichen sollen Verpflichtungen übernehmen. Das ist zwar richtig und auch gut, nur dürfen die Eltern daraus kein neues Dogma machen und das Familienleben zu einer Orgie aus gut gemeinten Aufforderungen verkommen lassen. "Du wolltest noch den Müll raustragen...", "Hast du die Wäsche abgehängt?", "Ich muss dir jeden Tag sagen, dass es deine Aufgabe ist..." Kein Jugendlicher will so eine Form des Zusammenlebens. Es sollte Raum für andere Themen geben: "Was denkst du über....?", "Was hat dir heute Spaß gemacht?", "Wie können wir dich bei der Berufs- und Studienwahl unterstützen?" Es gibt so viele Themen, die man mit Jugendlichen erörtern kann, und das Gespräch mit ihnen ist immens wichtig. "Da kann der Müll ruhig mal im Haus bleiben und die Wäsche auf der Leine", so Czernin.

4. Zehn, elf, zwölf ... am Wochenende kennen die Jugendlichen keinen Vormittag mehr, unter der Woche schlafwandeln sie durch den Morgen. Warum gehen sie nicht einfach früher ins Bett?

Von gestern auf heute schlafen Kinder etwa zwei Stunden später ein. Das ist ein untrügliches Indiz, dass sie in die Pubertät gekommen sind. Denn tatsächlich wird mit Beginn der Pubertät die biologische Uhr etwa zwei Stunden zurück gestellt, die Jugendlichen können also gar nicht mehr früher einschlafen. Leider nehmen deutsche Schulen darauf keine Rücksicht, auch für ältere Schüler beginnt der Unterricht frühmorgens. "Kein Wunder, dass Teenager in den ersten Stunden wie ferngesteuert durch den Morgen tappen und am Wochenende ihr Schlafbedürfnis nachholen", sagt Czernin. Es schont also die Nerven aller Beteiligten, wenn die Eltern ihre Kinder am Wochenende möglichst oft ausschlafen lassen.

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5. So jung und schon so faul: Lernen für gute Noten ist plötzlich unwichtig.

Lernunlust in der Pubertät kann mehrere Ursachen haben. Die wichtigste Form der Lernverweigerung liegt darin, dass manche Jugendliche einfach ausgelernt haben. Sie haben ihr Entwicklungspotenzial ausgeschöpft. Für sie wäre es an der Zeit, sich praktische Fähigkeiten anzueignen, sich ihrer Begabung gemäß zu spezialisieren und sich im Leben zu behaupten. In solchen Fällen kann es zermürbend sein, sich weiterhin durchs Gymnasium zu quälen, Lernunlust und Schulversagen sind programmiert.

Andere Schüler hingegen entdecken in diesem Alter erst so richtig ihre Freude an der intellektuellen Auseinandersetzung mit Themen, sie bereiten sich so auf ein Studium vor. "Wir dürfen die Vielfalt unter den Jugendlichen nicht unterschätzen", sagt Monika Czernin.

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Leider steigen die Ansprüche an die Schüler genau dann an, wenn sie wegen der Pubertät eine eher geringe Motivation verspüren, sich so unwichtigen Dingen wie Lernen zu widmen. Auch wenn der Sohn plötzlich wieder sehr gerne zur Schule geht, hat das nicht unbedingt mit dem spannenden Geschichtsunterricht zu tun.

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Eltern sollten die Verantwortung für die Noten ihrer jugendlichen Kinder nicht übernehmen, und ihnen etwa gemeinsames Lernen aufzwingen. Sie können ihnen die Entscheidung nicht abnehmen, was sie in der Schule erreichen oder ob sie etwas anderes machen wollen. Sinnvoller ist es, sich viel Zeit für Gespräche zu nehmen, die Lehrer mit einzubeziehen und gemeinsam mit dem Jugendlichen einen passenden Weg zu finden.

Monika Czernin hat gemeinsam mit Remo Largo unter anderem den Ratgeber "Jugendjahre - Kinder durch die Pubertät begleiten" geschrieben. Sie berät als Familiencoach Eltern und Familien.

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