Richard Lugner und die Ruby-Affäre:Der Bunga-Bunga-Ball

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Wegen eines "alternden geilen Baumeisters" wird der altehrwürdige Opernball immer grotesker. So sehen das viele Wiener - und die Organisatoren der Walzersause. Im nächsten Jahr wollen sie "Mörtel" deshalb eine Loge verwehren.

Martin Zips

Während oben alle ein bisschen traurig darüber sind, dass in der großen Loge gerade nur ein österreichischer Bundespräsident die Nationalhymne singt und nicht etwa der Kaiser, herrscht in der stickigen Betriebskantine unter der Bühne allgemeine Wurschtigkeit. Der von der Bedienung soeben eingeschaltete operneigene Fernseher mit Live-Bildern aus dem Saal, der geballte Frackwahnsinn auf der von Hunderten Arbeitern Tag und Nacht errichteten Opernball-Tanzfläche, die Anwesenheit der wahrhaftigen Ruby Rubacuori in der Mörtel-Loge etwa 150 Meter Luftlinie entfernt - in der Kantine beeindruckt das niemanden. "Der Lugner setzt die beim Finanzamt doch unter Werbungskosten ab", sagt ein kräftiger Techniker bei Würstel und gespritztem Apfelsaft.

Skandal im Wiener Festsaal: Noch kein Stargast hat Richard "Mörtel" Lugner so viel Ärger beschert wie die mutmaßliche Berlusconi-Gespielin Ruby. (Foto: AP)

Wenige Stunden zuvor, im engen Büro der herausgeputzten Opernball-Organisatorin Desirée Treichl-Stürgkh, ging es noch wesentlich hektischer zu. "Vorhin habe ich einem am Telefon erklärt, dass auch der Markus Lüpertz zum Opernball kommen will. Ja, meinen Sie, der hätte gewusst, wer der Lüpertz ist? Die Menschen werden doch immer dümmer."

Wer eine Loge hat, darf mitbringen, wen er mag

Auf dem Schreibtisch dürsten Orchideen nach Wasser. Kleine Aufmerksamkeiten aus aller Welt. Dafür, dass es am Ende dann doch noch geklappt hat mit der Eintrittskarte (230 Euro), mit der Loge (17.000 Euro), mit dem Bühnenlogentisch (8500 Euro), mit dem Champagner (je nachdem).

Es könnte alles so schön sein, gäbe es da nicht diesen "alternden geilen Baumeister", wie ihn Treichl-Stürgkh nennt, der mit Immobilien und Tiefgaragen sein Geld macht. Wegen ihm erhalte sie jetzt erstmals Anrufe von Vertretern der österreichischen und italienischen Botschaft. Das gab's noch nie. Immer wieder müsse sie erklären, "dass jeder, der eine Loge hat, auch mitbringen darf, wenn er mag".

Aber klar, im nächsten Jahr sehe es gar nicht gut aus mit einem Privatsitzplatz für Mörtel. Ihn werde man 2012 wohl nicht mehr berücksichtigen können. Zu viele Vorbestellungen.

Und doch darf man den 78 Jahre alten Mörtel, der von Ivana Trump bis Paris Hilton schon so ziemlich alles, was halbwegs prominente Brüste hat, mit auf den Opernball geschleppt hat, nicht unterschätzen. Dass er die Frau, die für Silvio Berlusconi das bedeuten könnte, was die Demonstrationen für seinen ägyptischen Kollegen bedeutet haben, in einem Hotel gegenüber der italienischen Botschaft untergebracht hat, kann kein Zufall sein. Dass sich in der Nähe der Frisiersalon "Bundy Bundy" und eine Polizeikaserne befinden, spricht auch für sich.

"Ich habe beruflich heute viele Telefonate mit Deutschland führen müssen", empört sich der Wiener Veranstalter Gery Keszler auf dem roten Opernball-Teppich. "Alle reden nur von Ruby. Das ist mir richtig peinlich." Und auch die in blaue Seide gehüllte Operettendiva Birgit Sarata muss sich jetzt mal darüber aufregen, was "gerade die ausländischen Medien aus unserem schönen Fest machen". Früher sang Sarata an der Wiener Volksoper, später auf Kreuzfahrtschiffen. "Ich verstehe die jungen Frauen nicht. Ihre Frisuren sind heute so merkwürdig zerzaust."

Wiener Opernball
:Rummel um Ruby

Friedensaktivist Bob Geldof, "Dallas"-Star Larry Hagman, Bauunternehmer Richard "Mörtel" Lugner und mittendrin Berlusconis "Bunga-Bunga"-Bekannte Ruby: Der Wiener Opernball war so bunt wie selten.

In Bildern.

Kein Wunder: Als Mörtel, 78, mit Ruby, seiner Tochter Jackie und seiner Frau Katzi (alle so um die 20), mit Larry Hagman und dem Dicken aus Eis am Stil aus der weißen Stretchlimousine steigt, da ist das Gerangel groß. Fotografen reißen Absperrungen nieder, Kameraleute stolpern übereinander, Frisuren zerzausen. Die von Bob Geldof ist sowieso zerzaust. "Ruby interessiert sich für alte Männer?", fragt er. "Das ist gut für mich."

Für Roberto Blanco indes interessiert sich zu dem Zeitpunkt kein Mensch mehr. Auch Edmund Stoiber, Lang Lang, Anna Netrebko und Erwin Schrott ziehen im Vergleich zu Ruby recht ruhig vorbei. Am wenigsten Aufmerksamkeit auf dem roten Teppich wird aber Larry Hagman zuteil, da er sich direkt im Windschatten der italienischen Skandalfrau bewegt. So viel Platz hatte er selten.

"Haben Sie als Prostituierte gearbeitet?"

Also muss man sich doch ein bisschen wegbewegen vom Opernball und jetzt von Karima el-Mahroug berichten, die mit ihren 18 Jahren schon mehr erlebt hat als der Rest der naserümpfenden Wiener Gesellschaft. In Marokko geboren, verließ sie schon mit zwölf Jahren - unter welchen Umständen auch immer - ihr Elternhaus, als Teenager gab sie sich bei Facebook den Namen Ruby Rubacuori.

"Haben Sie nun als Prostituierte gearbeitet oder nicht?", lautet eine besonders investigative Journalisten-Frage auf der Ruby-Pressekonferenz in der leicht desolaten Einkaufspassage "Lugner City" im 15. Wiener Bezirk. "Nächste Frage", befiehlt der ehemalige Schlagersänger, Jackie-Freund und Lugnersche Firmenkronprinz Helmut Werner, 26, von dem die Idee stammt, Ruby einzuladen.

Kurz zuvor hatte die ehemalige Erotikdarstellerin Bo Derek abgesagt, weil der Mörtel ihr nicht genügend Geld zum Schutz hilfsbedürftiger Pferde auf die Gage packen wollte.

Dann doch lieber Rubacuori, die in ihrem früheren Leben mehrmals wegen Diebstahls auffällig geworden war, zeitweise in einem Heim für obdachlose Mädchen wohnte und schon als Zimmermädchen, Bauchtänzerin und Kosmetikerin gearbeitet haben soll.

Als Minderjährige ohne Aufenthaltserlaubnis wurde sie, wie sie der italienischen Staatsanwaltschaft berichtete, in eine Villa Berlusconis eingeladen und mit Geld- und Sachspenden bezahlt. Später soll sich der Ministerpräsident für sie sehr bei der Polizei eingesetzt haben. Ruby sei eine Nichte Mubaraks, behauptete er.

Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft Mailand gegen Berlusconi wegen der Förderung der Prostitution Minderjähriger und Amtsmissbrauchs. Der "Rubygate"-Prozess soll Anfang April beginnen. Wenige Tage zuvor möchte Ruby ihren Lebensgefährten, einen mehr als doppelt so alten Fischlokal- und Diskothekenbesitzer aus Genua heiraten. Nach dem Prozess, sagt sie, werde sie mit ihm eine Familie gründen und nach Mexiko auswandern. Ihre Zukunft sehe sie als Hausfrau.

Auf die Prostituierten-Frage antwortet Ruby dann doch noch, nämlich mit einem marokkanischen Sprichwort: "Kamele sehen immer nur den Höcker der anderen Kamele. Nie aber ihren eigenen." Ansonsten: Ja, schön sei es in Wien. Ja, sie freue sich auf den Opernball.

Wiener Opernball
:Elle Macpherson begleitet "Mörtel" Lugner

Wie der Bauunternehmer bekannt gab, wird er mit dem früheren Topmodel über den roten Teppich beim Wiener Opernball schreiten. Die Verhandlungen waren in diesem Jahr wohl besonders schwierig.

Dieser schreckliche Opernball! "Wenn du dich hier mit jemandem unterhältst, so weißt du nie, ob der jetzt Nobelpreisträger ist oder Waffenhändler", fasst John Bockelmann, Maler und Bruder von Udo Jürgens den allgemeinen Wahnsinn hier zusammen.

Um ihn herum: 60.000 Blumen, die aus Mauritius und Holland eingeflogen worden sind, irgendwo spielen mal kurz die Wiener Philharmoniker, aber davon kriegt man, wenn man keinen Logenplatz besitzt, kaum etwas mit. Immerhin trifft man unweit der Betriebskantine die jungen Debütanten Lisa Schmidl, 21, und Philipp Foßleitner, 20, die schon seit vier Jahren davon träumen, einmal dieses Fest eröffnen zu dürfen.

Für seine Gäste gibt er alles

Weil ihr Linkswalzer die Jury beeindruckt hat, ist es nun soweit. Foßleitners goldene Manschettenknöpfe dürften am Ende dieses Abends, also Freitagvormittag, noch wesentlich besser aussehen, als Schmidls wunderschönes Abendkleid. Denn das ist ja das Hauptproblem, wenn man als Frau auf den Opernball geht. Dass einem wirklich alle paar Minuten ein Depp auf den Rock tritt.

Rubys goldenes Kleid, obgleich nur geliehen, dürfte diesen Abend schon wesentlich besser überstehen. Schließlich verlässt sie die Loge Nr. 13, in die sie die Opernball-Organisatorin gepackt hat, nur selten.

Wenn jemand vor die Tür tritt, dann der Mörtel ("sonst mache ich mir gleich noch in die Hose") und so wird er doch noch vom ORF interviewt, obgleich der zuständige Programmdirektor seinen Mitarbeitern die Order gegeben hat, dass "das Staatsgewalze eigentlich nicht zum Nuttenball samt Logenstrich" umfunktioniert werden dürfe. Hubschrauberausflug zum Fischessen nach Niederösterreich, Abendessen im Hotel, Ausflug ins Casino Baden - Richard Lugner hat auch diesmal für seine Gäste alles gegeben. Im Gegenzug durfte er Ruby vor den Fotografen immer wieder den Kopf an die Brust drücken und ihr diverse Handküsse andeuten.

Mörtel will brav bleiben - der Katzi zuliebe

Dass man ihm nach 20 Jahren Prominentenbelustigung nun die Loge entziehen möchte, wurmt ihn sehr. "Ich kann ja nix dafür, dass ich Gäste bringe, die sonst niemand bringt", klappert der auf jung geschminkte Mörtel mit seinen Zähnen. Für den Boulevard gibt's noch den Zusatz: "Ich werde mit der Ruby nichts tun, was nur der Katzi zusteht." Auf dem Programmzettel mit den wichtigsten Opernball-Terminen seiner Gäste hat er die Namen von Hagman und Rubacuori konsequent falsch geschrieben. Das muss die Aufregung gewesen sein.

Am frühen Morgen hat es sich schon längst herumgesprochen, dass in der Betriebskantine das Bier am billigsten und die Stimmung am besten ist. "Die Loge werden sie dem Lugner auch im kommenden Jahr nicht entziehen", sagt ein Bühnentechniker. "Sie brauchen ihn ja doch."

Vor der Oper, wo der rote Teppich bald wieder eingerollt wird, wartet derweil der 73-jährige Pensionär Herr Oskar auf Ruby. Um den Hals trägt er ein Schild, das er schon während Rubys Autogrammstunde in der "Lugner City" gleich gegenüber vom Laden einer Schuh-Billig-Kette mit sich herumgetragen hat. Dort steht: "Alle Männer, die gegen Sie hetzen, wollen Sie am liebsten. . ." - Was? "...wetzen!", brüllt Herr Oskar laut lachend.

Vielleicht werden die Menschen ja wirklich immer dümmer.

© SZ vom 05.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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