Sie liegen griffbereit neben dem Bett oder in einer Schmuckschatulle auf der Kommode, werden diskret in der Handtasche mitgenommen oder trocknen nach Benutzung neben dem Waschbecken, und wenn sie zufällig jemand anderes als der eigene Partner sieht, ist es allen ein bisschen peinlich. Aufbiss- oder Knirsch-Schienen sind therapeutische Bestseller, die sich in den letzten Jahren unauffällig, aber doch umfassend in die Besucherritzen der Nation geschlichen haben. Etwa die Hälfte der Deutschen, so die Schätzung, leidet an einer Form des Bruxismus, knirscht also zumindest gelegentlich mit den Zähnen. Etwa acht Prozent so stark, dass sie irgendwann wegen Folgeerscheinungen wie Schmerzen in Kau- und Nackenmuskulatur, Kopfschmerzen beim Aufwachen oder schlechtem Schlaf zum Arzt gehen. Kann alles auch andere Gründe haben, klar, aber die Zahn-, Kiefer-, Schlaf-, HNO- oder Schmerzmediziner bringen mittlerweile schon fast routinemäßig auch das nächtliche Kieferreiben und danach die Abdruckmasse für eine Okklusionsschiene ins Spiel. Und zwar jedes Jahr häufiger: Von gesetzlichen Krankenversicherungen wurden 2021 insgesamt etwa 2,15 Millionen sogenannter Aufbissbehelfe abgerechnet, im Jahr 2018, vor Corona und Krieg, waren es noch 1,8 Millionen.
Zähne und Zeitgeist:Generation Beißschiene
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Nacht für Nacht wird der Schmerz des modernen Lebens zerkaut: Etwa die Hälfte der Deutschen leidet an einer Form des Bruxismus - sie knirscht. Über das Symbol einer gestressten Gesellschaft.
Essay von Max Scharnigg
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