Kolumne: Vor Gericht:Auffallend unauffällig

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Eigentlich ein Symbol lebenslanger Verbundenheit: der Ehering. (Foto: Franz-Peter Tschauner/dpa)

Nach 33 Jahren hat der biedere Abteilungsleiter Werner S. genug von seiner Ehe. Doch anstatt sich scheiden zu lassen, macht er sich auf die Suche nach einem Killer.

Von Verena Mayer

Dass Beziehungen vor Gericht landen, ist trauriger Alltag. Im besten Fall geht es um Rentenansprüche nach einer Trennung, im schlimmsten wird jemand, meistens die Frau, Opfer von Gewalt. Der Fall, den ich Ende der Nullerjahre verfolgte, stach da heraus. Es ging um einen Mann, der nach 33 Jahren Ehe merkte, dass er nicht mehr mit seiner Frau zusammenleben wollte. Doch anstatt sich scheiden zu lassen, soll er versucht haben, ihren Tod in Auftrag zu geben.

Ich habe den Angeklagten, der hier Werner S. heißen soll, gleich zweimal innerhalb von fünf Jahren vor Gericht gesehen. Beide Male wurde ihm vorgeworfen, einen Auftragskiller für seine Ehefrau, nennen wir sie Roswitha, gesucht zu haben.

Werner S., 58, grau meliertes Haar, war von Beruf Abteilungsleiter in einem staatlichen Unternehmen. Zwei Kinder, ein Haus mit Garage, heute würde man sagen: ein typischer Vertreter der Boomer-Generation. Selbst der psychiatrische Gutachter konnte nicht viel Auffälliges an ihm finden. Außer, dass er wohl eine Art von neurotischer Zwangsstörung hatte.

Die brachte Werner S. dazu, sich in seinem Umfeld ständig über seine Ehefrau zu beklagen. Eines Tages fragte er einen Bekannten, ob er Roswitha S. nicht umbringen könnte, 2000 Euro wolle er zahlen. Der Mann nahm das Geld, erpresste Werner S. danach und erzählte noch einem Kumpel davon. Der diente sich Werner S. als potenzieller Killer an - und erpresste ihn ebenfalls. Irgendwann hielt S. den Druck der beiden nicht mehr aus und bat seine Frau um Hilfe. Die ging mit ihm zur Polizei - und verzieh ihm.

Ich habe vor Gericht viele Frauen gesehen, die zu gewalttätigen Männern zurückkehrten, weil die seelische oder wirtschaftliche Abhängigkeit zu groß war. Aber Roswitha S. war eine selbstbewusste Frau in Jeans und Steppjacke, die einen eigenen Trödelladen betrieb und sich nichts gefallen ließ. Auf die Frage des Richters, warum sie sich nicht trennte, sagte sie: "Wir haben doch harmoniert mit unserem Grundstück und dem Garten."

Danach bat Werner S. noch zwei weitere Bekannte, seine Frau zu töten. Einer ging zum Schein darauf ein und verständigte die Polizei. S. kam vor Gericht und wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis erzählte er wieder überall herum, wie sehr er seine Frau hasste. Ein Mann, der wegen organisierter Kriminalität einsaß, sagte, er könne Werner S. helfen, sie loszuwerden. Wieder flog das Ganze auf, wieder landete S. vor Gericht und bekam eine Haftstrafe, diesmal sieben Jahre.

Doch der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf. Im darauffolgenden Prozess wurde Werner S. freigesprochen, weil der Zeuge aus der organisierten Kriminalität nicht aussagen wollte. Als ich das Urteil hörte, fragte ich mich, ob ich Werner S. wohl noch ein drittes Mal sehen würde. Ich hatte Angst, dass es ihm eines Tages gelingen könnte, seine Pläne in die Tat umzusetzen. Doch dann erfuhr ich, dass Werner und Roswitha S. sich nun endlich hatten scheiden lassen.

An dieser Stelle schreiben Verena Mayer und Ronen Steinke im wöchentlichen Wechsel über ihre Erlebnisse an deutschen Gerichten. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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