Schon mal versucht, ein Brot, drei Äpfel, einen Becher Sahne, eine Packung Milch, ein paar Babygläschen und eine Packung Klopapier nach Hause zu balancieren? Also, ohne Tüte oder Tasche? Ich schon. Geht nicht. Die Äpfel kamen verdellt an, weil sie zwischendurch runtergefallen sind, die Sahne ist in der Handtasche ausgelaufen und für Brot, Milch, Babygläschen und Klopapier reichten zwei Hände beim besten Willen nicht.
So etwas passiert, wenn man versucht, sich umweltbewusst zu verhalten. Meine Bequemlichkeit kommt regelmäßig meinem ökologischen Gewissen in die Quere. Letzteres weiß ganz genau: Plastiktüten sind überflüssig, ein wiederverwendbarer Stoffbeutel viel besser. Leider meldet es sich nie, wenn ich morgens das Haus verlasse - und dann stehe ich nach Feierabend wieder an der Supermarktkasse, meine Sachen liegen auf dem Band und ich habe wie immer keinen Jutebeutel dabei. In die Handtasche passt der ganze Kram nicht (zumindest wenn sie noch eine Weile halten soll - und meine Sachen sollen jetzt lange halten, denn auch das ist ökologisch).
So schwer kann es doch nicht sein
Also, schwupps, die Plastiktüte, vielleicht auch zwei, kein Problem, meine Bequemlichkeit zahlt die paar Cent gerne und trägt die Ware nach Hause. Dort kommt die Plastiktüte zu den anderen alten Plastiktüten, die selbstverständlich gesammelt werden, um sie wieder zu verwenden - was man aber nie tut, weil man ja immer vergisst, eine Tüte von zu Hause mitzunehmen. Das ökologische Gewissen schüttelt den Kopf: So schwer kann es doch nicht sein, an eine Einkaufstasche zu denken!
Doch, irgendwie schon. 71 Plastiktüten verbrauchen die Deutschen durchschnittlich - pro Jahr und pro Person, also mehr als eine pro Woche. Der immense Verbrauch von Plastik ist ein riesiges Problem: Mit dem bisher produzierten Kunststoff könnte die Erde sechsmal komplett eingewickelt werden. 311 Millionen Tonnen Plastik werden jedes Jahr produziert. Acht Millionen Tonnen davon gelangen dann ins Meer, das entspricht einem Lastwagen voller Plastiktüten pro Minute. Und es dauert zwischen 100 und 500 Jahren - je nach Art des Kunststoffes - bis sich so eine Tüte wieder zersetzt hat.
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Die Tüte braucht kein Mensch
Plastik so weit wie möglich zu vermeiden, erscheint also notwendig und ich beginne mit der Tüte, weil es am einfachsten ist. Klar, bei der Menge an Müll, die ein Haushalt so produziert, macht die Tüte nicht die Masse aus, das sind eher die Käseschachteln, die Joghurtbecher und Shampooflaschen. Doch während der Versuch, diese Produkte unverpackt zu kaufen, ein schier unmögliches Unterfangen ist (über das ich in dieser Serie auch noch schreiben werde), ist bei der Plastiktüte die Alternative klar: Weglassen.
"Tragetaschen aus Kunststoff sollten Sie komplett vermeiden", sagt Günter Dehoust, Experte für Abfallwirtschaft beim Öko-Institut in Berlin. Dass viele Verbraucher die Tragetasche guten Gewissens kaufen, weil sie sie als Mülltüte weiterbenutzen, sieht er kritisch: "Normale Mülltüten sind dafür viel besser geeignet, weil leichter, dünner und damit ressourcensparender." Er rät zu wiederverwendbaren Einkaufstaschen.
Doch die vergesse ich ja immer! Gibt es nicht einfachere Alternativen? Viele Supermärkte haben auch Papiertüten oder Tüten aus Bio-Plastik im Angebot. Ist das besser?
Leider nein. Die Herstellung von Papiertüten benötigt fast doppelt so viel Energie und belastet Luft und Wasser deutlich mehr mit Schadstoffen als die Produktion einer Plastiktüte. Zudem gehen sie schneller kaputt, können also nicht so oft wiederverwendet werden (was natürlich egal ist, wenn die Tüten nur zu Hause herumliegen und nie mehr zum Einsatz kommen). Kompostierbares Bio-Plastik wiederum hört sich zwar gut an, hat aber in Summe gar keine bessere Ökobilanz als die normale Plastiktüte. ( Die Ökobilanz der verschiedenen Tüten hat der Radiosender Bayern 1 verglichen.)
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Die Idee ist schön: Weggeworfene Tüten werden einfach zu neuen. Aber so einfach funktioniert das nicht.
Wie man es dreht und wendet: Einweg ist schlecht, Mehrweg ist gut. Zwar sind Stofftragetaschen und andere Mehrwegtaschen bei der Herstellung deutlich weniger ökologisch als Plastiküten, weil ein Vielfaches der Energie verbraucht und Emissionen freigesetzt werden. Doch schon nach 36 Mal, so rechnet zumindest der "Bayern1-Umweltkommissar", hat sich das rentiert - und rein theoretisch lassen sich die Baumwollbeutel ewig verwenden.
Wie es funktioniert, ist also klar und es geht nur noch um die Umsetzung. Doch war die nicht das Grundproblem?
Vom Versuch, sich umzuerziehen
Ich schaffe das jetzt, nehme ich mir vor und will immer eine Baumwolltasche oder Ähnliches in der Handtasche haben. Anfangs vergesse ich es ständig. Also muss ich strenger mit mir werden: Der faule Ausweg "Plastiktüte kaufen" ist nicht mehr erlaubt. Stattdessen balanciere ich meine Einkäufe lose durch die Gegend. Oder ich kaufe weniger als ich eigentlich wollte, nur so viel, wie ich mit beiden Händen gut tragen kann. Oder ich drehe im Supermarkt wieder um, hole eine Tasche und gehe noch mal los.
Alle drei Möglichkeiten nerven mich gewaltig. Und weil ich genervt bin, lerne ich dazu. Die Wahrscheinlichkeit, rechtzeitig eine Tasche einzupacken, wächst mit jeder Extrarunde, die ich wegen meiner Schusseligkeit drehen muss. Anfangs war ich zu bequem, an den Jutebeutel zu denken - jetzt bin ich zu bequem, um die Einkäufe anders nach Hause zu transportieren.
Plastiktüten kommen uns fast gar nicht mehr ins Haus und damit haben wir unser Müllaufkommen um 0,17 Prozent reduziert. Das ist nach Angaben der Gesellschaft für Verpackungsforschung der Anteil von Kunststofftragetaschen am Hausmüll. Wenig? Ja. Doch insgesamt werden in Deutschland 6,1 Milliarden Plastiktüten jährlich in den Verkehr gebracht. Jede einzelne, die eingespart wird, ist gut für die Umwelt.
Fazit:
- Plastik zu vermeiden, ist gut; es mit anderen Einwegmaterialen zu ersetzen aber selten sinnvoll.
- Die Plastiktüte trägt nicht viel zur Müllmenge bei. Sie ist jedoch das, was sich am einfachsten ersetzen lässt.
- Daher: Mehrwegtasche besorgen und sie verwenden bis an ihr Lebensende.