Das mit dem Recyceln von Plastiktüten ist so eine Sache. Durchaus wohltuend wäre es für die Umwelt, für das eigene Gewissen ebenso. Recyceln funktioniert allerdings nur in der Theorie, wie ein Besuch bei der Entsorgungsfirma Heinz in Bayern vor Augen führt.
In einer Halle des Unternehmens in Erding steht ein Metallgebilde, ähnlich wie eine Abzugshaube. Es trennt Müll aus dem gelben Sack, und zwar leichte Folien von schwereren Verpackungen - schließlich ist Plastik nicht gleich Plastik. Unermüdlich verschlingt die Maschine Folie um Folie und wirbelt sie durch einen Windkanal, aus dem sie ein paar hundert Meter weiter auf ein Fließband segeln. Hier trennen behandschuhte Mitarbeiter sie von überflüssigem Fremdmaterial wie Styropor, sodass am Ende nur Folien übrig bleiben - und Plastiktüten. Zumindest theoretisch. Denn allzu viele Tüten landen hier gar nicht, sagen die Sortierer. Um genau zu sein: fast gar keine.
Zwar ist der Tütenverbrauch in den vergangenen Jahren zurückgegangen, noch immer bekommt aber jeder Deutsche im Schnitt 76 neue Tüten im Jahr in die Hand gedrückt. Hier und da muss er dafür schon zahlen, der Kauf ist aber längst nicht der einzige Haken. Für Umweltschützer ist die Entsorgung das wahre Problem.
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Im Streit um eine Abgabe für Plastiktüten spricht sich der Verband der Textileinzelhändler gegen eine Selbstverpflichtung aus. Deshalb werden sie nun doch nicht wie geplant von April an von kostenpflichtig.
Etwa 61 Millionen Tüten landen früher oder später in Gewässern
Eigentlich sollen die Tüten im gelben Sack landen, um recycelt zu werden. Wie viele dort enden, ist mit seriösen Zahlen nicht nachzuweisen. Schätzungen gehen von gerade einmal sieben Prozent aus. Viele Haushalte benutzen die Tüten stattdessen als Müllbeutel und glauben, ein gutes Werk zu tun.
Das ist ein Irrtum, sagt Thomas Fischer, der Leiter der Abteilung Kreislaufwirtschaft der Deutschen Umwelthilfe: "Wenn die Tüten im Hausmüll landen, werden sie einfach nur verbrannt." Ein Großteil wird aber weder recycelt, noch verbrannt. Schätzungsweise 61 Millionen landen früher oder später in Gewässern und werden zu "kleinen Giftbomben", wie Fischer sagt. An ihnen verenden Tiere, die im und am Wasser leben.
Einen Mindestpreis schreibt die EU-Kommission nicht vor
Die EU-Kommission will den Tütenverbrauch nun pro Jahr und Bürger auf 40 Stück reduzieren- und zwar innerhalb des kommenden Jahrzehnts. Das Ziel ist für alle europäischen Länder bindend, die Umsetzung wird hingegen jedem Land selbst überlassen. Und in Deutschland bis jetzt auch jedem einzelnen Unternehmen. Industrie und Politik diskutieren momentan eine freiwillige Vereinbarung ( siehe nebenstehenden Text). Sie sieht vor, dass jedes Unternehmen selbst den Preis für die Tüte bestimmen kann.
Von einem Pauschalbetrag oder einem Mindestpreis von beispielsweise 20 Cent, wie ihn viele Umweltschützer fordern, ist darin nicht die Rede. Rolf Buschmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz hält die Summe sogar für viel zu gering. "Wirklich helfen würden nur größere Beträge von mindestens 50 Cent für alle Tüten", sagt er. Schließlich soll die Abgabe ja vom Kauf abschrecken.
Auch Fischer von der Umwelthilfe bezweifelt aber, dass der Handel bereit ist, von sich aus einen Preis in Höhe von 20 bis 30 Cent einzuführen. Er plädiert daher für eine verpflichtende Abgabe von 22 Cent pro Tüte. Wie effektiv schon diese Höhe ist, sei in anderen europäischen Staaten wie Irland zu beobachten: Der Verbrauch habe sich nach der Erhebung einer 22-Cent-Abgabe von 328 auf 16 Tüten pro Kopf verringert. Was eine flexible Abgabe ausrichten kann, wisse niemand.
Einige Hersteller geben derweil vor, mit der Tüte aus Recyclingmaterial eine umweltfreundliche Alternative kreiert zu haben. Darunter ist auch der größte Plastiktütenhersteller Europas, die Firma Papier-Mettler. In einem Werbevideo wird ihr Modell "Ecoloop", das aus Verpackungsfolie-Abfällen hergestellt wird, als nachhaltig, sogar umweltfreundlich beschrieben, ihre CO₂-Bilanz sei "sehr positiv". Wie viele Ecoloop-Tüten das Unternehmen produziert und wie sie sich genau zusammensetzen, möchte Mettler nicht preisgeben.
Laut Thomas Fischer von der Umwelthilfe ist jedoch auch dieses Produkt keineswegs umweltfreundlich. Die CO₂-Emissionen bei der Herstellung fielen lediglich um 45 Prozent geringer aus als bei herkömmlichen Tüten; Chemikalien, Energie und Wasser seien für die Herstellung in ähnlichem Umfang nötig.
"Und der unreflektierte massenhafte Konsum wird dadurch auch nicht verringert", kritisiert Fischer. Das könne nur eine Abgabe leisten. Falls die am Ende greift, werde auch die Firma Mettler mit der vermeintlichen Öko-Tüte umdenken müssen. "Die Geschichte vom geschlossenen Materialkreislauf für Plastiktüten ist ein Märchen. Aus einer alten Plastiktüte wird keine neue", sagt Fischer.
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Das Recycling von Plastiktüten funktioniert - noch - nicht
Auch für die Tüten, die in Oberbayern von der Abzugshaube sortiert wurden, sieht es schlecht aus. Ihr Weg führt nach Österreich, in die Fabrik des Unternehmens Walter Kunststoffe, wo sie eingeschmolzen und zu neuer Folie verarbeitet werden. Gesellschafter Martin Dupal sagt: "Der Großteil von dem, was hier ankommt, sind Industriefolien" - kaum Tüten. "Sieben Prozent der Tragetaschen sollen im gelben Sack landen? Das ist extrem wenig, meiner Meinung nach aber immer noch Wunschdenken." Von dem Plastik, was bei ihm ankomme, betrage der Tüten-Anteil höchstens zwei bis drei Prozent.
Das Recycling von Plastiktüten funktioniert also - noch - nicht. Auch deswegen will die EU den Verbrauch reduzieren, was automatisch zu einer verringerten Herstellung führt. Für den Verbraucher ist die Sache im Prinzip hingegen ganz einfach. Wenn er keine Plastiktüte entgegennimmt, muss er weder dafür zahlen noch sich Gedanken machen, was damit passiert.