Dem Geheimnis auf der Spur:Ochs und Esel

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Ochs und Esel an der Krippe des Heilands: Darstellung auf einem Sarkophag in der Kirche Sant'Ambrogio in Mailand. (Foto: Giovanni Dall'Orto)

Mythen um die beiden Tiere haben eine lange Tradition. Aber wie kam es, dass ausgerechnet Ochse und Esel an der Krippe des Herrn gezeigt werden?

Von Josef Schnelle

Schauen Sie sich die Weihnachtskrippe in Ihrer Lieblingskirche einmal ganz genau an. Das Jesuskind liegt in seiner Krippe stets im Zentrum. Dann sind da noch Maria und etwas abseits Josef, sowie Hirten mit ein paar Schafen, später noch die Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland und ein Engel hoch über der ganzen Szene und natürlich der Stern von Bethlehem. Fehlt noch etwas? Ja, genau: Ochs und Esel, die sind - bescheiden im Hintergrund - aber bei jeder Darstellung anwesend.

Doch woher kommen sie? Im Lukasevangelium ist lediglich die Futterkrippe erwähnt, in die Maria das göttliche Kind legt. Bei Matthäus kommen sogar schon die Weisen, da ist Jesus noch kaum geboren. So weit die gesicherte neutestamentarische Lage ohne den Ochsen und auch bar jeder Vorstellung eines Esels. Für den frühchristlichen Volksglauben war das offenbar zu wenig. Die früheste noch existierende künstlerische Darstellung eines Ochsen und eines Esels, die, extrem stilisiert, das gewickelte Jesuskind in ihrer Mitte anbeten, ist auf der Schmuckleiste an der Schmalseite eines Sarkophags in Sant'Ambrogio in Mailand zu sehen, entstanden etwa um 385 n. Chr. Da war das Christentum gerade erst vom oströmischen Kaiser Theodosius I. und von seinem weströmischen Pendant zur Staatsreligion erklärt worden, sodass man sich den Schmuck mit christlichen Symbolen endlich offiziell trauen konnte.

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Um 600 n. Chr. entstand das apokryphe - nicht in den Bibel-Kanon aufgenommene - "Pseudo-Matthäus-Evangelium" mit zahlreichen Ausschmückungen der Weihnachtsgeschichte. Dort heißt es: "Sie (Maria) legte den Knaben in eine Krippe, und Ochs und Esel beteten ihn an. Da ging in Erfüllung, was durch den Propheten Jesaja gesagt ist: ,Es kennt der Ochse seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herren.'" Bei Jesaja 1,3 in der Bibel geht das weiter: "Aber Israel erkennt's nicht und mein Volk vernimmt's nicht." Darum geht es dem Propheten: um die Aufrüttelung des Volkes zum Glauben, wozu die beiden Stalltiere als Zeugen dienen. Aber warum ausgerechnet diese beiden, und warum hielten sie seither - und wahrscheinlich schon vorher - Einzug in jede Krippendarstellung?

Der geduldige Esel war das Reittier der Könige und Karawanenführer

Natürlich ist der Ochse ein gängiges Opfertier der Zeit und kündigt insofern das Opfer Christi schon an, wohingegen der Esel das Reittier der Könige und der Karawanenführer war. Auf einem Eselsfüllen zieht Jesus ja auch wie ein König umjubelt an Palmsonntag in Jerusalem ein, was neben der "Krönung" des Erlösers auch eine Friedensbotschaft enthält. Waffenklirrend reiten aggressive Feldherren stets zu Pferde, während anerkannte Handelsherren in der Levante den genügsamen, trittsicheren und geduldigen Esel, eben kein hektisches Fluchttier, bevorzugen. Insofern deuten Ochs und Esel schon die gesamte Geschichte Jesu durch ihre Anwesenheit an der Krippe an. Sie waren den Frühchristen wichtiger selbst als Mutter Maria und Zimmermann Josef, die erst im 6. Jahrhundert als unverzichtbares Krippenpersonal hinzustießen.

Zur tieferen Klärung dieser Geheimnisse der Weihnachtsgeschichte muss man allerdings etwas in die Vorgeschichte der Tiermythen eindringen. Auerochsen zierten schon als mythisch überhöhtes Jagdwild die eiszeitlichen Höhlenmalereien von Lascaux und Chauvet. Und noch Julius Cäsar beschrieb in "De Bello Gallico" in Germanien die fast aussichtslose Jagd auf Auerochsen fast in Elefantengröße. Der Ochse steht für pure und nur durch die Kastration gebändigte Elementarkraft der Natur, die die Ägypter noch in Form des Apis-Stieres als Verkörperung des Schöpfergottes Ptah verehrten. Stierkulte allgemein waren im Mittelmeerraum vom Minotaurus auf Kreta bis zum Mithraskult, der gerade um 100 n. Chr. mit seiner rituellen Stiertötung im Römischen Reich weitverbreitet war, sehr präsent. Immer geht es dabei um Kraft und Stärke und deren Übertragung auf den schwachen Menschen.

Bei den Ägyptern trägt der Gott des Chaos einen Eselskopf

Reicher und vielschichtiger noch ist die mythische Geschichte des Esels, der in der biblischen Region der Eselsnomaden als Last- und Reittier, sowie Milch- und Käselieferant unersetzbar war. Nur mit einem Esel an der Spitze einer Karawane konnte man auch die oft steinigen Wüstenpassagen sicheren Schrittes durchqueren und dessen feines Witterungsvermögen für Wasser und Quellen optimal nutzen. Der Musikwissenschaftler Martin Vogel verfolgt in seiner Studie über die Kulturgeschichte und die Domestizierung des Esels in "Onos Lyras" (Der Esel mit der Leier) das gleichzeitige Aufkommen der Metallverarbeitung, des Fernhandels und der Musik eingebettet in monotheistische Kulte um den Aufstieg Jahwes "vom Eselsgott zum Herrn der Welt", wie eine spätere Darstellung der Kultur der "Eselsmänner" von ihm betitelt ist. Kains Nachfahren Jubal, Tubal und Jabal werden in Genesis 4 je als Stammväter der Musik, der Metallverarbeitung und des nomadischen Lebens vorgestellt, und jedes Mal spielten die Esel dabei eine wichtige Rolle. Ihre Bedeutung wird auch dadurch unterstrichen, dass ihre Erstgeburt alttestamentarisch nicht geopfert werden durfte.

Auch in der griechischen Mythologie haben die Esel Spuren hinterlassen, sei es als Lichtgott "Apollon Onos", der Eselsartige, oder in Gestalt der Kentauren, die nicht immer Pferdemenschen sind, sondern manchmal auch Eselkörper haben. Bei den Ägyptern trägt Seth, der Gott des Chaos, einen Eselskopf. Am stärksten aber blieb - nicht nur bei der Weihnachtskrippe - die Ausstrahlung des Esels bei den Christen. Im 4. Jahrhundert führte man an Palmsonntag schon mal einen Esel bis vor den Altar, besondere Eselsmessen fanden zur Feier der Flucht der heiligen Familie nach Ägypten statt. So wundert es nicht, dass Goldesel und andere Inkarnationen des Tieres in die moderne Märchenwelt einzogen. Keineswegs faul und störrisch sagt doch der besonders mutige Esel als Chef der Bremer Stadtmusikanten zum Hahn, als er ihn überzeugen will von ihrer Abenteuerreise: "Etwas Besseres als den Tod findest du überall."

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