Nach dem Terror in Paris:Wie nehme ich meinem Kind die Angst?

Lesezeit: 3 Min.

Ein Mädchen legt vor der französischen Botschaft in Berlin Blumen nieder. (Foto: Getty Images)

Nach den Anschlägen in Paris stehen Eltern vor der Herausforderung: Wie erkläre ich die Attentate meinem Kind, ohne es noch weiter zu ängstigen?

Von Katja Schnitzler

Menschen, die andere gnadenlos niederschießen oder sich selbst in die Luft sprengen, um möglichst viele mit in den Tod zu nehmen - die Anschläge in Paris verunsichern nicht nur Erwachsene. Ein Gespräch mit der Hamburger Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Marion Pothmann über den Umgang mit der Angst.

Was lösen solche Schreckensmeldungen bei Kindern aus?

Angst, Trauer, Wut und auch Verunsicherung: Kinder fragen sich, ob ihnen oder ihrer Familie das auch passieren könnte.

Sollten wir überhaupt darüber reden?

Auf jeden Fall, denn solche Nachrichten, die alle erschüttern und mitnehmen, bekommen selbst Kindergartenkinder mit - auch wenn man sie davor bewahren will. Selbst die Kleinsten merken, dass die Eltern besorgt und traurig sind und können das nicht einordnen.

Also sagen wir unserem Kind, dass es keine Angst haben muss?

Es ist zwar für uns Erwachsene schwer, die Angst unseres Kindes auszuhalten. Dennoch ist es wichtig, das Gefühl nicht einfach wegzureden. Und das tut der Satz, "du musst keine Angst haben". Er hilft nicht, aber die Kinder bekommen den Eindruck, ihre Emotionen seien falsch.

Wie steigen Eltern also richtig in so ein schwieriges Gespräch ein?

Für alle Altersgruppen, egal ob Kindergartenkind oder Jugendlicher, ist es immens wichtig, dass Eltern sich für deren Gefühle in diesem Moment interessieren, ohne die Traurigkeit gleich mit einem "ja, aber ..." wegzureden. Besser ist es, mit offenen Fragen nachzuforschen, was das Kind genau traurig oder ängstlich macht. Mit diesem Interesse nehmen Bezugspersonen die Gefühle des Kindes wahr, das allein ist schon tröstlich. Nur auf Suggestivfragen wie "Hast du Angst, dass so etwas bei uns auch passiert?" sollte man verzichten.

Wenn aber nun ein Kind fürchtet, dass der Terror zu ihm kommen könnte, etwa beim nächsten Fußballspiel - wie mildern Mütter und Väter diese Angst?

Ein Versprechen, dass ein Attentat bei uns nicht passieren kann, wäre eine Lüge. Schon Grundschüler kontern das mit der Gegenfrage, wie sich die Eltern da so sicher sein können. Besser ist es, das Kind in seiner Angst wieder ernst zu nehmen und etwas zu sagen wie: "Ich kann verstehen, dass du dich fürchtest." Dann kann man darauf verweisen, dass die Wahrscheinlichkeit, selbst von einem Anschlag getroffen zu werden, sehr gering ist. Und dass sich auch in Paris zwar Schlimmes ereignet hat, aber sehr vielen Menschen nichts passiert ist. Und dass man selbst mit zum Fußballspiel kommt und auf das Kind aufpasst.

Wie kann man sein Kind noch trösten?

Eltern sollten schauen, was es jetzt im Moment braucht, nachdem sein sicheres Weltbild erschüttert wurde. Trost und Nähe benötigen ja auch die Erwachsenen. Dafür können sie gemeinsam mit dem Kind nach Ideen und Wegen suchen, um aktiv mit dem Geschehen umzugehen: etwa zusammen eine Kerze anzünden oder beten, ein Bild malen oder eine Trostkette basteln und Bilder davon auf Kondolenzseiten posten. Jugendliche suchen oft Orte, an denen sie gemeinsam trauern und ihr Mitgefühl ausdrücken können. Diese Aktivität hilft gegen die Ohnmacht.

Nicht nur die Nachricht an sich schockiert, sondern auch Bilder von den Anschlägen.

Gerade bei jüngeren Kindern ist es wichtig, den Fernseher rechtzeitig auszustellen und auch das Radio sollte an solchen Tagen aus bleiben, damit nicht ständig die nächste Schreckensmeldung ins Haus dringt. Aber es lässt sich nicht ganz vermeiden, dass Kinder Bilder von den Anschlägen sehen. Da kann man den Blick auch auf Positives lenken, zum Beispiel: "Der Mann wurde verletzt, er blutet. Gleich neben ihm ist ein Sanitäter, der ihn verbindet und ins Krankenhaus bringt, wo ihm noch mehr Menschen helfen werden."

Mütter und Väter sind im Zwiespalt: Einerseits wollen sie ihr Kind nicht ängstigen, andererseits möchten sie mit ihm darüber reden, wie es sich im Notfall bei einem Attentat oder bei einem Anschlag auf die Schule verhalten könnte.

Sie sollten nicht eine mögliche Katastrophe im Detail durchspielen, sondern sich gemeinsam mit dem Kind auf Lösungen konzentrieren: Was könntest Du tun, wenn etwas Schreckliches passiert? Etwa im Versteck bleiben und versuchen, per SMS um Hilfe zu rufen. Natürlich gibt es keine hundertprozentige Sicherheit, aber so kann man diese Situation der Hilflosigkeit - die hoffentlich niemals eintreten wird - ein Stückchen weit kontrollierbar machen. Damit mehr bleibt als ein diffuses Gefühl der Angst.

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