Sei es die geliebte Großmutter, die nach langer Krankheit gestorben ist, oder ein Todesfall in der Nachbarschaft: Früher oder später kommen Kinder mit dem Thema Tod in Berührung. Wie Eltern diese Situation meistern und ihre Kinder dabei besser kennenlernen, erklärt Pädagogin Trudi Kühn.
SZ.de: Jemand, der dem Kind nahestand, ist gestorben. Wie können Eltern die Situation erklären und trotz der eigenen Trauer Beistand leisten?
Trudi Kühn: Trauer, Kummer und Verluste sind Teil unseres Lebens, davor können wir unsere Kinder nicht schützen. Wenn jemand aus der Familie stirbt, wollen wir als Eltern oft erst einmal allein sein. Dennoch ist es wichtig, dass wir tun, was wir können, um unserem Kind unsere Gefühle mitzuteilen. Es hilft dem Kind, die eigene Trauer anzunehmen. Sollten wir dazu nicht in der Lage sein, können wir einen anderen Erwachsenen bitten, mit dem Kind zu sprechen und ihm zuzuhören.
Also sollten Eltern ihre Tränen nicht vor den Kindern verbergen?
Wichtig ist, das Trauern zuzulassen, auch beim Kind, und es nicht gleich abzulenken. Eltern stehen ihrem Kind bei, indem sie es in den Arm nehmen, vielleicht gemeinsam weinen und dem Kind aktiv zuhören. Also nicht nur fragen, wie es dem Kind geht, sondern auch dessen Gefühle in Worte fassen: "Das macht dich sehr traurig und deswegen musst du weinen." So können kleine Kinder ihre Emotionen besser verstehen und später selbst ausdrücken.
Was erleichtert Kindern noch die Trauerarbeit?
Rituale helfen generell, sich im Leben zurechtzufinden. Also kann man Kinder nicht nur fragen, was sie an der Oma gemocht haben, an was sie sich besonders erinnern wollen - sondern auch auf welche Weise sie sich erinnern möchten. Wollen sie gemeinsam jede Woche ans Grab gehen, abends eine Kerze für sie anzünden oder die Lieblings-Geschichte der Oma vorlesen?
Sollten Kinder den Toten noch mal sehen dürfen?
Das liegt im Ermessen der Eltern. Älteren Kindern kann man diese Entscheidung überlassen, nachdem man sie darauf vorbereitet hat, wie der Körper aussehen wird, wie er sich verändert hat: Zum Beispiel dass der Tote im Sarg liegen wird und die Haut wie Wachs aussieht. Möglicherweise möchten die Kinder den Verstorbenen so in Erinnerung behalten, wie sie ihn zuletzt lebend gesehen haben.
Wenn Kinder erstmals mit dem Thema Tod in Berührung kommen, stellen sie häufig die drängende Frage an die Eltern: "Ihr sterbt aber nicht, oder?" Was sagt man da?
Hilfreich ist, ehrlich und sachlich zu antworten, ohne dem Kind Angst zu machen. Also nehmen Eltern ihr Kind in den Arm und erklären zum Beispiel, dass zwar jeder Mensch einmal sterben muss, sie aber nicht davon ausgehen, dass das bei ihnen bald geschieht. Vielleicht möchten die Eltern auch darauf hinweisen, dass die Verstorbenen immer als ein Teil von uns lebendig bleiben. Je jünger das Kind, desto kürzer sollte die Antwort ausfallen. Dreijährige können einem langen Vortrag über Leben und Tod gar nicht folgen.
Wie können Eltern den Tod überhaupt erklären?
Religiöse Menschen tun sich da sicherlich leichter, die an ein Leben nach dem Tod glauben und ihrem Kind sagen können, dass nur der Körper verschwindet - aber die Seele und alles, was es an der Oma geliebt hat, erhalten bleibe. Dass der Tote nun keine Schmerzen mehr habe und vom Himmel auf uns herabblicke. Und wir zwar traurig sind, uns aber die Erinnerung bleibt. Menschen, die nicht an Gott glauben, sagen vielleicht, dass wir nach dem Tod wieder Teil der Welt werden.
Und wenn die Frage unvermittelt gestellt wird und die Eltern keine Antwort wissen?
Dann spricht nichts dagegen, dass sich die Eltern beim Kind Bedenkzeit erbitten, aber das Gespräch später wirklich führen. Es ist sicherlich wichtig, dass sich alle Eltern überlegen, wie ihr Weltbild aussieht und welche Werte sie weitergeben wollen.
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Kinder suchen die Schuld oft bei sich, sei es bei der Trennung der Eltern oder auch im Todesfall. Wie können Eltern das verhindern?
Am besten erklären sie möglichst kindgerecht, warum jemand gestorben ist, um das für die Kinder ein wenig nachvollziehbarer zu machen. Sonst besteht die Gefahr, dass sich das Kind eigene Erklärungen zusammenreimt, die möglicherweise Fehlinterpretationen sind.
Wie stark beeinflusst es Kinder, ihre Mütter und Väter trauern zu sehen?
Kinder orientieren sich mehr an ihren Eltern als wir denken. Deshalb sollten diese ihre Emotionen durchaus zeigen und erklären, damit das Kind lernt, dass unangenehme Gefühle in Ordnung und Teil des Lebens sind. Wer aber merkt, dass er Hilfe - etwa die einer Trauerbegleitung oder eines Psychologen - braucht, sollte sie sich auch im Hinblick auf die Kinder holen. Denn der Trauerprozess muss zwar durchlaufen werden, aber es ist wichtig, nach Ablauf einer angemessenen Zeit wieder aus der Trauer herauszukommen. Ist ein sehr enger Angehöriger gestorben, gab es früher das Trauerjahr, und diese Zeit darf man sich schon zugestehen. Aber nach etwa sechs Monaten sollte es doch wieder spürbar bergauf gehen.
Und falls die Kinder nicht mehr aus der Trauer herausfinden?
Wenn Kinder ihre Einsamkeit und Wut in sich hineinfressen und sprachlos sind, hat das eine gewisse Zeit lang seine Berechtigung. Aber für uns Eltern ist es wichtig, darauf zu achten, ob die Traurigkeit noch ein normaler, nachvollziehbarer Teil der Trauerphase ist oder ob es sich eventuell um eine Depression handelt, unter der ja auch Kinder leiden können. Dann sollte sich die Familie professionelle Hilfe holen.
Kinder trauern nicht nur, wenn Menschen sterben, sondern sind auch zutiefst unglücklich, wenn zum Beispiel ihr geliebtes Haustier tot ist.
In diesem Fall tun Eltern dies nicht mit einem "Das war doch nur ein Tier, wir kaufen dir ein neues" ab, sondern nehmen die Emotionen ernst. Sonst fühlen sich die Kinder alleingelassen. Auch hier helfen Rituale: Wenn möglich, kann das Tier feierlich begraben werden. Und mit dem Kind könnte man besprechen, wie das Tier in Erinnerung bleiben kann. In solch schweren Zeiten haben Eltern die Chance, ihr Kind besser kennenzulernen und ihre Beziehung zu vertiefen, indem sie da sind, ihm zuhören und es im Prozess begleiten - das heißt auch, immer wieder etwas mit dem Kind zu unternehmen, das ihm trotz aller Trauer Freude macht.
Das gilt für alle Verluste und Trennungen, seien es Todesfälle oder Freundschaften, die zu Bruch gehen. In solchen Situationen sind wir traurig und das ist völlig normal - genauso, wie darüber zu sprechen und sich zu unterstützen.
Die ehemalige Gymnasiallehrerin und Manager-Trainerin Trudi Kühn ist Mitherausgeberin des Erziehungstrainings STEP (Systematic Training for Effective Parenting) in Deutschland, Österreich, Luxemburg, Belgien und in der deutschsprachigen Schweiz. Die Kurse sollen Eltern, Erziehern und Lehrern zu mehr Gelassenheit im Alltag verhelfen.