Geht eine Beziehung in die Brüche, ist das eine extrem belastende Zeit voller Schmerz und Unsicherheit für ein Paar. Dazu kommt bei Eltern die Sorge, wie ihre Kinder eine Scheidung verkraften. Familiencoach Monika Czernin begleitet Mütter und Väter durch die Trennungszeit und konzentriert sich dabei vor allem auf die Kinder.
SZ.de: Manche Eltern scheuen wegen der Kinder vor einer Scheidung zurück. Tun sie ihnen damit einen Gefallen?
Monika Czernin: Nicht unbedingt. Ob ein Kind glücklich aufwächst, hängt nicht von der Familienform ab, sondern davon, ob seine Bedürfnisse erfüllt werden und seine Beziehungen intakt sind. Beides ist in einer Trennungs- und Scheidungsfamilie genauso wie in der sogenannten Kernfamilie möglich. Ein Beispiel: Kinder brauchen Eltern, die sich für sie Zeit nehmen. Ein Vater, der sein Kind regelmäßig sieht und etwas mit ihm unternimmt, erfüllt das Bedürfnis des Kindes nach echter Aufmerksamkeit womöglich besser als ein Vater in einer Kernfamilie, der nie Zeit für es hat.
Wie schaffen es Paare, die sich im Streit trennen, weiterhin beide für die Kinder da zu sein und ihnen stabile Beziehungen zu bieten? Schließlich sind diese gerade in die Brüche gegangen.
Das ist natürlich sehr schwierig, die Trennung ist eine Krise für alle Beteiligten. Nur ist ja die Paarbeziehung in die Brüche gegangen, nicht die Beziehung der Eltern zu ihren Kindern. Die Familie bleibt für die Kinder bestehen, sie verwandelt sich nur - wenn auch oftmals schmerzhaft. Auf Elternebene müssen Mütter und Väter deshalb nach einer Zeit der Krise wieder kooperieren und an einem Strang ziehen. Kein Gericht, kein Jugendamt kann ihnen diese Verantwortung abnehmen. Wenn sie sich klarmachen, wie ihr Streit die Kinder belastet, fällt es ihnen vielleicht leichter, ihre Konflikte im Interesse der Kinder zu bewältigen. Denn wenn die Eltern andauernd streiten, können sich Kinder davon emotional nicht abgrenzen. Sie denken immer, dass sie selbst betroffen sind, dass sie Schuld haben und nicht mehr geliebt werden.
Allerdings fürchten Eltern, dass sie mit einer Scheidung ihr Kind traumatisieren und es später selbst Probleme in Beziehungen haben wird.
Ich habe diese Angst selbst erlebt. Aber mein Mitautor, der Schweizer Kinderarzt Remo Largo, beruhigte mich: "Wenn ihr es gut macht, wird nichts passieren." Und so ist es. Wenn Eltern sich nach der Trennung respektieren und ihre Konflikte konstruktiv lösen, dann lernen das auch ihre Kinder. Manchmal sind Scheidungskinder reifer als andere Kinder, aber viele sind durchaus glücklich. Hauptsache, ihre Bedürfnisse werden erkannt und erfüllt.
Welche sind das?
Kinder gut zu versorgen, umfasst natürlich eine ganze Reihe von Bedürfnissen. Nehmen wir einmal das Bedürfnis nach Geborgenheit. Kinder, deren Eltern sich trennen, haben große Angst, von ihnen verlassen zu werden. Doch viel wichtiger als die bloße Erklärung "Wir werden beide für euch da sein" sind die darauf folgenden Taten: Wenn der Elternteil, der künftig nicht mehr bei dem Kind wohnt, sich weiterhin Zeit nimmt, macht das Kind die Erfahrung, dass es nicht verlassen wird. Steht der Vater zum Beispiel am Sonntag beim Fußballspiel trotzdem am Spielfeldrand und feuert seinen Sohn an, gibt das eine enorme Sicherheit.
Doch nach zwei Jahren haben vor allem die Väter, die ohne die Kinder leben, keinen Kontakt mehr zu ihnen. Was kann das verbliebene Elternteil tun, um dem Kind ein Trauma nach diesem Verlust zu ersparen?
Auch wenn die Mutter noch so wütend auf den Vater ist, sollte sie den abwesenden Elternteil nicht vor dem Kind schlechtmachen. Das ist nicht leicht und dennoch wichtig für das Kind. Wenn ein Elternteil ausfällt, hat der andere natürlich die ganze Last der Erziehung zu tragen. Alleinerziehende brauchen deshalb Hilfe. Wenn es andere Bezugspersonen gibt, die dem Kind Halt geben, ist das natürlich sehr gut.
Gerade die Trennungsphase kostet die Eltern viel Kraft. Manche sind dann nicht so für die Kinder da, wie sie sein sollten.
Die Krux ist ja, dass ausgerechnet dann, wenn die Eltern besonders belastet sind, auch ihre Kinder besonders viel Zuneigung und Betreuung bräuchten. Deshalb wäre es gut, wenn die Eltern vor der Trennung gemeinsam überlegen, was sich für die Kinder ändern wird und wo sie in dieser schweren Zeit Hilfe bekommen können. Ideal sind Bezugspersonen wie liebevolle Großeltern, die wissen, dass sie sich im Trennungskonflikt nicht auf eine Seite schlagen, sondern sich viel Zeit für die Enkel nehmen sollen. Auch andere Betreuungspersonen wie Erzieher oder Lehrer sind gefragt. Scheidung ist heute kein Makel mehr, da kann man ruhig im Sinne der Kinder um Hilfe bitten. Eltern müssen ein Netz aufbauen, das sie und ihre Kinder stützt.