Medizin und Wahnsinn (97):Hier schreit der Arzt

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Für seinen Namen kann zwar keiner etwas. Was aber, wenn der Zahnarzt Dr. Auweh oder Dr. Schreier heißt? Da lassen sich Assoziationen nicht vermeiden.

Werner Bartens

Natürlich soll man sich nicht über Namen lustig machen. Auf keinen Fall. Assoziationen lassen sich aber nicht vermeiden, wenn etwa die Behandlung bei einem Urologen mit Namen Dr. Castringius ansteht? Zumindest für einen Eingriff scheint er ja prädestiniert zu sein. Aber lustig machen darf man sich darüber natürlich nicht. Das ist ein journalistisches Grundgesetz und kommt noch vor der Regel: Du sollst keine Taxifahrer zitieren.

Für seinen Namen kann schließlich keiner etwas. Genauso wenig sollten Journalisten Äußerlichkeiten bewerten. Zumindest das mit dem Namen und dem Aussehen ist Quatsch, denn jeder Mensch bewertet andere Menschen nach dem Äußeren und amüsiert sich über passende wie unpassende Namen.

Zu den Äußerlichkeiten: Von einem gewissen Alter an ist man für sein Gesicht selbst verantwortlich. Klar, eine krumme Nase, ein fliehendes Kinn, Segelohren und eng stehende Augen wie bei einem altmodischen Mikroskop sind schlechte Startbedingungen für ein Antlitz, dessen Träger wie ein Feingeist aussehen will.

Wem aber chronisch mangelndes Interesse, dumpfe Langsamkeit oder etwa die permanente Paarungswilligkeit so was von ins Gesicht geschrieben stehen, der sollte nicht eine unglückliche Gen-Ausstattung beklagen, sondern fehlende Herzensbildung oder gar einen miesen Charakter. Solche Eigenschaften kann man durchaus tadeln.

Heilpraktiker Dr. Heilmeyer, Zahnarzt Dr. Auweh

Mit dem Namen ist das etwas schwieriger. In Kinder- und Jugendtagen, während Schulzeit und Ausbildung sollte man den Namen anderer tatsächlich nicht in den Dreck ziehen. Aber warum manche Menschen mit bemerkenswerten Namen als Erwachsene bestimmte Berufe nicht meiden, bleibt ein Rätsel. Dass Mitglieder der Familie Heilmeyer den Arztberuf anstreben oder als Heilpraktiker arbeiten, ist nachvollziehbar.

Aber der Zahnarzt meiner Kindheit hieß Dr. Schreier, der eines Kollegen Dr. Auweh. Dr. Schreier beruhigte Kinder immerhin mit der Aussage: "Hier schreit der Arzt, nicht der Patient." Musste sich im süddeutschen Raum wirklich ein Mediziner der Wahl zum Ärztefunktionär stellen, der auf den Namen Dr. Geldmacher hört? Solche Ärzte braucht man bei "Ärzte ohne Grenzen".

Manchmal können Namen von Ärzten allerdings auch Vertrauen einflößen. Wenn Dr. Steinbrecher oder auch Dr. Steinschneider als Urologen praktizieren, blicken sie bestimmt auf eine jahrhundertealte Tradition in diesem Gewerbe zurück, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Sonst wären sie ja kaum zu ihrem Namen gekommen, der sie in ihrer Profession wie ein Ehrentitel schmückt.

Dr. Galle wie auch Dr. Hodenberg und Dr. Sack haben es hingegen nicht so leicht, wenn sie sich auf das eng umschriebene Fachgebiet beschränken, das ihr Name nahelegt. Dr. Kopf hat es da schon einfacher. Herrn Dr. Reich steht jede medizinische Disziplin offen. Mit den Namen Herzsprung, Hirnschal oder Vornefett sollte man vielleicht vom kurativen Gewerbe absehen und die Pathologie oder Gerichtsmedizin in Erwägung ziehen. Wenn ein Dr. Brüstle forscht und nicht Frauenarzt wird, hilft das Missverständnisse zu vermeiden.

Bestimmte körperliche Eigenschaften, die man auf keinen Fall in despektierlicher Weise erwähnen sollte, scheinen hingegen für manche Berufe zu prädestinieren. Sowohl Gesundheitsministerin Ulla Schmidt als auch ihr Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprechen in einem näselndem Singsang, den sie sich entweder speziell für das einschläfernde Gespräch mit Ärzten antrainiert haben - so wie Erwachsene ins Duzi-Duzi verfallen, wenn sie mit Kindern reden. Oder es handelt sich hierbei um eine schwer zu behebende Fehlstellung der Nasenscheidewand oder um Polypen. Für die Zeit nach der Wahl ist jetzt schon klar, wer aus Unionskreisen als einziger die Gesundheitspolitik vertreten kann - Ronald Pofalla.

© SZ vom 19.09.2009/aro - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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