Kolumne: Vor Gericht:Der Mann mit dem Kajak

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In einem Verhandlungssaal des Landgerichts in Frankfurt (Oder) liegt am 26. Juni 2014 im Prozess um den sogenannten Maskenmann ein Kajak, mit dem ein Berliner Banker entführt wurde. (Foto: Patrick Pleul/picture alliance/dpa)

Mario K. überfiel Millionärsfamilien, entführte einen Banker. Er dachte, er hätte alle Spuren verwischt. Aber dann holte ihn eine Vorliebe aus der Vergangenheit ein.

Von Verena Mayer

Immer wieder kann man vor Gericht so etwas wie Verbrecherkarrieren beobachten. Mario K. sah ich das erste Mal Anfang der Nullerjahre auf einer Anklagebank. Ein unscheinbarer Mann Mitte dreißig, in der DDR aufgewachsen. Gelernter Dachdecker, ohne Wohnung, ohne Job, ohne Freunde. Er lebte in einer Behausung, die er an einem See zusammengezimmert hatte. Mit einem Kajak fuhr er in die Bootshäuser der Umgebung und stahl dort, was er gebrauchen konnte. Am liebsten Bootsmotoren, die er weiterverkaufte. Nach den Einbrüchen zündete er die Boote an, um Spuren zu verwischen. Als die Polizei ihn in seinem Versteck fand, trug er einen schwarzen Taucheranzug und hatte das Gesicht schwarz angemalt. Vor Gericht wirkte er wie jemand, der mit der Welt nichts zu tun haben wollte und dabei irgendwann den Halt verloren hatte.

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Wie falsch der Eindruck war, wurde mir klar, als ich Mario K. am Landgericht Frankfurt (Oder) wiedersah. Zehn Jahre später war das, Mario K. war noch immer unscheinbar. Aber diesmal ging es um die Taten eines der meistgesuchten Verbrecher Deutschlands, des sogenannten Maskenmanns. Ein Täter mit einer Imkerhaube auf dem Kopf hatte erst versucht, eine Millionärin und ihre Tochter aus deren Villa zu entführen, was ein Wachschutz verhinderte. Dann drang der Maskenmann in das Haus eines Bankers ein, entführte ihn auf eine Schilfinsel und forderte Lösegeld. Der Banker konnte sich selbst befreien.

Der Maskenmann war nicht zu finden, jahrelang. Vor Gericht ging es nun darum, ob Mario K. dieser Maskenmann war. Er selbst sagte nur einen Satz: "Ich bin der Falsche." Tatsächlich gab es Zweifel. Man fand keine DNA-Spuren von Mario K. an den Tatorten. Einiges an den Aussagen des Bankers passte nicht zusammen, manche vermuteten sogar, der Mann habe seine Entführung fingiert. Doch die Richter verurteilten K. zu lebenslanger Haft, für sie war der Fall dann doch zu eindeutig. K. habe gemerkt, dass man mit dem Diebstahl von Bootsmotoren nicht reich wird. Und daher etwas Größeres versucht.

Erfahrung hatte er, er war es gewohnt, sich am Wasser zu bewegen und seine Spuren zu verwischen. Für die Entführung des Bankers hatte er ein Kajak verwendet, wie schon zuvor bei seinen Einbrüchen in die Bootshäuser. Auf der Schilfinsel, auf die der Banker verschleppt worden war, fand man eine Decke. Sie war an einem Ort gestohlen worden, an dem Mario K. gelebt hatte. Diese Decke brachte die Polizei schließlich auf seine Spur. Er wurde in einem Einkaufszentrum verhaftet.

Und da waren noch die Villen seiner Opfer. Sie liegen in der Nähe der Gegend, in der K. in seiner selbstgebauten Behausung gelebt und viel Zeit mit Tauchen und Bootsfahrten verbracht hatte. "Die Indizien addieren sich zu einer Gesamtschau", sagte der Richter. Mario K. wäre nicht der erste Verbrecher, der von seiner Vergangenheit eingeholt wird.

An dieser Stelle schreiben Verena Mayer und Ronen Steinke im wöchentlichen Wechsel über ihre Erlebnisse an deutschen Gerichten. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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