Kolumne "Familie und andere Turbulenzen":Ich heiße Pinocchio. Wirklich!

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Sie war's! Nein, er war's! Wer hat nun wirklich mit der Kissenschlacht angefangen? Von den Kindern wird man die Wahrheit eher nicht erfahren. (Foto: Stephanie Wunderlich)

Manche Kinder finden, dass Wahrheit ein recht dehnbarer Begriff ist. Und machen damit ihre Eltern zu misstrauischen Detektiven, die hinter jeder Aussage eine Lüge wittern. Leider oft zu Recht.

Von Katja Schnitzler

In letzter Zeit nimmt es das Kind mit der Wahrheit nicht allzu genau. Zu Hause: "Ich habe schon aufgeräumt." Im Kindergarten: "Meine Mama bekommt noch mal ein Baby. Oder zwei." Auf dem Spielplatz: "Das gehört mir. Wirklich." Beim Turnen: "Ich habe ihn nicht gehauen." Abends im Bett: "Ich bin klein, mein Herz ist rein."

Das bringt Eltern in die Zwickmühle. Vor allem bei Behauptungen, die sich nicht so ohne Weiteres als Schwindel entlarven lassen: Zwar ist sich die Mutter ziemlich sicher, dass sie nicht in Kürze Zwillinge entbinden wird. Und mit einem prüfenden Blick wird das vermeintlich aufgeräumte Zimmer als schöne Wunschvorstellung enttarnt. Schwierig wird es jedoch, wenn Beweise und neutrale Zeugen fehlen.

Schließlich können Mütter und Väter nicht alles mitbekommen, selbst wenn sie dabei sind. Einmal umgedreht, kurz in der Tasche nach dem Hausschlüssel gesucht - schon kann man nicht mehr sicher beurteilen, welches Geschwisterkind mit dem Treten, Hauen und Pieksen wirklich angefangen hat. "Ich nicht!", behaupten beide mit großen Augen, jedes die Unschuld in Person. Meistens schimpfen die hilflosen Eltern dann mit beiden, schadet ja nichts. Hoffentlich.

Der Hang zur Unwahrheit bringt Dialoge hervor, die die Grenze zum Absurden überschreiten und aus Drahtseilnerven Seidenfäden machen: Da ist zum Beispiel ein verdächtiges Quietschen zu hören. Von Eltern sofort identifiziert als schweißfeuchte Kinderhand, die sich über ein frisch geputztes Fenster schiebt. Ein Blick bestätigt den Verdacht. "Hör auf, schon wieder die Glasscheibe zu verschmieren!" Ertapptes Zusammenzucken, aber: "Mach ich doch gar nicht."

"Du schmierst deine Hand immer noch über die Scheibe!" Die Hand fällt herab. "Mach ich doch gar nicht." "Aber gerade schon." "Nein, mach ich nicht." "Ich habe es doch gesehen." "Nein, hast du nicht." "Jetzt halte deine Mutter nicht für völlig verblödet." "Du bist nicht meine Mutter."

Auch Kinder im näheren sozialen Umfeld ignorieren die Wahrheit, wenn es ihnen gerade passt. Zum Beispiel die dreijährige Nachbarstochter auf dem Nachhauseweg: "Natürlich darf ich allein über die Straße, ohne rechts und links zu schauen, ..." (tiefes Luftholen für das Argument aller Argumente) "... das hat die Mama mir erlaubt!" Der Brustton bebt voller Überzeugung und Entrüstung, dass ihr Wort vielleicht gleich angezweifelt wird. Es wird, und zwar von der eigenen Mutter, die zornesrot von der anderen Straßenseite herüberschreit: Wie oft sie schon gesagt habe, dass sie nicht allein über die Straße dürfe?

"Noch nie", behauptet die Delinquentin, nur ein wenig kleinlauter. Das hätte sie besser nicht getan.

Expertentipps zur Erziehung
:"Eltern müssen Gefühle der Kinder ernst nehmen"

Die Mutter kauft zwar die Schokolade, aber das Kind darf sie nicht sofort aufessen - für Zweijährige ein Grund, aus der Haut zu fahren. Ihnen zu erklären, dass das doch nicht so schlimm ist, hilft gar nichts. Entwicklungspsychologe Hartmut Kasten erklärt, wie Eltern besser auf Gefühlsausbrüche ihrer Kinder reagieren.

Von Katja Schnitzler

Am nächsten Tag sieht man die beiden langsam nach Hause trotten. Die Nachbarstochter hält den Blick gesenkt ob der Schmach, nun wieder an der Hand gehen zu müssen. Trotzdem versichert sie eine Woche später: "Radeln ohne Helm? Das hat die Mama mir erlaubt!"

Kinder in diesem Alter machen die Eltern zu unfreiwilligen Detektiven, ständig müssen sie wachsam sein. "Hast du die Hände gewaschen?" "Natürlich!", tönt es in der bekannten Mischung aus Überzeugung und Entrüstung, dass überhaupt gefragt wird. "Ich habe gar kein Wasser gehört." "Ups."

Das Schlimmste daran ist, dass es den Kindern nicht einmal peinlich ist, beim Lügen ertappt zu werden. Oder nur kurz. Oder nur deshalb, weil sie so ungeschickt waren, sich erwischen zu lassen.

Doch was soll aus diesen Kindern nur einmal werden? Heiratsschwindler? Trickbetrüger? Oder gar Banker? Da hoffen die Eltern lieber auf eine Karriere als Pokerspieler. Denn wenn es so weitergeht, ist der Nachwuchs spätestens mit 18 Jahren ein Meister im Bluffen.

Wie reagieren Sie auf kleinere und größere Schwindeleien Ihrer Kinder? Schreiben Sie uns Ihre Erfahrungen und Tipps in den Kommentaren unter der Kolumne.

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Sie können gerne einen Themenvorschlag an die Autorin Katja Schnitzler mailen: Was treibt Sie in Ihrer Familie in den Wahnsinn oder was macht das Leben erst richtig schön?

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