Kindererziehung:Paaaaaarty!

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Zusammen essen, feiern, lachen: Partykompetenz ist wichtig! (Foto: imago/Westend61)

Kinder lernen früh Fahrrad zu fahren, auf Bäume zu klettern, das Einmaleins. Zu kurz kommt eine der wichtigsten Fähigkeiten überhaupt: die Partykompetenz.

Von Dirk Gieselmann

"Fünf sind geladen, zehn sind gekommen / gieß Wasser zur Suppe, heiß alle willkommen." So steht es in ein Tuch gestickt, das in der Küche meiner Eltern an der Wand hängt, gleich über dem Esstisch.

"Was soll das eigentlich bedeuten, Papa?", fragte unser Sohn eines Tages, als er lesen gelernt hatte, auf Besuch bei Oma und Opa. "Dann schmeckt die Suppe doch gar nicht mehr." - "Vielleicht nicht mehr so gut wie vorher", sagte ich. "Aber es ist genug für alle da." Mein Sohn löffelte nachdenklich seinen Grießbrei, dann sagte er: "Würd' ich nicht machen."

Ich löffelte ebenfalls nachdenklich meinen Grießbrei. Wir haben unseren Kindern so viel beigebracht, laufen, sprechen, schwimmen, Fahrrad fahren, wie man klettert, ohne abzustürzen, wie man sein Zimmer aufräumen würde, wenn man es denn aufräumen wollte. Auch dass Gewalt keine Lösung und Gemüse gesünder ist als Schokolade. Aber was Gastfreundschaft bedeutet, das haben wir bislang vergessen, so genau zu erklären, wie es geboten wäre. Dass die Tür offen sein soll für Freunde und Menschen, die es werden wollen. Dass man großzügig sein und improvisieren können muss. Und dass man manchmal Wasser zur Suppe gießt, um das Wunder zu erleben: Zu zehnt schmeckt alles besser als allein.

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Wir haben sie gelehrt zu teilen, das schon: Jetzt gib deinem Bruder halt ein Stück ab, lass deine Schwester auch mal einen Schluck trinken. Doch ehrlich gesagt, geschah das bislang zur Vermeidung eines Wutausbruchs des Kindes, das sonst in die Röhre geguckt hätte, und um des lieben Friedens willen. Dabei hätten wir das Teilen längst unter ein attraktiveres Motto stellen sollen: Geteilte Freude ist doppelte Freude.

Begreife, dass es mehr Spaß macht, Kekse gemeinsam zu essen, statt sie wie ein verstohlenes Eichhörnchen wegzumümmeln. Lerne, dass einer, der alles für sich behält, hinterher dasteht wie ein Verlierer. Bereite dich darauf vor, ein guter Gastgeber zu werden. Dann wirst du niemals einsam sein. Und wahrscheinlich glücklich.

Wenn ihr mithelft, könnt ihr machen, was ihr wollt

Ich erkannte nun, nachdenklich meinen Grießbrei löffelnd, wie beiläufig ich das Thema bislang behandelt hatte. Ist nicht alles andere geradezu zweitrangig? Was bedeuten gute Noten und ein schwarzer Gürtel in Karate, wenn man sie allein feiern muss? Wohin führen Lebensweg und Laufbahn, wenn man nicht weiß, wie man eine Party schmeißt? Womöglich an einen leeren Tisch. Da sitzt man dann und prostet sich selbst zu. Die armen Kinder. Wir müssen ihnen noch so viel beibringen.

Sie dürfen zwar lange wach bleiben, wenn wir Gäste haben, sie sitzen auch nicht am Katzentisch, sondern immer mittendrin, betreiben Small Talk mit Erwachsenen, denen ich in diesem Alter nur artig die Hand gegeben hätte. Und doch müssen ihnen solche Abende bislang vorgekommen sein, als hätten die Heinzelmännchen dazu eingeladen.

Wenn meine Frau und ich die letzten Gäste verabschiedet haben und die Wohnung aufräumen, liegen die Kinder längst in ihren Betten, im Schlaf noch lachend von den Albernheiten des Tages. Auch bei den Vorbereitungen für eine Party sind sie nicht zugegen. Wer will schon ein kompliziertes Rezept nachkochen, während zwei Gibbons auf der Anrichte herumklettern?

Aber ich werde umdenken. Die Kinder sind von nun an für den Salat zuständig. Ein bisschen Schnippeln wird ihnen nicht wehtun, aber begreiflich machen, dass Gastfreundschaft Mühen erfordert. Mühen, die sich lohnen. Sie dürfen auch den Tisch dekorieren, den Gästen die Mäntel abnehmen. Wenn ein paar mehr gekommen sind als gedacht, können sie von mir aus Wasser zur Suppe gießen. Und alle willkommen heißen.

Nun will ich unsere Kinder aber nicht zu Pagen ausbilden, die dienstfertig hin und her huschen. Sie sollen ja auch was von der Party haben. Deshalb lautet der Deal: Wenn ihr mithelft, könnt ihr machen, was ihr wollt. Limo in euch hineinschütten, bis euch der Bauch blubbert, alles vollkrümeln, euch bizarr verkleiden, Onkel Tims beflissenes DJ-Set mit euren Lieblingsliedern sabotieren und tanzen bis zum Umfallen. Und wenn ich tanzen sage, dann meine ich kein drolliges Gehüpfe, das die Erwachsenen sooo süüüß finden, sondern Ekstase. Denn das ist es, was die Kinder uns beibringen können, weil wir es verlernt haben: ausflippen, als wäre man zehn Jahre alt. Auch wenn der Anlass der Party der zehnte Hochzeitstag ist.

Nachdem er nachdenklich seinen Grießbrei ausgelöffelt hatte, sagte mein Sohn übrigens: "Ich würde lieber zehn Pizzen bestellen. Dann hat man auch mehr Zeit zu feiern." Geht doch, dachte ich, geht doch.

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