Ich habe schon etliche Stars vor Gericht erlebt. Bis heute frage ich mich, ob es einen Promi-Bonus oder eher einen Promi-Malus gibt. Stars können sich oft bessere Anwälte leisten und haben Presseleute. Andererseits erfährt eine große Öffentlichkeit in einem Prozess Dinge, die zu Recht privat sind. Eine besondere Last brachte diese Woche Kida Khodr Ramadan in den Saal 3115 des Amtsgerichts Tiergarten. Der 47-Jährige wurde berühmt, weil er einen Berliner Clan-Boss gespielt hat, der sich bei jeder Gelegenheit über das Gesetz hinwegsetzt. Er hat das in der Serie "4 Blocks" so eindrücklich getan, dass selbst Jogi Löw ihm schrieb, er und die deutsche Mannschaft seien Riesenfans von Ramadan. Dieser Darsteller eines Kriminellen muss nun also vor Gericht, weil er selbst das Gesetz gebrochen hat.
Auf den ersten Blick tut Ramadan wenig, um von seiner Figur abzulenken. Er kommt mit grauem Anzug, Sonnenbrille und Käppi in den Saal, zischt den Presseleuten "Mein Anwalt wird mit euch reden" zu und zeigt den Mittelfinger. Fast banal sind jedoch die Straftaten, die ihm vorgeworfen werden. Ramadan ist viermal ohne Führerschein Auto gefahren.
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"Schildern Sie ein bissel die Hintergründe", sagt der Amtsrichter, nachdem er noch ein paar Stühle für die vielen Zuschauer hat holen lassen. Ramadan erzählt, dass es Notfälle in der Familie oder im Freundeskreis gab, bei denen keine Zeit war, ein Taxi zu rufen. Einmal sei er bei einem Dreh gewesen, während ihn Leute von einer internationalen Produktion treffen wollten, "das war für meine Zukunft wichtig". Da sei er schnell in ein Auto der Filmfirma gestiegen. "Komplette Scheiße habe ich gebaut." Besonders bereue er, dass er einmal seine Berühmtheit ausgenutzt habe, um einen Kollegen zu überreden, ihm ein Car-Sharing-Auto freizuschalten.
Selbst der Amtsanwalt hat, wie er sagt, schlimmere Fälle gesehen, er ist normalerweise für Raser zuständig. "Für eine solche Bagatelle darf niemand ins Gefängnis gehen", sagt dann auch der Verteidiger des Schauspielers. Allerdings ist Ramadan vorbestraft, weil er zuvor bereits 33 Mal ohne Führerschein gefahren war. Ramadan sagt zum Richter, er könne nicht einfach mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, sobald er in einen Bus oder die U-Bahn steige, werde er erkannt und belagert. Er deutet auf den vollgepackten Zuschauerraum. "Wenn hier ein Kreuzberger Junge angeklagt wäre, wäre keiner da." Der Richter klingt fast mitleidig, als er Ramadan zu zehn Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Warum er eigentlich seinen Führerschein nicht beantragt habe, fragt der Amtsanwalt. Die Sperre sei doch längst ausgelaufen. Ramadan sagt, er habe das sofort bei der Behörde eingereicht, aber selbst nach eineinhalb Jahren hieß es: Die Sache sei in Prüfung, die Bearbeitung dauert. Zumindest in dieser Hinsicht ergeht es einem Promi nicht anders als den meisten Berlinern.