Dem Geheimnis auf der Spur:Mit Pferd und Streitwagen

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Pharao Ahmose I. besiegte die Fremden schließlich mit deren eigenen Waffen: Streitwagen, Bogen und Pferden. (Foto: Shutterstock / Ashwin)

Mehr als hundert Jahre lang beherrschte ein fremdes Volk das alte Ägypten. Wer waren die mysteriösen Hyksos?

Von Josef Schnelle

"Unerwartet zogen aus dem Osten Menschen unbekannter Herkunft siegesbewusst gegen das Land, und nachdem sie die Führer überwältigt hatten, verbrannten sie die Städte grausam und zerstörten die Göttertempel." Das schrieb der ägyptische Priester Manetho im 3. Jahrhundert vor Christus über die wohl rätselhafteste Zeit der ägyptischen Geschichte 1400 Jahre zuvor. Er schrieb es auf Griechisch nieder, erhalten ist diese Passage seiner Geschichte Ägyptens nur in Abschriften von Abschriften. Sie prägt bis heute das gängige Bild der Hyksos als wilde Eroberer, die Ägypten mindestens 108 Jahre lang beherrschten.

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Zwischen den Dynastien der Pyramidenerbauer des Alten Reiches und dem Mittleren Reich gab es eine Erste Zwischenzeit der Wirren. Und auch zwischen dem Mittleren Reich und dem Neuen Reich mit populären Pharaonenstars wie den Ramessiden, dem Ketzerkönig Echnaton und Tutanchamun, klafft die in den Augen der Ägypter gesetz- und gottlose "Zweite Zwischenzeit" von circa 1638 bis 1530 vor Christus. Dass es über diese Epoche kaum Berichte gibt, liegt einmal an den Ägyptern, die diese Phase wie alle Niederlagen übergehen wollten, als hätte es sie nie gegeben, zum anderen an den Hyksos-Herrschern, die kein Interesse daran hatten - wie bei den Pharaonen üblich -, stolze Monumente und Inschriften zu hinterlassen. Dieser historischen "Verschwörung des Schweigens" ist es zu verdanken, dass die Geschichte der Hyksos weiter geheimnisvoll wirkt. Nur auf dem "Königspapyrus von Turin", Fragmenten einer Königsliste aus der Zeit Rames II., die in hieratischer Schrift auf die Rückseite einer Abgabenliste gekritzelt worden war, ist überhaupt eine Übersicht der "Könige" der Zweiten Zwischenzeit mit sechs Herrschernamen zu entziffern. Die übliche Benennung der vermeintlichen Eroberer als Hyksos stammt von Manetho und ist nur eine griechische Verballhornung der mittelägyptischen Bezeichnung Heqa-Chaset, was sehr allgemein "Herrscher der Fremdländischen" bedeutet.

Die Hyksos führten wahrscheinlich die Pferdezucht am Nil ein

Wer aber waren diese Eroberer? Neuere archäologische Untersuchungen in Tell-el-Dab'a im östlichen Nildelta, wo die Hyksos ihre neue Hauptstadt Auaris errichteten, lassen keinesfalls auf einen gewaltsamen "Sturm aus Asien" schließen. Dieser Einmarsch hätte, wenn er denn in oben beschriebener Weise erfolgt wäre, Zerstörungsspuren hinterlassen müssen, die nicht nachweisbar sind. Strontium-Isotopenvergleiche, die österreichische Wissenschaftler um Manfred Bietak seit 2015 an den Zahnfunden in den Gräbern dort durchgeführt haben, ergaben aber durchaus einen hohen Anteil von Fremdländischen, die wohl aus dem äußersten Norden Syriens stammten. Was jedoch in die Zeit vor dem Beginn der angenommenen Hyksos-Herrschaft hineinreichte. Auaris war schon lange als multikultureller Handelsumschlagplatz bei Seefahrern und Karawanenführern aus vielen Ländern bekannt. Es gibt auch architektonische Hinweise auf die Herkunft der Fremdländischen, die auf den kanaanitisch-syrischen Raum verweisen.

Vielleicht sind während eines schwachen ägyptischen Pharaonentums mit der Dominanz der Fremdlinge im östlichen Delta auch die Herrschaftsverhältnisse einfach umgeschlagen. Es kamen Zug um Zug Fremdländische an die Macht, die teilweise schon seit Generationen in Ägypten lebten. Gleichwohl haben sie und ihre Vorfahren viele Neuerungen in die ägyptische Kultur eingeführt, wie etwa die fälschlicherweise als genuin ägyptisch geltenden leichten Streitwagen mit Pfeilschützen. Auch Entenschnabeläxte, Sichelschwerter, Kompositbögen und sich schnell drehende Töpferscheiben gehörten dazu. Im Jahr 2009 gelang der spektakuläre Fund einer rituell bestatteten Pferdestute in einem Palast in Auaris. Es war offenbar das Lieblingstier eines Hyksos-Herrschers, und so gelten sie auch als verantwortlich für die Einführung der Pferdezucht in Ägypten.

Die fremden Machthaber beherrschten schließlich das ganze ägyptische Reich

Seit 1966 graben österreichische Archäologen um Manfred Bietak dort und versuchen das Hyksos-Rätsel zu lösen. Nach ihren Erkenntnissen war das Herrschaftsgebiet der Hyksos eigentlich ein friedliches Handelsreich. Die in Auaris gefundene Keramik belegt vor allem die weit reichenden Geschäftsbeziehungen bis nach Zypern und in das unternubische Königreich von Kusch, wo man zahlreiche Hyksos-Siegel gefunden hat. Auch die biblische Geschichte von Joseph, der in Ägypten Karriere machte und es bis zu einer Art Wesir brachte und das Land vor einer Hungersnot bewahrte, passt eher zu einem aufgeschlossenen Hyksos-Herrscher als zur hermetischen Priesterbürokratie eines ägyptischen Pharao. Die Herrschaft der Hyksos erstreckte sich zeitweise bis nach Luxor, umfasste also das gesamte Reich und griff offenbar auf ein Vasallensystem mit regionalen Machthabern zurück. So kam auch das Ende, als das thebanische Geschlecht der Ahmosiden - vormals in friedlichen Handelsbeziehungen - gegen den Hyksos-Herrscher Apopi I. aufbegehrte. Regionalkönig Kamose belagerte zunächst erfolglos Auaris, bevor erst Pharao Ahmose I. 1530 vor Christus die Fremdländischen vertreiben konnte und dann die 18. Dynastie und damit das Neue Reich begründete.

Bei der traditionellen Darstellung des triumphalen Sieges des Pharaos Ahmose I. über die Hyksos fällt auf: Er fährt auf einem Streitwagen, spannt einen Kompositbogen, und sein Pferd zertrampelt die Feinde unter den Hufen. Er besiegt die Hyksos - im Symbolbild - also mit deren Errungenschaften: Streitwagen, Bogen und Pferd. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es nach einer erfolgreichen Belagerung zu einem verhandelten Abzug der Fremdländischen kam. Auch das passt eher in die Bibel, wo aber der Exodus als der der Israeliten und nicht der Hyksos beschrieben wird. Ein anderer Auszug von Fremdländischen ist aber in der ägyptischen Geschichte nicht überliefert.

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