Namensrecht:"Männer sind enterbt worden"

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Heute haben Paare Wahlfreiheit, wer nach der Eheschließung welchen Namen annehmen oder behalten kann. (Foto: dpa-tmn)

Als Kerstin Klamroth im Jahr 1985 heiratete, musste sie bis vors Bundesverfassungsgericht ziehen, damit ihr Mann und sie ihre Nachnamen behalten konnten. Was damals rechtlich schwierig war, ist auch heute noch eine Abweichung von der gesellschaftlichen Normalität.

Interview von Alexander Menden

Früher war alles ganz einfach: Wenn ein Mann und eine Frau geheiratet haben, übernahm die Frau automatisch den Namen des Mannes. 1976 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das gegen Artikel 3 des Grundgesetzes verstößt, der da lautet: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Fortan konnten als Ehename auch der Name der Frau gewählt werden. Wenn sich das Paar aber nicht einigen konnte, ob es nun Müller oder Meier heißen will, kam wieder automatisch der Name des Mannes zum Zuge. Erst 1991 wurde auch das für verfassungswidrig erklärt. Seither kann auch einfach jeder seinen Namen behalten. Das machen laut einer aktuellen Statistik der Gesellschaft für deutsche Sprache etwa zwölf Prozent der Paare - und nur sechs Prozent nehmen den Namen der Frau an. Eine der Klägerinnen war 1991 Kerstin Klamroth, geborene Klamroth.

SZ: Frau Klamroth, Sie haben 1985 geheiratet. Hat es Sie damals überrascht, dass nicht einfach jeder weiter so heißen konnte, wie er vor der Hochzeit hieß?

Namensforschung
:Nur sechs Prozent aller Paare entscheiden sich für den Namen der Frau

Bei der Wahl des Nachnamens geht es auf dem Standesamt überwiegend traditionell zu. Das gilt auch für einige Vornamen, die im Trend liegen, wie Karl oder Katharina.

Kerstin Klamroth ist Journalistin und Buchautorin. Ihre Krimiheldin Elfriede ist alleinerziehende Detektivin. (Foto: privat)

Kerstin Klamroth: Nein, wir wussten, dass wir uns für einen Namen entscheiden müssen, und der jeweils andere hätte dann einen Doppelnamen beantragen können, wenn er ein Stück seiner Identität behalten wollte. Das klingt aber leider oft etwas albern, wie bei Loriots "Herrn Müller-Lüdenscheidt". Das wollten wir also nicht. Wir haben per Münzwurf entschieden, ich habe gewonnen und das Aufgebot unter meinem Namen bestellt. Die Reaktionen von Freunden und Verwandten darauf haben mich allerdings überrascht.

Was mussten Sie sich alles anhören?

Meine Schwiegermutter war sehr unglücklich und rief jeden Tag an, Freunde sagten: "Wenn das schon so anfängt, das kann ja nicht gut gehen. Da hat die Frau die Hosen an!" Auch mein Vater hat mich beschworen: "Das kannst du nicht tun, das verkraftet ein Mann nicht. Dann ist deine Ehe schon jetzt kaputt."

Und? Sind Sie noch mit demselben Mann verheiratet?

Nun, unsere Ehe hält jetzt schon 33 Jahre.

Aber wenn Sie sich doch eigentlich einig waren über den Ehenamen, warum sind Sie dann trotzdem vor Gericht gezogen?

Das waren Mitte der Achtzigerjahre überraschend antiquierte Vorstellungen, mit denen wir da konfrontiert wurden. Das hat mich dazu bewogen, zu prozessieren. Wir gaben also entgegen unseren vorherigen Plänen beim Standesamt die Erklärung ab, dass wir uns nicht für einen Familiennamen entscheiden konnten. Daraufhin trug der Standesbeamte getreu dem damals geltenden Namensrecht den Namen des Mannes in das Familienbuch ein. Gegen diesen Automatismus haben wir geklagt, und ich habe meinen Namen einfach behalten.

Hatten Sie Kontakt zu weiteren Paaren, die Probleme mit der Namenswahl hatten?

Ja, ich habe damals sogar einen Interessenverband gegründet. Es haben sich Leute mit dramatischen Geschichten bei mir gemeldet, Männer sind enterbt worden, weil sie den Namen ihrer Frau annahmen, und das betraf durchaus auch Familiennamen wie "Notdurft", von denen man annehmen könnte, dass ihre Besitzer sie gerne gegen Müller oder Schmitz eintauschen würden. Aber archaische Dinge wie der "Stammhalter" sind eben noch sehr wichtig.

Wie genau sind Sie dann vorgegangen bei Ihrer Klage?

Mir hat meine Patentante Sabine Klamroth, die Anwältin war, zur Hochzeit eine Klage vor dem Verfassungsgericht geschenkt. Begründung: In 106 Ländern dieser Erde, darunter auch im katholischen Irland, konnten Ehepartner auch damals schon ihre jeweiligen Familiennamen behalten. Der Zwang zum gemeinsamen Ehenamen, der zu 98 Prozent zulasten der Frauen ging, war also ein spezifisch deutsches Phänomen. Es basierte auf dem preußischen Landrecht aus dem Jahr 1794. Zwei andere Paare, die das Namensrecht auch ändern wollten, sind den Weg über Amts-, Landes- und Oberlandesgericht gegangen. Es dauerte sechs Jahre, bis das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sich mit dem Fall befasst hat. Aber dann hat es aufgrund des Anspruchs auf Gleichberechtigung das geltende Namensrecht für nicht grundgesetzkonform erklärt und gleich für ein Jahr ausgesetzt.

Trotzdem sind die Deutschen bei der Namenswahl immer noch sehr konservativ. Nur sechs Prozent der Paare entscheiden sich für den Namen der Frau und etwa doppelt so viele dafür, dass beide Partner ihren jeweiligen Namen behalten.

Dass die Zahl so gering ist, wundert mich nicht besonders. Viele Frauen sind vor allem auf Harmonie in der Ehe aus. Es gibt zwar nun ein anderes Recht, aber die Vorurteile, die in der Gesellschaft vorherrschen, sind dieselben, die mein Mann vor 33 Jahren zu hören bekam, als Leute zu ihm sagten: "Du gibst klein bei!"

Überhaupt scheinen viele Paare ihre Hochzeit heutzutage wieder sehr traditionell zu feiern. Ein Trend?

Ich kann natürlich nur spekulieren, aber ich glaube, dass Menschen im Moment ein besonders großes Bedürfnis nach Sicherheit haben, weil sich um uns herum so viel verändert. Sicherheit bekommt man, wenn man sich an Traditionen anlehnt, nicht wenn man sie anzweifelt. Deshalb gibt es wieder den Trend zur Hochzeit in Weiß, zu den alten Bräuchen, bei denen der Vater die Braut zum Altar führt und sie dem Bräutigam übergibt - auch wenn die junge Frau längst gut für sich selber sorgen kann.

Glauben Sie, dass es irgendwann selbstverständlich sein wird, dass jeder seinen Namen behält?

Ich bin da pessimistisch. Ein Gesetz zu ändern ist eine Sache, Gepflogenheiten zu ändern eine ganz andere. Aber es ging mir nicht darum, Menschen etwas vorzuschreiben. Jeder soll nach seiner Fasson heiraten und glücklich werden. Der Staat sollte sich da heraushalten. Meine Intention war damals, Paaren die Möglichkeit zu eröffnen, ohne Zwang zum gemeinsamen Ehenamen zu heiraten: Namen sind eben nicht nur Schall und Rauch.

© SZ vom 20.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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