Kopfhörer sammeln mit Götz Schubert:"Musik hören ist für mich wie mentales Yoga"

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Götz Schubert in dem Berliner Plattenladen Dodo Beach. Seit Anfang Januar läuft die Serie "Haus aus Glas" (ARD Mediathek) mit ihm in der Hauptrolle. (Foto: Jan Stremmel)

Der Schauspieler Götz Schubert hasst Lärm. Also fing er an, sich für hochwertige Kopfhörer zu interessieren. Heute hat er Dutzende davon, gibt dafür viel Geld aus und nennt sich selbst: "Freak".

Von Jan Stremmel

Götz Schubert trägt eine Reisetasche über der Schulter, die ein kleines Vermögen wert ist. Er öffnet die Tür des Plattenladens, tritt sich den Matsch von den Stiefeln und stellt die Tasche vorsichtig auf den Tresen. Sie ist bis obenhin voll mit Technik: Kopfhörer, Kabel, tragbare Audio-Player ... Gerät für Gerät nimmt er vorsichtig heraus. Doch das ist nur ein kleiner Bruchteil seiner Sammlung. "Ich glaube schon auch, dass das übertrieben ist, was ich hier veranstalte", sagt Schubert und kratzt sich lächelnd am Kopf. "Aber Leidenschaften haben ja nicht immer was mit Vernunft zu tun."

Der Laden, in dem der Schauspieler steht, heißt Dodo Beach, drei Räume hintereinander, vollgepackt mit Musik aus sieben Jahrzehnten, an der Espressomaschine auf dem Tresen können sich die Kunden gratis bedienen. Die Verkäufer grüßen Schubert, er kommt regelmäßig her. Er liebt Musik, aber vor allem: Musikhören, und zwar mit dem bestmöglichen Klang.

Der 60-Jährige ist bekannt als Ensemblemitglied am Hamburger Schauspielhaus und vor allem aus Hunderten Spielfilmen, etwa als grimmiger sächsischer Kommissar in der ARD-Krimireihe "Wolfsland". Aktuell spielt er in der Serie "Haus aus Glas" die Hauptrolle. Götz Schubert lebt mit seiner Familie in Potsdam. Dort hört er Vinylplatten, spezielle Hifi-CDs, hat natürlich auch ein Heimkino mit Surround-Sound. Qua Beruf ist er allerdings ständig unterwegs - und damit ist das Thema für ihn erst richtig relevant geworden. Denn seine Obsession für guten Sound wurde ironischerweise dadurch vertieft, dass Schubert ständig auf der Suche nach Ruhe ist.

Mit dem Walkman kam die Erfahrung, plötzlich überall Musik hören zu können

Er kommt aus Pirna, Sachsen, seine Eltern hörten Jazz. Mit 16 kaufte er sich einen eigenen Plattenspieler, später ein Tonbandgerät. Das Mono-Signal kabelte er irgendwie so um, dass der Klang aus zwei Boxen kam - eine Art Pseudo-Stereo. Anfang der Achtziger besorgte er sich einen der neuen tragbaren Kassettenspieler: "Ich war einer der Ersten im Osten mit Walkman." Die Erfahrung, plötzlich überall Musik hören zu können, einen eigenen Soundtrack für die Welt da draußen zu wählen, war überwältigend. Zeitgleich brachte sie die Enttäuschung mit sich, dass er mit den damals noch arg durchlässigen Kopfhörern mit lockeren Drahtbügeln nicht wirklich viel hörte, wenn die Straßenbahn vorbeifuhr oder der Sitznachbar in der Bahn laut redete.

Die Hälfte seines Interesses für Audio ist deshalb genau genommen ein Interesse für Lärmvermeidung. Schubert ist ein sensibler Mensch mit feinen Antennen, "ich will zum Leben grundsätzlich eigentlich lieber Ruhe." Auf Drehs sei ihm völlig unwichtig, wie groß oder schick ein Hotelzimmer sei - solange es nur ruhig ist!

Kopfhörer auf, Welt aus: Der Schauspieler hat feine Antennen, er will am liebsten seine Ruhe. (Foto: Jan Stremmel)

Man merkt es schon daran, wie bedächtig Schubert spricht, die richtigen Worte suchend, unpräzise Formulierungen korrigierend, schnell abgelenkt, wenn im Plattenladen jemand lauter spricht oder abrupt die Musik wechselt. Die Gläser seiner Brille färben sich automatisch, je nach Lichteinfall wird sie im Tageslicht zur Sonnenbrille, als würde er permanent versuchen, sich gegen störende äußere Einflüsse abzuschirmen. Die akustische Umweltverschmutzung der Welt, findet er, habe in den letzten Jahren dramatisch zugenommen.

Aus der Tasche zieht er jetzt zwei Paar In-Ear-Kopfhörer. Die Stecker sind ummantelt mit speziellem Schaumstoff, der das Ohr nach außen abschirmt: "Das war quasi der Vorläufer von Noise Cancelling." Und damit ging es los. Wenn er diese Stecker im Ohr trug, ließen sich plappernde Sitznachbarn in der S-Bahn wunderbar ausblenden. Und je weiter die Technik voranschritt, desto mehr Ruhe fand Schubert in öffentlichen Räumen, die für ihn zuvor ungenießbar laut waren.

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Er legt jetzt drei massivere Kopfhörer auf den Tresen. Zwei Paar "geschlossene", ein Paar "offene", was bedeutet, dass man von außen immer noch leise hört, welche Musik darauf gerade läuft - und als Träger mehr von den Umgebungsgeräuschen. Die Ersteren benutzt Schubert für unterwegs, wenn er die Außenwelt ignorieren will. Die offenen setzt er zu Hause auf, wo es einerseits still ist - aber er vielleicht nachts nicht seine Familie aufwecken will. "Die Räumlichkeit, die man damit noch wahrnimmt, macht besonders Spaß bei Livekonzerten, wenn man die sogenannte Bühne hört."

Dann erklärt er, was "analytische" Kopfhörer sind: Sie übertragen kühl und präzise jedes Detail einer Aufnahme, sie bieten sich vor allem für Klassik und Livestücke an, bei denen man jedes Instrument hören will - manchmal sogar das Atmen der Musiker. Bei Pop oder Elektronik dagegen, etwa der von Schubert verehrten Billie Eilish, wählt er lieber einen basslastigeren Hörer, "da geht der Wumms so schön in die Magengrube."

Was Schubert generell liebt: das Gefühl von Immersion. Die Augen zu schließen und mittendrin zu sein, sich wie im Konzertsaal direkt vor der Bühne zu fühlen oder im berühmten Heimstudio von Eilish und ihrem Bruder, der auch ihr Produzent ist. "Für mich ist das wie mentales Yoga."

Wie alle Hifi-Enthusiasten schwärmt er von der "Seele" von Schallplatten

Schubert entscheidet sich aber auch je nach Stimmung für den einen oder anderen Kopfhörer seiner Sammlung, "ein Rotwein schmeckt ja auch unterschiedlich, je nachdem, wie ich gerade drauf bin." Liegen Schuberts Nerven nach einem stressigen Tag blank, wählt er wärmere Hörer und Musik, die ihn abregt: "Ich lande dann meist bei Leonard Cohen, der ist mir sowieso sehr nah." Er hört ihn am liebsten auf Vinyl, eh klar, wobei er wie alle Hifi-Enthusiasten von der ganz eigenen "Seele" von Schallplatten schwärmt, die er auch nicht rational erklären kann. Er vergleicht es mit dem Unterschied zwischen einem Ölgemälde und einem Bild, das eine KI errechnet hat.

Einer der Verkäufer im Plattenladen, ein Mann um die 50 mit Pullunder und Koteletten, hört Schubert aufmerksam zu. Auch er lernt hier offensichtlich noch richtig was. Es entspinnt sich ein kurzer fachlicher Dialog über Audiofiles und Kopfhörertypen. Er selbst spiele seit 30 Jahren Bass in Punkbands, erzählt der Verkäufer. Frage von Schubert: "Wahrscheinlich auf der Bühne mit In-Ear-Monitor?" - "Nö, ich stell meinen Verstärker einfach laut genug." Das dürfte für Schubert die ultimative Horrorvorstellung sein, aber er lässt sich natürlich nichts anmerken.

Wenn er auf Livekonzerten ist, empfindet er den Ton oft als übersteuert und quälend laut. Er trägt deshalb am Schlüsselbund immer eine kleine Plastikschatulle mit sich: Darin liegen spezielle Ohrstöpsel, die Lärmfrequenzen filtern, Gespräche aber durchlassen. Selbstverteidigung für den Audiophilen.

Und als solcher ist Schubert natürlich auch kein Freund des Streamings, dessen Übertragungsrate üblicherweise deutlich unter CD-Qualität liegt. Lieber kauft er seine Musik, wenn nicht auf Platte, dann schon auch digital, aber über die Liebhaberplattform "Qobuz", die den meisten Durchschnittshörern unbekannt sein dürfte. Dort kostet ein Album in spezieller Höchstauflösung schon mal 17 Euro. Dafür, schwärmt Schubert, bekäme er dort auch neu veröffentlichte Aufnahmen von vor 30 Jahren, die sogar besser klängen als ursprünglich auf CD!

Seinen Musikgeschmack bezeichnet er als "querbeet", er reicht von Take That bis Annie Lennox, von Nils Frahm bis Amy Winehouse, von Jean-Michel Jarre bis Hans Zimmer. Dank seiner Tochter Lotte mag er sogar Taylor Swift - vorausgesetzt, er kann es in bester Qualität genießen. Um das zu erreichen, benutzt Schubert übrigens tatsächlich: einen Walkman! Die gibt es nämlich immer noch, nur natürlich ohne Kassetten- oder CD-Spieler. Er zieht nun ein schwarzes Kästchen im Lederetui aus der Tasche, groß wie ein Smartphone, mit Touchscreen und Wlan-Empfang, aber ohne Telefonierfunktion (und für etwa den zehnfachen Preis wie früher). Ein solcher tragbarer Audio-Player, speziell für höchste Hifi-Ansprüche, sei inzwischen "natürlich nur noch was für Freaks", sagt Schubert. Er wirkt stolz, einer von ihnen zu sein.

Keine Leidenschaft ohne Utensilien! Diese drei Dinge braucht Götz Schubert für den Genuss von Musik:

Das Kabel

(Foto: Jan Stremmel)

"Diese gezwirbelten Kabel mit vier Adern übertragen sehr viel mehr Informationen als normale Klinkenkabel. Man nennt sie auch symmetrisch - was bedeutet, dass die Spuren getrennt voneinander aus dem Abspielgerät kommen und vom Kopfhörer in höherer Qualität wiedergegeben werden können."

Der Umwandler

(Foto: Jan Stremmel)

"Dieses Kästchen schalte ich zwischen Smartphone und Kopfhörer, wenn ich unterwegs übers Handy Musik höre. Man nennt es DAC, kurz für Digital-Analog-Wandler, und es packt dem digitalen, stark komprimierten Signal sozusagen die fehlenden Teile wieder dran. Das klingt jetzt etwas Banane, aber so erkläre ich mir das."

Der Walkman

(Foto: Jan Stremmel)

"Dieses Gerät hat mit dem ursprünglichen tragbaren Kassettenspieler aus den Achtzigern nicht mehr viel gemeinsam außer dem Namen. Es ist ein internetfähiges Abspielgerät für spezielle hochauflösende Musikdateien, hat Hunderte Gigabyte Speicherplatz und ist mein treuer Begleiter überallhin."

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