Mainz:Streik an Unimedizin vorerst vom Tisch: Pflegetag in Mainz

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Aus Protest gegen die hohe Arbeitsbelastung wäre es an der Mainzer Universitätsmedizin fast zu einem nach Gewerkschaftsangaben größten Streik in der Geschichte...

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Mainz (dpa/lrs) - Aus Protest gegen die hohe Arbeitsbelastung wäre es an der Mainzer Universitätsmedizin fast zu einem nach Gewerkschaftsangaben größten Streik in der Geschichte der Einrichtung gekommen. Quasi im letzten Moment wurde der abgesagt, weil sich Klinikleitung und Verdi zumindest auf Eckpunkte zur Entlastung vor allem von Pflegekräften einigen konnten. Doch Details sind noch nicht vereinbart, schwierige Gespräche stehen an, vom Tisch ist ein späterer Streik nicht. Die Fast-Eskalation an der größten Klinik von Rheinland-Pfalz zeigt Nöte von Beschäftigten und die schwierige Lage vieler Kliniken wie unter einem Brennglas.

Thema war das auch auf dem dritten Pflegetag Rheinland-Pfalz in der Mainzer Rheingoldhalle. Dort betonten Vertreter aus der Politik und von der Landespflegekammer, manches sei besser geworden, doch weitere Schritte seien nötig. Fakt ist, es fehlt an allen Ecken und Enden an Fachkräften, wie auch die Unimedizin berichtet.

Dort hatten sich Klinikleitung und Verdi am Mittwochabend auf Soll-Zahlen für die personelle Besetzung einzelner Stationen verständigt. Bei Unterschreitung dieser Größen soll Beschäftigten ein Belastungsausgleich gewährt werden. Die große Frage ist, wie der aussehen wird. Art, Höhe und die „Mechanik“ müssten noch geklärt werden, berichtete Verdi-Verhandlungsführer Frank Hutmacher. Für die Gewerkschaft komme hier eigentlich nur ein Freizeitausgleich infrage.

Alternative Ausgleichsmodi konnte auch der kaufmännische Vorstand der Unimedizin, Christian Elsner, zumindest noch nicht nennen. Am kommenden Dienstag (3. Dezember) wird weiter gerungen. Hutmacher von Verdi sagte, ein weiteres Ultimatum sei zwar nicht geplant, aber auch nicht auszuschließen. Klinik-Vorstand Elsner zog ebenfalls eine rote Linie: Er werde sich nicht völlig erpressen lassen und müsse hart bleiben, wenn er das Unternehmenswohl gefährdet sehe.

Ein Freizeitausgleich könnte dazu führen, dass weniger Patienten versorgt werden können. Dazu sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) auf dem Pflegetag, ein Abbau von Versorgungskapazitäten könne nicht das Ziel sein. Gleichwohl seien die Forderungen der Beschäftigten nach besseren Arbeitsbedingungen absolut nachvollziehbar. Sie sei zuversichtlich, dass nun ein für beide Seiten positives Ergebnis gefunden werde.

Klinik-Vorstand Elsner sagte: „In meiner kaufmännischen Brust schlagen zwei Herzen.“ Es sei gut, dass nun eine Art Definition vorliege, was für gute Pflege erforderlich sei. Jetzt müsse geschaut werden, wie sie sich das in der Realität darstellen lasse. Dass mehr Pflegekräfte gebraucht würden, darüber herrsche Einigkeit. Doch die müsse man erstmal bekommen. „Wir stellen hier jede qualifizierte Pflegekraft ein“, sagte Elsner. Doch es gebe schlicht zu wenige. Wie viel neue Beschäftigte nötig seien, um die Soll-Zahlen zu erfüllen, lasse sich noch nicht sagen, erklärte Elsner.

Nach Einschätzung des Präsidenten der Landespflegekammer, Markus Mai, ist beim Fachkräftemangel in der Pflege keine schnelle Besserung in Sicht. „Die Talsohle ist noch nicht erreicht“, sagte er auf dem Pflegetag. Das werde erst in fünf bis sieben Jahren der Fall sein. Ein wichtiger Schritt hin zu einer größeren Attraktivität der Pflegeberufe sei die neue Berufsordnung, die vorbehaltlich der Genehmigung des Gesundheitsministeriums in Mainz Anfang 2020 in Kraft trete. Mit ihr sei die Pflege auf Augenhöhe mit anderen Heilberufen.

Dreyer sprach sich in der Rheingoldhalle für allgemeinverbindliche Tarifverträge in der Pflege aus. Branchenspezifische Mindestentgelte hätten zuletzt zwar Fortschritte gebracht, doch das reiche nicht. Die gesetzlichen Grundlagen für allgemeinverbindliche Tarifverträge seien mittlerweile geschaffen, nun liege es an den Sozialpartnern.

Es sei bedauerlich, dass viele Pflegekräfte nicht dauerhaft in Vollzeit arbeiteten oder den Beruf wechselten, weil sie nicht wüssten, wie sie die Anforderungen über Jahrzehnte erfüllen könnten, sagte Dreyer. Derzeit würden von der Bundespolitik Standards für die Personalausstattung in der Pflege eingeführt oder entwickelt. Das sei gut, stelle die Einrichtungen aber auch vor große Herausforderungen.

„Die Mittel, die zur Finanzierung der Pflegekräfte notwendig sind, die müssen aus dem übrigen Finanzierungssystem herausgelöst werden - das ist ganz schön kompliziert“, sagte Dreyer. Ziel müsse sein, die Finanzierung der Pflege durch die Krankenkassen stabil auf eigene Füße zu stellen - „damit es eben nicht mehr möglich ist im Krankenhausbetrieb, wenn man ein bisschen sparen muss, es immer zu Lasten der Pflege zu machen.“ Nötig seien nachvollziehbare Standards, damit das Personal „nicht auf dem Zahnfleisch gehen“ müsse.

Sparen muss in jedem Fall auch die Mainzer Unimedizin, sie fährt seit Jahren Defizite in Millionenhöhe ein. Vorstand Elsner sieht das Haus mittlerweile auf dem Weg der Besserung. Ein Streik allerdings könne vom Sanierungskurs abbringen, alleine ein Tag koste etwa eine Million Euro. In Sachen Finanzausstattung sei man in konstruktiven Gesprächen mit dem Land. „Sicherlich können wir mehr Geld vom Land gebrauchen.“

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