Klagenfurt am Wörthersee:Kulturforscherin: Heimat hat nichts mit Herkunft zu tun

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Klagenfurt/München (dpa/lby) - Heimat - das ist ein Begriff, der für die einen Berge, Tracht, den Geschmack von Schwarzbrot bedeutet oder den Duft von Omas Apfelkuchen, für die anderen dagegen den Ort, an dem man Freunde und Familie hat oder sich sicher fühlt. Heimat - das ist aber auch ein Begriff, mit dem Politik gemacht wird, den manche fast schon rechtsextrem finden, während er für andere für bedrohte Lebenswelten steht. Nun soll auch auf Bundesebene entstehen, was es in Bayern und Nordrhein-Westfalen bereits gibt: Ein Ministerium für Heimat, im Bund angesiedelt beim Innenministerium unter Horst Seehofer (CSU) - wenn die große Koalition zustande kommt. Was bedeutet Heimat heute, und wie hat man sie früher gesehen?

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Klagenfurt/München (dpa/lby) - Heimat - das ist ein Begriff, der für die einen Berge, Tracht, den Geschmack von Schwarzbrot bedeutet oder den Duft von Omas Apfelkuchen, für die anderen dagegen den Ort, an dem man Freunde und Familie hat oder sich sicher fühlt. Heimat - das ist aber auch ein Begriff, mit dem Politik gemacht wird, den manche fast schon rechtsextrem finden, während er für andere für bedrohte Lebenswelten steht. Nun soll auch auf Bundesebene entstehen, was es in Bayern und Nordrhein-Westfalen bereits gibt: Ein Ministerium für Heimat, im Bund angesiedelt beim Innenministerium unter Horst Seehofer (CSU) - wenn die große Koalition zustande kommt. Was bedeutet Heimat heute, und wie hat man sie früher gesehen?

„Die Idee, dass Heimat und Nation verbunden sind, ist im 19. Jahrhundert entstanden“, erläutert die Kulturwissenschaftlerin Simone Egger, die am Institut für Kulturanalyse der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt in Österreich arbeitet. Damals habe man mit Verbundenheit zur Heimat argumentieren wollen. „Romantische Heimatbilder entstanden, die bewusst gesetzt wurden. Bayernbilder funktionieren ganz besonders gut, weil die plakativ sind.“ Heimat habe aber mit dem Gefühl von Zugehörigkeit zu tun: „Das muss ich selber entscheiden, das hat nichts mit Herkunft zu tun.“ Heimat sei etwas „universell Menschliches - der Flüchtling aus Afghanistan wird mit der Frage so viel anfangen können wie ein sesshafter Oberbayer“.

Bei der Einrichtung eines Heimatministeriums „legt sich alles übereinander“, individuelle Empfindungen, die Geschichte des Heimatbegriffs, die Zuständigkeit des Ministeriums etwa für Entwicklung und Infrastruktur und Seehofer, der als konservativer Bayer besonders für das Thema Heimat stehe. Mit dem Begriff des Heimatministeriums wolle man eine emotionale Ebene erreichen - „eigentlich ein kluger Anspruch“. In Bayern nennt das Ministerium als zentrale Aufgaben Landesentwicklung und Breitbandausbau. Dazu noch ein Programm für politische Bildung gerade in den strukturschwachen Regionen aufzulegen, hielte Egger für sinnvoll.

Den Begriff Heimat beschreibt Egger als „wechselvoll besetzt“. Um das Jahr 2000 habe es schon einmal einen regelrechten Hype darum gegeben. Damals sei man spielerisch damit umgegangen und habe Begriffe wie Umwelt und Nachhaltigkeit damit verknüpft. In den letzten Jahren wurde der Begriff nach Eggers Beobachtung zunehmend politisch verwendet: „Das ist nicht zukunftsweisend. Der Begriff wird deutlich von rechts vereinnahmt, aber aus anderen Richtungen kommt wenig Innovatives“, um den Begriff mit Leben zu füllen, etwa mit Themen wie dem Miteinander in der Stadtgesellschaft.

Egger warnt zugleich davor, den Begriff Heimat wegen dessen oftmaliger Besetzung durch die Nazis zu tabuisieren. Diese hätten ja nun gerade nicht „das Gefühl von Zusammengehörigkeit erfunden, wo man sich sicher und geborgen fühlt“. Im Gegenteil: „Wenn ich heute sage, dieses Thema ist nur von den Nazis besetzt, dann gebe ich das sofort aus der Hand.“

Heute könne es sogar sein, dass sich Menschen der neuen Heimat stärker verbunden fühlen als andere, für die sie selbstverständlich geworden ist, weil sie immer am gleichen Ort leben. „Die Leute, für dies es selbstverständlich geworden ist, tun oft, als seien sie der Normalfall.“ Und gerade die, die kaum den eigenen Ort verlassen, also „viel Heimat“ haben, hätten oft die größte Sorge um diese Heimat.

In der globalisierten Welt seien die Menschen aber oft mobil und Heimat werde zu einer Frage von Orten oder Menschen, mit denen man sich verbunden fühlt. So entstehen dann Karrieren wie die des Eiskunstlauf-Olympiasiegerpaars Aljona Savchenko und Bruno Massot, sie aus der Ukraine stammend, er aus Frankreich, das Gold holten sie für Deutschland. Ob die die deutsche Hymne auch für sie bewegend gewesen sein wird? „Sie leben und trainieren in Deutschland, starten für Deutschland, das wird auch bewegend gewesen sein“, glaubt Egger. „Heimat ist nicht gleich Kultur oder Staatsgebiet.“

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